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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

„Ich muß mir die Freiheit nehmen, zu fragen, was Ihr Geschäft hier ist, Monsieur, mitten unter den Feinden der Ordnung und des Gesetzes!“ herrschte er mich an.

Ich zog, von wo ihn selbst der Panther des Südens nicht vermuthet haben würde, einen schmalen Papierstreifen hervor, tauchte ihn in ein Glas Wasser, das auf dem Tische stand, und überreichte ihm denselben schweigend. Die Zeichen kamen augenblicklich klar und deutlich zum Vorschein. Sie blieben freilich unleserlich für ihn, aber es bedurfte nur eines einzigen Blickes auf den Namenszug darunter, um auch den leisesten Schatten des Zweifels mit einem Schlage zu beseitigen. Er steckte den Säbel in die Scheide, grüßte und reichte mir die Hand.

„Wir kommen zu spät, das Nest ist leer!“ sagte ein zweiter Officier, der soeben, vom Hause gegenüber kommend, in’s Zimmer trat.

Die Tragbahre, die ich einige Zeit zuvor gegenüber zu sehen geglaubt hatte, mit einer formlosen, in Decken gehüllten Masse beladen und von bewaffneten Reitern umringt, das Ganze im raschen Zuge nach dem nahen Gebirge, war also keine bloße Vision, – des Panthers letzter Befehl war ein Todesurtheil gewesen für mich und den mexicanischen Officier. Seine prompte Vollstreckung wäre nahezu eine vollständige gewesen, wenn Antonio’s rettender Arm nicht dazwischen kam. La Pantera del Sur war in Sicherheit um diese Zeit, weit voraus auf dem unbekannten Wege schon nach seinem geheimnißvollen Asyle, welches er in der Mitte unzugänglichster Wildniß in den schroffen Ausläufern der Sierra Madre sich angelegt hat – aber: „Die Rache ist mein!“ sagt der Herr.




Curir-Schwindeleien.
Geheimmittel, sympathetische Curen, homöopathische Heilkünstelei.
1. Mund- und Zahnmittel.


Das sind denn nun die Folgen des Aberglaubens, der uns von Jugend auf systematisch eingepflanzt wird und die Menschheit verdummt, daß das, was zur Heilung von Krankheiten empfohlen wird, um so mehr Anklang und Eingang findet, je blödsinniger und geheimnißvoller, je un- und übernatürlicher es ist. Wahrlich, trotz aller Civilisation und Cultur in unserer Zeit erscheint die jetzige, selbst die sogenannte gebildete Menschheit, sobald sich’s um Gesundbleiben und Gesundwerden handelt, doch noch ebenso beklagenswerth-, ja geradezu verächtlich-unwissend und ungebildet, wie die Hottentotten und die Menschen aus der Stein- und Bronzezeit. Nicht genug, daß jeder Ignorant, der weder von den Naturgesetzen, noch von den Einrichtungen und Processen im gesunden und kranken menschlichen Körper die leiseste Ahnung hat, ganz keck sein Urtheil und seinen Rath über Krankheit, Arzt, Arzneimittel und Heilmethoden angiebt, nein, er curirt auch selbst in’s Blaue hinein, unbekümmert darum, ob er Schaden anrichtet oder nicht! Tagtäglich wächst die Zahl der verschiedenartigsten Charlatanerien und Geheimmittel, und die rohesten Quacksalber aus den niedrigsten Ständen (Harnpropheten, Schäfer, verdorbene Schuster und Schneider, Abdecker, alte Weiber, Wunderdoctoren und Naturärzte etc.) ziehen Massen von Kranken lange Zeit an der Nase herum.

Nur die enorme Unwissenheit in naturwissenschaftlichen[WS 1] Dingen, sowie das entsetzlich geringe Schluß- und Urtheilsvermögen, welches die Meisten besitzen, sind schuld an diesem schimpflichen Aberglauben, der zur Zeit in der Menschheit herrscht und den Menschen weit unter das Thier stellt. Ihn benutzen Heilschwindler aller Art mit dem besten Erfolge, und eine Ausrottung dieses Aberglaubens bei Erwachsenen scheint gar nicht mehr möglich zu sein. Darum, Ihr Eltern und ganz besonders Ihr Lehrer, sucht im Interesse der Aufklärung schon von erster Jugend an Eure Kinder und Schüler dadurch zum richtigen Denken zu erziehen und vom Aberglauben frei zu erhalten, daß Ihr denselben soviel als möglich Einblicke in die Natur und deren Gesetze verschafft. Nur durch eine richtige Erziehung in den ersten Lebensjahren kann der Mensch gut und klug werden. Nur ein Mittel giebt es gegen den Aberglauben und das heißt: das Volk denken lehren.

