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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Männer haben sich zu deren Heranziehung erboten. Sie wollen fünftausend Personen anwerben und erhalten pro Kopf hundertundfünfzig Soles, werden also durchaus kein schlechtes Geschäft machen, wenn es ihnen gelingt, eine solche Anzahl zu bethören.

Leider sind es größtentheils gerade die tüchtigsten Kräfte, der Kern des deutschen Volkes, welche am leichtesten zu gewinnen sind; thatkräftige Männer, die drüben, wenn auch mit harter Arbeit, den Wohlstand ihrer Familien gründen, den Keim zum Glücke ihrer Kinder legen zu können glauben. Daher ist es Pflicht jedes Menschenfreundes, jedes Deutschen, vor den Verlockungen der Anwerbenden zu warnen. Denn was erwartet die mit frohen Hoffnungen Ankommenden? – Harte, unbelohnte Arbeit und Gefährdung von Gut und Leben. Handel und Gewerbe liegen in Peru darnieder wie noch nie zuvor. Die Regierung ist gezwungen, um sich Geld zu verschaffen, dem Volke immer neue und größere Steuern und Lasten aufzulegen, wodurch sich das Murren und die Unzufriedenheit fortwährend mehren. Unzählige Revolutionen haben die socialen Verhältnisse des Landes gänzlich zerrüttet; Raub- und Mordgesindel treibt selbst in der nächsten Nähe der Hauptstadt sein Unwesen, und die niedere Bevölkerung rückt, geistig wie leiblich, einer gänzlichen Verkommenheit immer näher.

Möchten darum sämmtliche deutsche Zeitungen es für eine nationale Pflicht erachten, diese Warnung durch Aufnahme in ihre Spalten zu verbreiten!




Die Brüder O’Donnell. Bei Gelegenheit des kürzlich erfolgten Ablebens des spanischen Marschalls O’Donnell dürfte es nicht uninteressant sein, Einiges über dessen Familie zu hören. Dieselbe stammt aus Irland, wie schon das O vor dem Namen verräth, und drei Brüder suchten in Spanien ihr Glück zu machen, aber nur einem gelang dies. Der älteste hat sich keinen berühmten Namen erworben, der zweite war eben der jetzt verstorbene Herzog von Tetuan, welcher eine glänzende politische und militärische Carriere machte, die allgemein bekannt ist. Der jüngste Bruder, ein muthiger, unerschrockener Charakter, hätte vielleicht ebenfalls eine bedeutende Laufbahn vor sich gehabt, wenn ihm dieselbe nicht allzufrüh abgeschnitten worden wäre. Von ihm wollen wir vornehmlich erzählen.

Zur Zeit des Erbfolgestreites in Spanien hatte er für das Kind Isabella Partei ergriffen und gehörte demnach zur Partei der „Christinos“; bei irgend einem Scharmützel in dem Guerillakriege wurde er von dem berühmten Carlistenführer Zumalacarreguy gefangen genommen. O’Donnell betrachtete dies fast als einen glücklichen Zufall, denn Zumalacarreguy war sein Jugendfreund und ehemaliger Mitschüler von einer Kriegsschule her; die beiden Freunde hatten sich seit Jahren aus den Augen verloren und feierten nun ein freudiges Wiedersehen. Zumalacarreguy nahm den Freund mit in sein eigenes Zelt, bewirthete ihn nach Kräften und sagte ihm, nachdem sie sich gegenseitig ihre Erlebnisse erzählt:

„Deine Gefangenschaft wird nicht lange dauern, lieber Freund, ich schicke noch heute einen Parlamentär zu dem General der Christinos, um wegen Auswechselung der Gefangenen zu verhandeln, und so kannst Du morgen schon wieder in Freiheit sein.“

Der Parlamentär wurde auch wirklich abgesandt und entledigte sich seiner Mission. Der Christinosgeneral aber, ein unkluger und roher Mensch, antwortete dem Parlamentär: „Ich will Dir zeigen, wie ich mit Rebellen unterhandle!“ Und sofort ließ er vor den Augen des Parlamentärs sämmtliche gefangene Carlisten erschießen, worauf der Abgesandte empört zu seinem Chef zurückkehrte.

