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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

und jüngferlich, wie sie höchstens für ein Mädchen von sechszehn Jahren schicklich sind, Hütchen, die kaum den Wirbel bedecken, Chignons von der Größe eines Achtundvierzigpfünders, Favoritlöckchen und englische Schmachtlocken von falschem Haar, goldene und silberne Netze, Stöckelschuhe, ein Spazierstock, wohl auch ein Lorgnon auf der Nase und eine Cigarette im Munde, und zuletzt fängt man wieder an – sich zu pudern! Und das Alles zusammengenommen ist deshalb so entzückend und graciös, weil es neu, weil es, wie man meint, noch nie da gewesen ist! Doch entschuldigen Sie, meine Damen, es ist nicht neu, es ist Alles schon einmal dagewesen, also auch Ihre jetzige Mode, Ihre Chignons, Ihre Schminke, die falschen Locken und Haare, die Stiefelchen à la Cothurne und die Schuhe à la Sandale, das Peplum – selbst die unvermeidliche, doch allerdings sehr praktische Schlußnadel. – Gestatten Sie mir, in Bild und Wort den Beweis anzutreten.

Der üppige Haarwuchs der Südländerin bedingt schon an und für sich eine complicirtere Frisur, um die wuchtigen Massen in eine zierliche, salonfähige Form zu bringen. Wir finden daher bei den griechischen und römischen Damen der classischen Periode, mehr noch bei den Aegyptierinnen, jene kunstvollen Haartrachten, wie sie nicht sinnreicher unter der Hand eines modernen Haarkünstlers hervorgezaubert werden können. Doch war auch, wie heutzutage, nicht Alles Gold, was glänzt, und wo sich die Natur zu karg bewies, half man mit künstlichen Mitteln nach und trug falsche Locken oder Zöpfe, oft selbst ganze Perrücken, wie z. B. der berüchtigten Faustina Antonina (Nr. 3) nachgesagt wird, daß sie sich in ihren späteren Jahren unechten Haares bedient habe. Aehnliche kunstreiche Frisuren sind nun auch jetzt bei unseren Damen eingeführt, d. h. Mode; und um auf unser Thema zu kommen, wollen wir die Urbilder derselben in Nr. 1, 2, 3 und 4 vorführen, welche alle aus der römischen und griechischen Vorzeit stammen. Kopf Nr. 1 (antik) ist z. B. genau das Vorbild für Nr. 5, ein Kopf mit den modernen englischen Locken, die, hinter’s Ohr gestrichen, zu beiden Seiten des Halses länger oder kürzer herabfallen. Nr. 2 mit Diadem und Zopfhalter (Kopfputz einer griechischen Dame bei festlicher Gelegenheit) stimmt genau mit Nr. 8, dem Kopfe der Gemahlin Napoleon’s des Ersten, der Kaiserin Josephine, welcher Kopfputz bereits in den höchsten Kreisen der Pariser Gesellschaft Nachahmung gefunden hat. Nr. 3, wie schon bemerkt, der Kopf der Faustina Antonina, hat dieselben aufgebundenen Zöpfe wie Nr. 9, der Kopf einer modernen Dame. Nebenbei bemerkt, erinnern diese Zöpfe an die aufgebundenen Schweife der weiland „englisirten“ Pferde. Nr. 4, ein griechischer antiker Kopf mit Wellenscheitel und Chignon, ist zweifelsohne das getreueste Muster für Nr. 10, eine Dame von 1867, ebenfalls mit Wellenscheitel, nur etwas verkniffenerem Haarschopf. Nr. 6 ist eine jener allbekannten „Schlußnadeln“, auch „englische“ Nadel genannt, weil man des frommen Glaubens ist, als seien sie eine englische Originalerfindung.