Daß eine große Zahl von ganz lächerlichen Volksheilmitteln und von theueren Geheimmitteln existiren, daß so viele sympathetische Curen (das Besprechen der Krankheiten) sowie die homöopathische Heilkünstelei noch im Gebrauche sind, das legt ein recht deutliches Zeugniß von der Unwissenheit und dem Aberglauben der jetzigen Menschheit ab. Ja sogar Amulete, die gegen Krankheit jeglicher Art nicht nur, sondern auch gegen Kugel und Schwert schützen sollen, werden noch von Vielen getragen, ja in manchen Gegenden betet man die Krankheiten weg (Verbüßen, Besprechen). Ebenso ist der Glaube an den bösen Blick und die heilsame Wirkung von Lutze’s lebensmagnetischem Hauch noch nicht verschwunden; sogar Lebenselixire, die das Leben verlängern können, werden noch verkauft und noch Manche schneiden sich nur am Freitage die Nägel ab, um sich gegen Zahnschmerzen zu schützen. Sogar gebildete Mütter hängen ihren zahnenden Kindern allerlei Hokuspokus (wie eine Bernsteinschnur, Bänder mit Maulwurfs- oder Schneckenzähnen, kleinen Oliven, in Leder eingenähte Mausköpfe) um den Hals, um Krämpfe zu verhüten, und den Zusatz „unbeschrieen“ beim Loben eines wohlaussehenden kleinen Kindes hört man noch tagtäglich. Daß heilige Nothhelfer und Capellen (Gnadenorte) für einzelne Krankheiten in Hülle und Fülle vorhanden, ist bekannt. Kurz, wo man nur hinsieht und hinhört, trifft man auch sofort entweder auf unverschämte Frechheit von Seiten der Heilschwindler, oder auf Dummheit von Seiten des leidenden Publicums.

Die Geheimmittel, welche entweder nur gegen bestimmte Krankheiten und Schönheitsfehler, oder, als Universalmittel, bei allen nur denkbaren Krankheiten von Nutzen sein sollen, sind entweder aus indifferenten Stoffen zusammengesetzt und darum ganz unschuldig, oder sie bestehen aus wirksamen Substanzen und können deshalb recht leicht gefährlich werden. Meistens werden sie dem Publicum durch erdichtete oder erschlichene und theuer erkaufte Zeugnisse als ausgezeichnete in ihrer Wirksamkeit empfohlen und natürlich für einen unverhältnißmäßig hohen Preis verkauft. Alle Geheimmittel sind gemeine Schwindeleien, theures nichtsnutziges Zeug, und das beste Mittel gegen den Geheimmittel-Schwindel bleibt die Aufdeckung desselben. – Um die Entlarvung der meisten dieser Geheimmittel haben sich außer verschiedenen andern Chemikern und Aerzten ganz besonders die Doctoren Hager, Jacobsen und Wittstein verdient gemacht. Die beiden ersten haben ihre Untersuchungen in den von ihnen redigirten und sehr belehrenden Industrieblättern veröffentlicht, der letztere gab ein vortreffliches, nicht blos den Aerzten und Apothekern, sondern auch dem übrigen, nämlich dem durch die Geheimmittel fort und fort geprellten Publicum verständliches und nützliches Taschenbuch der Geheimmittellehre[1] heraus. Auch im „wirthschaftlichen Hausschatze“, einem empfehlenswerthen Rathgeber für’s häusliche Leben,[2] findet man, außer einer Menge praktischer Winke für Küche, Keller, Toilette, Garten, Wäsche etc. die meisten Geheimmittel entschleiert.

Wir wollen nun die vorzugsweise in der Gunst des Volkes stehenden Geheimmittel, und zwar vorzugsweise nach den Untersuchungen oben genannter Doctoren, vornehmen und mit sympathetischen und homöopathischen Scherzen würzen. Denn ebenso scherzhaft wie die sympathetischen Curen mit allerlei Hokuspokus sind auch die homöopathischen, bei denen jedweder Hanstoffel, wenn er nur lesen und sich Dr. Müller’s Haus- und Familienarzt, oder Dr. Hirschel’s Arzneischatz kaufen kann, die prächtigsten homöopathischen Curen an seinen Mitmenschen zu machen im Stande ist. – Der Geheimmittelschwindel steht in den nordamerikanischen Staaten in der größten Blüthe und übersteigt wirklich alles vernünftig Denkbare; aber gegen die dortigen Reclamen sind auch die von Hoff, Daubitz und Goldberger nur armselige


  1. Taschenbuch der Geheimmittellehre. Eine kritische Uebersicht aller bis jetzt untersuchten Geheimmittel. Zunächst für Aerzte und Apotheker, dann zur Belehrung und Warnung für Jedermann. Von Dr. Wittstein. Nördlingen 1867.
  2. Wirthschaftlicher Hausschatz. Praktische Vorschriften und Rathschläge für alle Vorkommnisse in der Hauswirthschaft und im täglichen Leben. Leipzig. Ambr. Abel.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: naturwissenschaflichen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 745. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_745.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)