Am folgenden Morgen trat Zumalacarreguy mit etwas verlegener Miene in sein Zelt und fand da seinen Gefangenen, der sich eben die Frühstückschocolade prächtig schmecken ließ. Still setzte er sich ihm gegenüber.

„Was hast Du?“ frug O’Donnell. „Hast Du schlecht geschlafen? War Deine Chocolade angebrannt oder was ist Dir sonst? Du siehst ja ordentlich verstört aus.“

„Mein Gott, ja,“ entgegnete der Carlistenchef, „ich bin wirklich sehr verdrießlich, denn ich habe Dir eine schlechte Nachricht mitzutheilen. Der General der Christinos hat vor den Augen des Parlamentärs sämmtliche Gefangene niederschießen lassen, und ich sehe mich nun gezwungen, Repressalien zu üben. Du wirst also in einer Stunde mit den Anderen erschossen, so leid es mir thut.“

O’Donnell hörte dies ruhig an und erwiderte dann: „Nun, das ist ja ganz natürlich, da brauchst Du Dir doch wahrlich keine Scrupel weiter darüber zu machen. Du kannst nicht anders; ich würde auch so thun. Gieb mir nur noch ein paar Cigaretten und Schreibmaterialien, damit ich einen Brief schreiben kann, den Du später besorgen wirst.“

Als er den Brief geschrieben, kam die Mannschaft, um die Gefangenen abzuführen. O’Donnell stand auf, schüttelte Zumalacarreguy noch einmal die Hand, zündete sich eine Cigarette an und ging, sich erschießen zu lassen.




Wieder Einer! Viele von Denen, die der Sturm des Jahres 1848 hinweg aus Deutschland fegte und die jetzt draußen in der Fremde und weit über den Meeren sich mühsam eine neue Existenz erkämpften, werden es mit Trauer vernehmen, daß einer ihrer treuesten Freunde, der Besitzer der Rheinländischen Weinstube in Leipzig, Heinrich Kaltschmidt, nun auch heimgegangen ist. Sein Name hatte nicht nur eine locale Bedeutung. In seiner Restauration versammelten sich einst – wie beim seligen Werner im Hahn – die politischen Flüchtlinge aller Nationen, um unter seinem Vorsitz und mit seinem gewichtigen Rath über die nächsten Ziele ihrer Flucht und die dazu nöthigen Mittel zu berathen. In dem Hinterstübchen seines Locales sind in diesen und in den späteren Jahren bis auf die Neuzeit herauf in Gegenwart der besten deutschen Männer Beschlüsse gefaßt und zur Ausführung gebracht worden, die in ganz Deutschland Aufnahme und Anerkennung fanden. Er selbst, dessen Demokratie nicht erst aus dem achtundvierziger Jahre stammte, nahm an Allem den lebhaftesten und innigsten Antheil und seine Meinung ward oft zur maßgebenden. Mit mehr als gewöhnlicher Bildung und einem haarscharfen Verstande verband er eine Entschiedenheit und Consequenz der Gesinnung, wie sie jetzt in den Zeiten des Rechnungtragens immer seltener wird. Dabei war er ein Mann der That, nicht nur der Phrase. An seinen frischen Grabeshügel können gar Manche hintreten und in sein stilles Haus ihm den Dank nachrufen, daß er sie gerettet vor langjährigem Gefängniß und Zuchthaus, oft mit eigener Gefahr – er hat die eine That mit mehrmonatlichem Gefängniß gebüßt –, oft mit Hülfe seiner nächsten Freunde, oder auch durch seinen klugen Rath und durch geschickte Irreführung der Verfolger von der Spur des edlen Wildes. Selten nur sprach er davon und nur Wenige wissen, was er gethan, zu einer Zeit, wo er selbst noch um seine eigene Existenz kämpfte. Er war eben ein ganzer Mann, und wenn er auch nie eine öffentliche Rolle gespielt: das Andenken an seine stille, aber thatkräftige Wirksamkeit wird sich nicht mit dem Deckel seines Sarges schließen.

