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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 2.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Der Schatz des Kurfürsten.
Historische Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


Steitz warf einen scheuen Blick um sich, als er antwortete:

„Bis an die große, äußere, freiliegende Treppe vor dem linken Schloßflügel dort drüben, der nach dem Thiergarten hin liegt ... unter dieser Treppe ist der Schatz eingemauert.“

„Dort? Dort also! Nun – die Stelle ist so gut wie eine andere. Die Hauptsache ist, daß Sie derer sicher sind, Steitz, welche Ihnen bei dem Transport und dem Vermauern halfen.“

Steitz nickte mit dem Kopf. „Ich bin’s,“ sagte er, „ich bin’s ... obwohl,“ setzte er mit leisem Kopfschütteln hinzu, „mir vorkam, als ob eine kurze Zeit nachher die Franzosen mehr als je von dem Schatze redeten und die Gewißheit, daß er noch im Lande sein müsse, aussprachen! ... Die amtliche Verkündigung des Preises für die Entdeckung erfolgte sechs Wochen nachher, zugleich mit der Anordnung nächtlicher Patrouillen, die vom Oberst La Croix ausging! Ist darin ein Zusammenhang, Mensing?“

Der Officier schüttelte den Kopf.

„Ich glaube nicht, daß wir dies anzunehmen brauchen, lieber Steitz,“ sagte er. „Es ist besser, wir halten an Ihrem Glauben an die Treue jener Männer fest. Und dann, wenn wir dies thun – weshalb dann diese Angst, die Sie quält?“

„Ich bin nicht zu Ende … hören Sie weiter,“ flüsterte Steitz hastig den Officier unterbrechend. „Sie wissen, was der Kurfürst von seinem Gelde mitgenommen, hat er Rothschild anvertraut …“

„Ich weiß es.“

„Nun wohl, vor zehn Tagen bringt mir ein Agent Rothschild’s, der sich als Weinreisender bei mir eingeführt, ein Handbillet des Kurfürsten aus Schleswig. Der Mann hatte es zwischen die Sohlen seiner Stiefel genäht … es enthielt wenige Worte, nicht viel mehr als: ‚Ich will meinen Schatz nach Itzehoe herübergeschafft sehen, ohne Verzug. Er kann dem Ueberbringer, der ihn an der Grenze in Empfang nehmen wird, vertrauen und hat mit demselben das Nähere zu berathen. Sein wohlaffectionirter Wilhelm der Erste. Kurfürst.‘ Den Brief habe ich verbrannt, mit dem Mann habe ich geredet, überlegt – der Mann wartet jetzt in einem Ort an der Grenze, und ich, ich soll nun handeln, ich soll es vollführen, ich, ich allein, und ich bin so rathlos, so hülflos wie ein Kind, die entsetzliche Noth und Angst nimmt mir meinen Verstand, meine Ueberlegung, es kommt kein Schlaf mehr in meine Augen, ich erschrecke, wenn die Thür aufgeht, ich zittere, wenn der König mich anblickt, wenn der letzte Lakai von diesen Franzosen mich anruft; wenn Jemand mich anspricht, fühle ich das Herz in mir stille stehen, als ob er sagen würde: ‚Wissen Sie schon, Steitz, der Schatz ist gefunden‘ … o, es ist eine Qual, über der ich den Verstand verlieren werde … und wenn es mich nun niederwirft, wenn ich krank werde, sehr krank, Mensing, wenn ich zu phantasiren beginne, wenn ich so im Fieber mein Geheimniß verrathe: was dann, Mensing, was dann?“

Der Officier blickte voll tiefer Theilnahme den gepeinigten Mann an.

„Das darf nicht sein,“ sagte er langsam und sinnend, „krank dürfen Sie nicht werden … Sie müssen wie ein Mann diese Angst, die durch Ihre erhitzte Phantasie in’s Unerträgliche gesteigert ist, bekämpfen.“

„Kann ich denn das, so lange der Schatz da draußen unter der Treppe steckt und ich ihn fortschaffen soll und doch nicht im Entferntesten sehe, wie ich’s machen, was ich damit beginnen kann …“

„Sie brauchen sich dann ja nur einfach zu sagen: ich allein kann es nicht; also muß ein Anderer helfen, also muß es ein Anderer mit mir ausführen! Weshalb sprachen Sie nicht eher mit mir?“

„Mit Ihnen, Mensing? Nun, Sie sehen ja, ich habe mich Ihnen anvertraut, ich habe mein Leben in Ihre Hände gelegt, Sie können jetzt hingehen und dem Könige sagen …“

Der Officier legte, um Steitz die weitere Rede abzuschneiden, die Hand auf den Arm des Inspectors und sagte leis und ruhig:

„Ich werde dem Könige nichts sagen, seien Sie ohne Sorge! Ich habe ihm, als ich in seinen Dienst übernommen wurde, in Reih und Glied den Fahneneid geleistet, das ist wahr. Aber meine Existenz verdanke ich meinem alten Herrn, und wenn ich das auch nicht thäte, er ist mein wahrer rechter Herr und meine Treue gehört ihm. Und auch sein Schatz gehört ihm und nicht dem fremden Manne da oben! Wir wollen ihm diesen Schatz retten, Steitz!“

„Sie – Sie wollen mir helfen, Mensing?“

„Ja – ich denke, ich kann’s.“

„Nun, dann sei Gott gelobt, der Sie mir sandte. Was ist zu beginnen, wie meinen Sie, daß es gemacht werden könnte …“

Der Officier stand auf und ging nachsinnend auf und ab.

„Haben Sie Geld?“ fragte er nach einer Pause.

„Ja, der Agent hat mir mehrere tausend Gulden da gelassen, falls ich sie zu Bestechungen brauchte.“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_017.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2021)