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Stümpereien. Das Nonplusultra von amerikanischem Geheimmittelschwindel ist folgendes: Durch Dr. Allinhead’s Diamanttropfen (aus den Säften geheimnißvoller Kräuter des tropischen Klimas bereitet) wird der ganze Mensch durchsichtig. Fünf von diesen Tropfen eingenommen, und das Individuum bekommt ein leichtes Frösteln und verfällt in einen sanften Schlaf, in welchem es gelind transpirirt. Schon nach einigen Minuten beginnt der Körper eine eigenthümliche Leuchtkraft anzunehmen und nach weniger als einer Viertelstunde ist der ganz fest schlafende Mensch vollkommen durchsichtig. Man sieht jetzt hinein in alle Geheimnisse des Lebens und etwaige Krankheitszustände erkennt man sofort. Die Durchsichtigkeit hält nicht lange an und es ist daher nöthig, daß ein rasch beobachtender Arzt zugegen ist, als welcher sich natürlich der Erfinder der Diamanttropfen, von welchen fünf Tropfen zwanzig Dollars (etwa achtundzwanzig Thaler) kosten, empfiehlt. Nach dem Transparentgewordensein bleibt nur eine kleine Erschöpfung zurück. – Nach Amerika ist Oesterreich die Pflanzstätte der modernen Beutelschneiderei, des Geheimmittelschwindels und der Marktschreierei, und davon trägt die dortige faule Patentwirthschaft die Schuld. Gegen dreitausend Geheimmittel giebt es in Oesterreich, welche in Zeitungen, unter Kreuzcouvert und in Preiscouranten ausgeboten und leider auch von Apothekern bereitet werden.

Die Mund- und Zahnleiden sind durch so viele Geheim-, sympathetische und homöopathische Mittel zu verjagen, daß man gar nicht begreift, warum sie überhaupt noch existiren und die Menschen plagen. – Von Geheimmitteln sind die folgenden von den oben genannten Herren untersucht worden:

Mundwässer: Anatherin-Mundwasser von Popp in Wien, von welchem das sechs Loth enthaltende Glas 1 Thaler kostet, aber kaum den sechsten Theil werth ist, besteht hauptsächlich aus Quajak- und Sandelholz, Myrrhe und Chinarinde. Der Verfertiger scheint übrigens dieses Wasser anders zu bereiten, als er in der dem Patentamte eingereichten und später veröffentlichten Vorschrift angiebt. – Zahn-Mundwasser von Hückstädt in Berlin, zum Stillen der Zahnschmerzen, ist zusammengesetzt aus Aether (16 Th.), Nelken(3 Th.) und Cajeputöl (1 Th.). Das ¼ Loth enthaltende Glas kostet 5 Sgr. und hat nur 1 Sgr. wirklichen Werth. – Kosmetisches Mundwasser von Joh. Pohlmann. Ein Kaffeelöffel voll von dieser Essenz, mit ½ Glas Wasser gemischt, beseitigt den üblen Mundgeruch, erfrischt und stärkt das Zahnfleisch, macht die Zähne elfenbeinweiß und verhindert das Lockerwerden und Ausfallen derselben. Anissamen und Zimmet (von jedem 8 Loth), Quajak- und Benzoeharz (von jedem 4 Loth), Bertramwurzel (4 Quentchen) und rectificirten Weingeist (8 Pfund) lasse man einige Tage lang digeriren und filtrire die Flüssigkeit, setze hierzu 2 Quentchen feinstes Pfefferminzöl und 1 Pfund Löffelkrautwasser. – Mundwasser von Thiel in Berlin, gegen jede Art Zahn- und Zahnfleischleiden, üblen Mundgeruch, ist bereitet aus Krauseminze, Salbei, rothem Sandelholz, Wasser und Weingeist. Das acht Loth enthaltende Glas ist etwa 1 Sgr. werth. – Odontine von Dr. Pelser-Berensberg (Witte in Berlin), als Mundwasser gerühmt, besteht aus einem mäßig mit Sandelholz gefärbten Weingeist, gemischt mit Pfefferminzöl, Fenchelöl und Nelkenöl. Das drei Loth enthaltende Glas, das mit 2 Sgr. hergestellt werden kann, wird um 15 Sgr. verkauft. – Fluid-Ozon (Ozène) von Kroth in München (leider von Liebig attestirt), ein Mund- und Waschwasser, welches, wie Wasser verdünnt, alle üblen Gerüche zerstören soll. Es ist eine wässerige Lösung von übermangansaurem Natron, verunreinigt mit schwefelsaurem Natron und Chlornatrium. – Gesundheits-Blumengeist von Wald in Berlin, ein angeblich aus den feinsten Blüthenstoffen hergestelltes Parfüm, welches, mit Wasser verdünnt, ein unübertreffliches Mund- und Zahnwasser sein soll und weit theurer als Eau de Cologne ist. Es ist ein Gemisch aus 500 Th. Spiritus, 5 Th. aromatischer Tinctur, je 2 Loth Bergamott-, Lavendel- und Rosmarinöl, 3 Th. Thymianöl und 1 Th. Krauseminzöl. – Mundwasser des Dr. Pfeffermann, ist eine filtrirte Tinctur aus Sternanis (1 Loth), Gewürznelken (1/8 Loth), rother Chinarinde (1/8 Loth), Spiritus (24 Loth), Pfefferminzöl (10–12 Tropfen). Eine Flasche von 5 Loth kostet 27½ Sgr. oder von 10 Loth 11/3 Thlr., und ist nicht das Viertel werth.

