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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Rechten, daß Allen die Haare zu Berge stiegen; es war so still im Saale, daß man den Herzschlag der Versammelten zu hören meinte, der Athem stockte – da plötzlich setzte der Hauptmann ab.

„Schaun’s,“ sprach er harmlos, „das wackelt halt doch gar zu sehr, wenn ich g’meint hab’, ich hätt’s, dann war’s gleich wieder daneben. Ich will’s halt lieber sein lass’n, ich könnt’ vorbei schieß’n und dann gäb’s am End’ gar ein Malheur. Ich dank’ auch vielmals, Herr Oberst,“ und somit setzte er den Hahn in Ruh und begab sich zurück auf seinen Platz. Vier Wochen später war der schüchterne Hauptmann M..…r Major in einem andern Regiment, später als Oberstlieutenant wurde er bei Königgrätz verwundet und ist jetzt pensionirt. Sein früherer Oberst, der seinen frevelhaften Uebermuth gewiß herzlich bereut hat, ist seit jenem Liebesmahle sein wärmster Freund geblieben bis auf den heutigen Tag.

H. H.




„Wat seggst Du aber nu, Höltje?“ Daß böse Gesellschaften gute Sitten verderben, haben wir schon in den Kinderschuhen lernen müssen. Daß dieser Spruch aber nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Thiere Anwendung findet, das ist eine tragikomische Wahrheit, die zu beobachten nicht Jeder Gelegenheit haben mag. In diesem Sinne halte ich eine kleine wahre Begebenheit, die ich aus meinem Tagebuche entnehme, werth, gegartenlaubt zu werden.

Auf meinem Lieblingsspaziergange um W. im Braunschweigischen pflegte ich meinen Weg durch die Gemüsegärten der „kleinen Leute“ zu nehmen, deren Schaffen und Treiben mein Ohr und Auge oft genug ergötzte. Die bekannteste Person in diesem ganzen Bezirke wurde mir bald die Ehefrau Höltje. Fünf Minuten weit hörte ich oft ihre Stimme, und die Vögel des Himmels, der Haushund und der liebende Gatte suchten in der Flucht ihr Heil, wenn der beredte Zungenschlag der Frau Höltje ihrem gerechten oder ungerechten Zorne Ausdruck lieh. Die Wirkung jeder solchen Expectoration, deren Zielscheibe natürlich stets der Gemahl war, wurde in drastischer Weise noch dadurch verstärkt, daß Frau Höltje die Fäuste in die Seite stemmte und dann mit der triumphirenden Strophe schloß: „Wat seggst Du aber nu, Höltje?“ Höltje schwieg; was sollte er auch dazu sagen. – Herr Jacob, ein zahmer Kolkrabe im Hause Höltje, dem man das Fliegen benommen hatte, sollte eines Tages die Veranlassung zu einer neuen Katastrophe geben. Man hatte vergessen, die Thür seines hölzernen Käfigs festzuheften, und der schwarze Einsiedler flatterte aus seiner Clause in den engen Hühnerhof herab; ich kam gerade hinzu, als er einem der eierlegenden Bewohner mit seinem kolossalen Schnabel den letzten Gnadenstoß versetzte. Auf meinen Ruf eilte das Ehepaar Höltje von der Arbeit herbei, doch zu spät; der Rabe hatte das Huhn getödet. Frau Höltje in höchster Erregtheit stemmte die Arme in die Seite, holte tief Athem und wollte eben ihr Scheltregister recapituliren, als plötzlich der Rabe ihr diese Mühe abnahm. Um das noch zuckende Huhn im Kreise herumhüpfend, kauderwälschte er mit tiefer schnarrender Stimme: „Wat seggst Du aber nu, Höltje?“ Der Zorn der Frau Höltje kehrte sich um in Verwunderung; sie wiederholte mechanisch: „Wat seggst Du aber nu, Höltje? Ne, det kluge Gethier!“ – Mir liefen vor Lachen die hellen Thränen in den Bart.

S.




Raphael-Galerie. Mit jedem Tage stellen sich mehr und mehr die Fortschritte heraus, welche die Photographie auf dem Gebiete der Kunst macht. Die Leistungen eines Hanfstängl in Dresden, eines Albert in München etc. sind so hervorragender Natur und liefern in der Wiedergabe berühmter Meisterwerke so Bedeutendes, daß die beabsichtigte ideale Wirkung der Originalbilder nachgerade vollständig erreicht ist. Einen glänzenden Beweis nach dieser Richtung hin bietet wieder die jetzt in Kassel bei Kay erscheinende „Raphael-Galerie“, eine Reihe photographischer Nachbildungen der ausgezeichnetsten Werke des großen Künstlers, dem die Welt den Namen „der Göttliche“ beigelegt hat. Nach Ueberzeichnungen von Georg Koch – dessen im vorigen Jahre erschienene „Madonna della Sedia“ einen so allgemeinen und wohlverdienten Beifall fand – hat es das Albert’sche Atelier übernommen, die besten Bilder des „Göttlichen“ in scharfen photographischen Aufnahmen wiederzugeben, und das erste Heft, „die schöne Gärtnerin“ und die „Madonna mit dem Diadem“ enthaltend, bereits erscheinen lassen. Wir machen alle Freunde der Kunst und dabei auch alle Liebhaber guter Zimmerverzierungen auf diese in einer größeren und kleineren Ausgabe erscheinende Galerie dringend aufmerksam. Derartige künstlerisch ausgeführte Photographien haben allen sonstigen Nachbildungen in Kupferstich oder Lithographie gegenüber den Vorzug der Treue, indem sie genau die Zeichnung des Originalgemäldes wiedergeben und somit Gelegenheit bieten, die einzelnen Werke in ihren Eigenthümlichkeiten studiren zu können, wie es durch keine andere Nachbildung möglich ist.