K.




Für den Weihnachtstisch in Johann-Georgenstadt.
(Siehe Abbildung auf Seite 805.)


Das ist ein Wunsch, den wir in Bild und Wort hiermit aussprechen, den wir unserem gesammten Leserkreis an’s Herz legen und zu dessen Verwirklichung wir den Betrag unserer letzten Sendung von 204 Thalern an das Hülfscomité ausdrücklich bestimmt haben. Es giebt kein ärmeres Geschöpf auf Gottes Erde, als ein armes Kind zur Weihnachtszeit, wenn ihm von dem freudenreichen Feste kein einziger Strahl in’s Herz fällt, nicht die geringste Gabe es an das heilige Christkindlein erinnert, das „vom Himmel her“ zu aller Kinder Freude gekommen ist. Die Aermsten aller Armen im ganzen deutschen Vaterlande sind aber jetzt ganz gewiß die armen Kinder in Johann-Georgenstadt, deren abgebrannten Eltern Alles fehlt, Haus und Bett, Brod und Arbeit, wo der Fleiß vergeblich nach Verdienst ausgeht und die bitterste Sorge sich fremder Barmherzigkeit in die Arme werfen muß! Hier gilt’s, den Weihnachtsbaum in glücklicheren Kreisen zu schmücken und hinaufzutragen in den so schwer heimgesuchten Gebirgsort; hier gilt’s, reichlich und rasch zu spenden, um in den Kreis ihrer höchsten und reinsten Freude womöglich alle armen Kinder zu ziehen! Eben deswegen haben wir unsern Zeichner an Ort und Stelle geschickt, um unseren Lesern ein zugleich örtlich getreues Bild zu geben, wie ein solches Fest vor unseren Augen steht. Möge es nun zu recht voller und schöner Wirklichkeit werden!

Es gingen ferner ein: Von W. M. in Gröbzig 3 Thlr.; C. S. in Meiningen 1 Thlr.; Ernst Dörflinger in Guben 1 Thlr.; W. Siedersleben in Dessau 5 Thlr.; Rechenfehler eines Bankiers 2 Thlr.; Ertrag eines Concerts des Männergesangvereins in Oberoderwitz 15 Thlr.; durch Braumeister Vogel und Kaufmann Schleitner in Oschatz 4 Thlr. 5 Sgr.; O. Harlen in Dresden 1. Thlr.; Lesekränzchen in Buckau 2 Thlr.; von Torgau 5 Thlr.; ein Unbekannter in Meerane 1 Thlr.; –h– in Neuhaldensleben 2 Thlr.; Ertrag einer Sammlung in Milwaukie (Wisconsin) durch die Herren J. Neustadtel, H. Haertel und G. E. Weiß 161 Thlr., mit dem herzigen Wunsche des Briefes: „Wir wünschen, daß Johann-Georgenstadt und unser altes Vaterland, für welches die Liebe in unsern Herzen niemals erlöschen wird, auf lange, lange Jahre vor einer ähnlichen Calamität bewahrt werden möge.“

Die Redaction.




Inhalt: Heimath. Novelle von Adolf Wilbrandt. (Fortsetzung.) – Der letzte Gast. Von P. Kummer. – Deutschlands erster Improvisator und sein Loos. Von Friedrich Hofmann. – Skizzen aus dem Land- und Jägerleben. Wort und Bild von Ludwig Beckmann. 1. Der schwarze Peter. Mit Illustration. – Blätter und Blüthen: Skizzen aus Nordamerika. 1. Eine Schülerin in einem fashionablen Damenpensionate. – Warnung für Auswanderer. – Die Brüder O’Donnell. – Wieder Einer! – Für den Weihnachtstisch in Johann-Georgenstadt. Mit Abbildung.




Nicht zu übersehen!


Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal und der fünfzehnte Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen (sechzehnten) Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Leipzig, im December 1867.

Die Verlagshandlung.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_816.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2017)