Zahntincturen: Zahntinctur von Nic. Baké in Stuttgart, ist eine mit schlechtem Branntwein bereitete Wermuthtinctur, von welcher der Leidende so viel nehmen muß, bis er berauscht ist, dann hört der Zahnschmerz auf. – Zahntinctur von Jovanovits ist eine Auflösung von Gerbsäure (1 Th.) in der Tinctur von Spilanthes oleracca (18 Th.). – Mailänder Zahntinctur von Rau, Universalmittel gegen alle Zahnleiden und auch zum Reinigen der Zähne, läßt sich durch Digeriren von Kino und Zimmtrinde (1 Th.) mit Alcohol (100 Th.) und Zusetzen von Pfefferminzöl um den zehnfach niedrigern Preis herstellen. – Zahntinctur von Vogler ist ein weingeistlicher Auszug von Quajakholz, Sassafrasholz, Bertramwurzel, langem Pfeffer, Nelken und Sandelholz. – Zahntinctur von Walker in Eßlingen, kostet 40 Kreuzer und ist nur 4 Kreuzer werth; sie läßt sich durch Ausziehen von Bertramwurzel mit Weingeist und Zusetzen von aufgelöstem Kampfer und Quajakharz herstellen. – Zahntinctur von Weber ist eine Lösung von einigen Harzen und Kampher in Weingeist mit etwas Terpentinöl. Das 1 Loth enthaltende Fläschchen koset 36 Kreuzer und sein wirklicher Werth ist 3 Kreuzer. – Zahntinctur von Prof. Wundram (Tooth-Ache-Drops), ein Gemisch aus Cajeputöl, Rosmarinöl, amerikanischem Pfefferminzöl (je 1 Th.), und wasserfreiem Spiritus. – Extract-Radix, von F. Schott in Frankfurt a. M., zur Beseitigung jeder Art von Zahnschmerz, ist ein Branntweinauszug aus Sturmhutkraut und Einbeerkraut. Das höchstens ½ Sgr. werthe Glas kostet 12½ Sgr. – Paraguay-Roux von Roux und Chaix in Paris, ein Universalmittel gegen Zahnschmerzen und Scorbut, eine sehr concentrirte Tinctur der Bertramwurzel, Para-Kresse und Inula bifrons. Dasselbe Präparat soll auch unter dem Namen Cheltenham teeth-liquor im Handel vorkommen. – Spiritus-Bohemi, gegen alle Arten von Zahnschmerzen, ist eine weingeistige Lösung von Kampher und Nelkenöl, 1 Sgr. werth und wird (1 Loth) für 1 Thaler verkauft. – Anthosenz von Heß stillt nicht nur jeden Zahnschmerz, sondern auch alle anderen Schmerzen in kürzester Zeit. Es ist ein Gemisch sehr kleiner Mengen wohlriechender Oele (Nelken- und Palmarosaöl), Moschustinctur und Ananasäther; kostet zwar nur 5 Sgr., ist aber trotzdem noch zu theuer. – Zahnmittel von Höcker in Ronneburg, zur Beseitigung von Schmerzen und Brand der Zähne, besteht aus einer Tinctur (eine Mischung aus 3 Th. Gewürznelkenöl, 1 Th. Cajeputöl und 2 Th. starken Spiritus) und aus einem Pulver (ein fein zerriebenes Gemisch aus doppelt-kohlensaurem Natron und Kochsalz). Preis von 12½ Sgr. viel zu hoch.

Zahntropfen: Algophon, Mittel gegen Schmerzen hohler Zähne, ist eine Auflösung von ätherischem Senföl (¼ Loth) in Löffelkrautspiritus (2 Loth.) – Zahntropfen von Dr. Davidson, ein Gemisch aus gleichen Theilen Cajeput- und Nelkenöl, mit etwas Morphium in Weingeist gelöst; jetzt nur ein Gemisch aus 3 Theilen Cajeput- und 1 Theil Nelkenöl. – Zahntropfen von Oberläuter, auf Baumwolle in den Zahn zu bringen, ist eine weingeistige Lösung von Birken- oder Fichtentheer und das kaum ein halbes Loth enthaltende Glas kostet fünf Silbergroschen, ist aber nur einen Pfennig werth. – Zahntropfen (mit elektrischem Strom) von Traberth in Eisenach, sind eine Mischung von viel Schwefelkohlenstoff und wenig ätherischem Senföl in rothgefärbter Baumwolle. Das kaum ein halbes Quentchen Flüssigkeit enthaltende Gläschen kostet 15 Sgr., während sein wirklicher Werth sich noch nicht auf 2 Sgr. beläuft. – Odontine, gegen Zahnschmerz, eine Mischung von Cajeputöl (1 Theil), Wachholderöl (1½ Theil), Nelkenöl (1½ Theil) und Aether (12 Theile.) – Feytonia (gegen Zahnschmerz), ist eine Lösung von Kampher (1 Th.) in Cajeputöl (2 Th.) und Chloroform (4 Th.), nebst einer Spur Nelkenöl.