Eispapier. Die „Gartenlaube“ ist bei ihrer großen Verbreitung jetzt das geeignetste Journal, einer gemeinnützigen Sache Geltung zu verschaffen. Die Nummer 26 der „Gartenlaube“ bespricht das Geheimmittelwesen und zeigt, daß dieses vielgelesene Blatt es besser mit dem großen Publicum als mit einer gewissen Classe desselben meint, welche die Leichtgläubigkeit und Unerfahrenheit auf das Gewissenloseste auszubeuten sucht. Man sieht seit einiger Zeit Visitenkarten, Hochzeitscarmina, Tanzordnungen etc. auf sogenanntem „Eispapier“ gedruckt, einem Papiere, das mit weißen, glänzenden Krystallen getränkt und überzogen, von hübschem, gefälligem Aeußeren ist und seinen Namen der Phantasie des Erfinders verdankt, welche die Krystalle denen des Wassers ähnlich fand. Daß dieser neue Industrie-Artikel mehr berechnet ist, dem Erfinder Capital zu schlagen, als der Menschheit nützlich zu sein, ergab die chemische Untersuchung desselben, die den schönen Krystallüberzug des Papiers als ein Bleisalz und zwar „zweidrittelessigsaures Bleioxyd“ constatirte. Dieses Salz ist stark giftig und darf in den Apotheken ohne Weiteres nicht verabfolgt werden. Das Schädliche und Gefährliche dieser neuen Spielerei liegt auf der Hand. Der Krystallüberzug haftet nicht fest an der Unterlage, blättert sich sehr leicht los und kann auf diese Weise sich dem Essen oder Trinken mittheilen. Bekommt ein Kind ein solches mit diesem Bleisalz getränktes Papier in die Hand, so führt es dasselbe an den Mund – es schmeckt süß und es ißt davon – und da dieses Bleisalz schon in kleinen Dosen giftig wirkt, so sind die Folgen der bedenklichsten Art.

Mögen diese Zeilen dazu beitragen, einerseits dem genannten Papiere den Eingang in das Publicum so sehr wie möglich zu erschweren, andererseits den Impuls zur Untersuchung und Veröffentlichung von dergleichen gefährlichen Industriezweigen gegeben zu haben.

Siegfried Mühsam in Oels.

Aehnliche belehrende und warnende Mittheilungen nehmen wir mit Vergnügen auf, nur bitten wir, uns solche nicht anonym oder pseudonym senden zu wollen.

Die Redaction.




„Nach fünfzehn Jahren.“ Die Gartenlaube darf sich wohl das Verdienst zuschreiben, das deutsche Publicum zuerst mit einer Reihe von Schriftstellern, besonders Novellisten, bekannt gemacht zu haben, die jetzt zu seinen Lieblingen zählen. Wohl könnten wir viele der besten Namen anführen, denen wir die Bahn in die deutsche Lesewelt gebrochen, mehr noch, die wir in den deutschen Herzen eingebürgert haben, wir wollen indeß heute nur einen Dichter nennen, der auch sein Erstlingswerk in den Spalten unseres Blattes veröffentlichte, wir meinen A. Ewald, dessen unlängst (bei Costenoble) erschienener Novellenkranz „Nach fünfzehn Jahren“ von der Kritik bereits die günstigsten, ja zum Theil glänzende Urtheile erfahren hat. Gewiß werden sich unsere Leser noch mit Vergnügen und Rührung jener ergreifenden Erzählung Vom schönen Fritz erinnern, in welcher wir eine reichbegabte, geist- und lebensprühende Natur einem tragischen Ende entgegengehen sehen, weil sie dem unklaren Drange einer phantastischen Neigung folgte; diese Erzählung bildet nun einen Theil des gedachten Novellencyklus, und mit guten Gewissen können wir versichern, daß auch die andern Blumen dieses Straußes, theils heiterer und anmuthiger, theils ernster, ja erschütternder Art, wie u. a. „Eleutheros“, dem „schönen Fritz“ sich voll und ebenbürtig anreihen. Möge darum das Buch sinnigen Lesern auf das Wärmste empfohlen sein!




Inhalt: Der Habermeister. Eine Geschichte aus den bairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Die Taufe im Flusse. Mit Abbildung. – Eine Mustermordanstalt. Von A. Douai. Mit Abbildung. – Ein Herrenhaus der Wissenschaft im hohen Jura. – Ein Capitel vom Fürstendanke. Mit Portraits. – Von den Geheimnissen der Vogelstellerei. Von Gebrüder Karl und Adolph Müller. 2. Die Drosseln und der Heerd. – Blätter und Blüthen: Edle Revanche. – „Wat seggst Du aber nu, Höltje?“ – Raphael-Galerie. – Eispapier. – „Nach fünfzehn Jahren.“




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_768.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)