Um Vergebung, meine Theuern, das Original (Nr. 12 mit einem Schmetterling geschmückt) ist mehrere tausend Jahre alt und eine griechische Erfindung. Mit diesen Nadeln befestigte man auf der Schulter oder an der Hüfte die Gewandungen, und weil diese meist lang und schwer waren, waren jene Nadeln auch meist größer, als die unseren, und besaßen eine weit stärkere Federkraft, wie man in der Spirale unserer antiken Nadel sieht. Nr. 13 ist der moderne, für Gang und Füße gleich gefährliche Stöckelschuh oder -Stiefel, den man in eingeweihten Sphären Stiefelette à la Cothurne zu benennen pflegt. Er verdankt seinen Ursprung Nr. 7, dem antiken Cothurn, einer Art hoher, bis an das Schienbein festgeschnürter Schuhe, wie sie ursprünglich, um sich beim Gehen auf unebenem Boden und beim Springen gegen äußere Verletzungen und Verrenkungen zu schützen, von den Hirten und Gemsenjägern auf Kreta, später auch in Lakonien getragen wurden, daher man sie auch der Diana und ihrem Jagdgefolge beilegte. Aeschylus führte diese Fußbekleidung zuerst bei den Schauspielern in der Tragödie ein, daher der tragische Cothurn, wie er Götter- und Heldengestalten zukam, und welcher aus einer vierfach übereinandergelegten Korksohle bestand, die wenigstens vier Querfinger hoch war. Ebenso ist Nr. 11, antike Sandale, das Original für Nr. 16, den Schuh à la Sandale. Vorzugsweise trugen die griechischen Frauen die Sandale, wenn sie sich gegenseitig in ihren Häusern besuchten, und ließen sich nicht selten, wie reiche Türkinnen noch jetzt, durch eine Dienerin ein zweites Paar zum Wechseln im Zimmer oder vor der Thür nachtragen. Nr. 14 zeigt uns ein modernes „Peplum“ mit Schleifchen, Bändchen und verunzierendem Spitzenfirlefanz, gegenüber dem griechischen Urbild (Nr. 15), das mitleidig, wie ein schöner, edler Mensch, auf den mißgestalteten Bruder herabsieht. Nr. 18, ein moderner Kopf mit Chignon im Haarnetz, leitet seinen Ursprung von Nr. 17, einem Haarnetz, wie man es in Spanien, Frankreich und Deutschland im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert, namentlich bei Festzügen und auf der Jagd, trug. Nr. 24, der neueste Gesellschafts- und Promenadenhut, welcher überhaupt kein Hut, besser ein Nichts ist, entstand aus Nr. 19, der ebenso einfachen, als reizenden Kopfbedeckung der italienischen Bäuerin oder Winzerin; doch wie wir sehen, lieferten Neuerungssucht und Verbesserungswuth nach dem so malerischen Original die abgeschmackteste Copie. Nr. 20, das moderne Hütchen, welches nur deshalb so tief in die Stirne gerückt wird, damit es hinten um so höher hinausstehen kann, ist eben so verwandter Natur mit Nr. 23, dem Hut aus der Zopfzeit, als Nr. 21, der „Maskenschleier“, hinter den sich ein schlechter Teint und bedenkliche Jahre so gern verstecken, mit einem Ritterhelm, an dem das Visir heruntergelassen ist.

H. Kg.




Der Panther des Südens.[1]
Von G. v. Gößnitz.

Unter den Vielen, die triftigen Grund haben, sich über die Wendung zu freuen, welche die Ereignisse in Mexico genommen haben, ist Einer, der seines Namens, seines Ranges und seines Alters wegen entschieden den obersten Platz einnimmt. Der Jubel, mit welchem er die Nachricht von dem Tode des Kaisers von Mexico aufnehmen wird (oder vielleicht schon aufgenommen hat), wird groß und ungeheuchelt sein, schade nur, daß er nicht von langer Dauer sein kann, denn das fragliche Individuum zählt bereits über neunzig Sommer. Unter den Indianern, die seine nächste Umgebung bilden und die ihn wie einen Halbgott verehren, geht die Sage, er sei über hundert Jahre alt, und wer ihn gesehen hat, wird auch das nicht für übertrieben halten. Die Wahrheit in diesem, wie in so vielen andern Fällen, wird schwerlich jemals an den Tag kommen, da er, der allein Auskunft darüber zu geben vermöchte, dies zu thun entweder unfähig oder nicht Willens ist.

Aber wenn auch der Tag seiner Geburt der Welt unbekannt ist, sein Name ist es nicht. Viele sprechen ihn heute noch nicht anders als mit Verwünschung aus, und Tausende haben ihn mit ihrem letzten Athemzuge verflucht. Er selbst, als ächter türkischer Pascha, ist vollständig gleichgültig hierüber und es würde ihm eben so gleichgültig sein, wenn er wüßte, jene Tausende hätten ihn in ihr letztes Gebet eingeschlossen. Aber bei all’ dieser Gleichgültigkeit empfindet das leichenartige, mumienhafte Geschöpf, dessen Leben erloschen schiene, wenn es nicht so unheimlich aus ein paar großen starren pechschwarzen Augen glimmte, eine seltsame Freude über den Spitznamen, unter dem ihn ganz Mexico kennt. Er hat sich


  1. Viele unserer Leser aus den Jahren 1858 und 1859 werden sich noch der reizenden „Garnison- und Paradebilder“ erinnern, die damals durch ihre innere Naturwahrheit und ihren sprudelnden Humor allgemeines Aufsehen erregten. Der Verfasser dieser Skizzen war ein Oberlieutenant von Gößnitz in Dresden, der später seine militärische Carriere verließ und nach England und Amerika auswanderte, um sich dort einen andern Wirkungskreis zu suchen. Nach neun Jahren zum ersten Male wieder empfingen wir vor einigen Tagen briefliche Nachricht und gleichzeitig ein Manuscript von unserem früheren Mitarbeiter, der jetzt als Instructor der Kaffer’schen Armee beim König der Sandwichsinseln in Honolulu angestellt ist, nachdem er drei Jahre in Mexico, längere Zeit in Südamerika und in der Havanna verweilte und augenblicklich – financiell gut gestellt – auf den Sandwichsinseln lebt, wohin nur eine deutsche Zeitschrift dringt – unsere Gartenlaube. Trotz allen Drangsalen und bittern Erfahrungen ist der alte Humor geblieben und doch ..… „mein Gott,“ schreibt er, „daß ich so weit weg bin, ist gar zu traurig“ –. Unsere Zeitschrift wird von jetzt ab regelmäßige Beiträge dieses begabten und vielerfahrenen Mannes bringen, und dürfen wir unsern Lesern im Voraus eine Reihe der interessantesten Mittheilungen versprechen.
    Die Redaction.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 727. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_727.jpg&oldid=- (Version vom 29.6.2017)