Balsam: Zahnbalsam von Hoffmann in München, zur sofortigen Stillung der heftigsten Zahnschmerzen, Befestigung des Zahnfleisches etc. kostet 36 Kreuzer, um das Zwölffache mehr, als der wirkliche Werth beträgt, und läßt sich durch Versetzen von Catechutinctur (¼ Loth) mit Nelkenöl (28 Tropfen) herstellen. – Henriettenbalsam gegen Zahnschmerzen und scorbutische Zustände des Zahnfleisches, soll durch Ausziehen der unter dem Namen Carobe de Giudra vorkommenden Auswüchse der Pistacea Terebinthus mit dem dreifachen Gewichte Weingeist bereitet werden. – Opiate pour les dents von Pinaud, eine Zahnlatwerge aus rothgefärbtem Zuckersyrup, Kreide, Gyps und Magnesia. Kostet 36 Kreuzer bei einem Werth von 12 Kreuzer.

Paste: Aromatische Zahnpasta von Suin de Boutemard in Rheinsberg (dem verkappten Goldberger in Berlin), eine feste Masse aus Oelseife, Stärkemehl, Kugellack, kohlensaurem und schwefelsaurem Kalk, Bimsstein und ein wenig Pfefferminzöl. Anderthalb Loth kosten 21 Kreuzer, um 18 Kreuzer zu viel. – Odontine-Pasten, zum Reinigen der Zähne, bestehen vorzugsweise aus Seife oder Fett mit feingepulvertem Bimsstein und Austernschalen, gebranntem Alaun, Zucker, Nelken- und Pfefferminzöl. – Jod-Paste, zum Tödten der Zahnnerven, ist ein mit Berlinerblau gefärbtes und mit Glycerin in Teigform gebrachtes Gemenge von arseniger Säure und salzsaurem Morphin. Sie enthält also gar kein Jod und ist ¼ Frank werth, kostet aber (etwa 17 Gran) 5½ Franken. – Puritas, k. k. patentirte Mundseife von Dr. C. Faber, berühmtes Reinigungs- und Conservirungsmittel der Zähne, kostet 20 Sgr. und ist 2 Sgr. werth. Obschon patentirt und auf der Londoner Ausstellung mit Medaille belohnt, ist diese Seife doch nur ein ganz gewöhnlicher Schwindel der Geheimmittelkrämerei. Sie besteht aus 30% Seifenpulver, 50 Schlemmkreide, 15 Florentiner Lack, 5 Alaun, und ist mit etwas wohlriechendem Oele parfümirt. – Aromatische Mundseife von Zalom, deren Patent seit einem Jahr erloschen ist, wird so bereitet: man nimmt 1 Pfund gute Seife, zerschneidet sie in dünne Streifen und löst sie in destillirtem Wasser auf. – Dann setzt man 6 Loth feingesiebter Ossa sepiae hinzu und läßt das Ganze auf gelindem Feuer mit einem Zusatze von ¼ Maß Rosen- oder Orangenblüthenwasser einsieden, worauf noch etwas Pfefferminzöl, Salbeiöl, Jungfernhonig und Weinessigextract zugesetzt wird.

Pulver: Anadoli von Kreller in Nürnberg, orientalische Zahnreinigungs-, Stärkungs-, Erhaltungs-, und Athem-Erfrischungsmasse, ein Pulver, welches 36 Kreuzer kostet und nur 3 Kreuzer Werth hat; es besteht aus Seife (42 Theile), Stärkemehl (44 Theile), levantischer Seifenwurzel (12 Theile) und ist parfümirt mit Bergamott- und Citronenöl.– Chinesisches Zahnpulver ist weiter nicht, als höchst fein präparirter Bimsstein. –

Wolle: Zahnwolle von Bergmann, die jeden Zahnschmerz stillen soll, wenn man sie an einem Ende anzündet, gleich wieder ausbläst und den Dampf der fortglimmenden Wolle einathmet. Es ist ein fingerlanges, in Staniol eingewickeltes Strähnchen von Baumwollfäden, welches nicht einen Pfennig werth ist und zwei und einen halben Silbergroschen kostet. – Zahn-Pillen von Schreyer, gegen Zahnschmerzen, enthalten als Hauptbestandtheile Kochsalz und Pfeffer, kosten 18 Kreuzer und sind höchstens 1 Kreuzer werth.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_746.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)