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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Zu Augsburg machte Konradin für den Fall, daß er aus Italien nicht wiederkehre, sein Testament. Sie hatten Manches für ihn gethan, seine bairischen Oheime. Ludwig hatte sogar im Jahre 1261 den Marschall von Pappenheim bekriegt und dessen Schloß Weißenburg zerstört, weil auch er, wie andere Vasallen des hohenstaufischen Hauses, die durch dasselbe reich geworden waren, das hohenstaufische Erbe zerreißen half, statt es zu schützen. Zu Augsburg ließen sich beide Brüder seiner Mutter die feierliche Schenkung aller seiner Erbgüter und Lehen, wenn er einst ohne rechtmäßige Kinder mit Tod abginge, von Konradin unterzeichnen.

Im Herbste 1267 trat Konradin den Zug über die Alpen an, fünfzehn Jahre und gerade sechs Monate alt. Sein Oheim, Herzog Ludwig von Baiern, sein Stiefvater Meinhard von Tirol und diejenigen, welche die Treue für das hohenstaufische Haus oder die Hoffnung auf gute Beute, sicilische Lehen und Abenteuer unter seine Fahne versammelt hatte, folgten ihm; über zehntausend Ritter und Dienstleute, meist Baiern und Schwaben, das Fußvolk ungerechnet. Daß er die schicksalbezwingende Schnellkraft seines Großvaters, Friedrich’s des Zweiten, nicht hatte, zeigte er schon darin, daß er mit dem Kern des sich sammelnden Heeres so lange diesseits der Alpen blieb und zu Ravensburg, der alten Welfenstadt, und am See herum lag, daß „über seine Trägheit“ Spottlieder gemacht wurden. Welch’ ein Contrast zwischen dem fast gleichalterigen Großvater, welcher sich athemlos ritt, so Constanz wegnahm und damit die deutsche Krone gewann, und zwischen diesem seinem Enkel Konradin!

Im Allgäu, nächst dem Tiroler Gebirge, auf hohem Felsen, von noch höheren überragt, erhebt sich die Burg Hohenschwangau, auf der dreifachen Markscheide Tirols, Baierns und Schwabens, und aus der dunkeln Föhrenumgebung zu ihren Füßen glänzt der Spiegel des Schwansees hervor. Von den Welfen war das Felsenschloß an die Hohenstaufen gekommen, und in seinen Hallen hatte der Rothbart und Friedrich der Zweite zeitweise geweilt. Jetzt sahen diese selben Hallen die ahnungsvolle Mutterliebe weinen: Konradin nahm hier Abschied von Elisabeth, er riß sich los von der zarten Anvermählten und von der ängstlich sorgenden Mutter, und zog über Innsbruck und Trient nach Verona und in sein Verderben.

Wir scheiden hier von ihm, wo wir beim Gegenstand unseres heutigen Bildes angekommen sind, das wir der Hand eines begabten jungen Künstlers verdanken. Wir sehen den hochaufragenden Jüngling am Herzen der Mutter liegen, umgeben von Gattin und Freund, Oheim und Stiefvater, und die Heerschaar harrt des königlichen Führers. Aber vor unserem geistigen Auge erscheint auch die päpstliche Tücke verbunden mit französischer Herrschgier und Rachsucht – und ein Schaffot winkt zum entsetzlichen Schluß des kurzen Trauerspiels.

Ist aus dem Thor von Hohenschwangau der letzte Hohenstaufe ausgezogen, um durch des Papstes Schuld schmach- und jammervoll zu enden, – so ist durch dasselbe Thor dritthalbhundert Jahre später ein armer flüchtiger Mönch eingezogen, der berufen war, nicht blos den Schwaben Konradin, sondern das ganze von Rom so lange herabgewürdigte deutsche Volk, ja die ganze geknechtete Christenheit am Papstthum zu rächen, denn dieser Mönch, der, vor den päpstlichen Verfolgern aus Augsburg entkommen, hier Schutz suchte, war – Martin Luther.




Zur Diätetik für Lungenkranke.
Für die in und mit Staub Arbeitenden.

Daß eine große Menge von Arbeitern, die bei ihrer Beschäftigung mit Staub und überhaupt mit Schmutz aller Art verunreinigte Luft einathmen (wie Schleifer, Bildhauer, Porcellandreher, Cigarrenarbeiter, Maurer, Gypsarbeiter, Müller und Bäcker, Tischler, Kürschner u. s. w.), an Lungenschwindsucht, und zwar in einem noch ziemlich frühen Alter, stirbt, ist eine allbekannte Thatsache. Solche Arbeiter werden aber ganz besonders dann von der Lungenschwindsucht heimgesucht, wenn sie von schwindsüchtigen Eltern gezeugt und mit einem schwächlichen, schlecht genährten Körper in ihren Beruf eintreten; wenn sie ferner außer ihrer Arbeitszeit verabsäumen in guter reiner Luft zu athmen und in trockener, sonniger Wohnung zu wohnen; wenn sie Ausschweifungen aller Art begehen und nicht auf eine kräftigende Kost halten.

Die eingeathmete unreine, staubige Luft erzeugt jedoch, wie es scheint, die Lungenschwindsucht nicht in gesunden, sondern in schon in ihren Spitzen erkrankten Lungen und ruft hier, in Folge der Reizung und Blutüberfüllung in den Lungenäderchen, eine neue Ablagerung (einen sogenannten Nachschub) von Schwindsuchtsmasse hervor. Es existirt nun aber leider bei sehr vielen, vorzugsweise in kümmerlichen Verhältnissen aufgewachsenen Personen schon eine (von den meisten Aerzten übersehene) Erkrankung der Lungenspitzen bei ihrem Eintritt in ihren Beruf, und deshalb bilden sich auch bei so vielen Staubarbeitern, wenn sie ihre Lungen nicht vor dem Staube gehörig schützen, tödtliche Schwindsuchtsnachschübe aus. – Personen, welche mit noch ganz gesunden Lungen das staubige Gewerbe ergreifen, werden später zwar auch lungenkrank, aber nicht von Lungenschwindsucht ergriffen, sondern erleiden in Folge häufig auftretender Katarrhe mit Husten eine Erweiterung der Lungenbläschen (Emphysem) und werden dadurch asthmatisch (engbrüstig).

Jedenfalls ist das fortwährende Einathmen einer mit Staub geschwängerten Luft für die Athmungswerkzeuge von sehr großem Nachtheile; ganz besonders gefährlich ist dieses Staubeinathmen aber für Solche, welche von schwächlicher Constitution und mit schon kranken Lungenspitzen versehen sind. Demnach sollten alle im Staube Arbeitenden so vernünftig sein und den Staub von ihren Lungen abzuhalten suchen. Solche Personen aber, deren Lungenspitzen nicht ganz gesund sind und deren Eltern an Lungenschwindsucht leiden oder daran schon gestorben sind, sollten ganz und gar von einem Berufe absehen, bei welchem sie Staub einzuathmen gezwungen sind.

Um den Staub von seinem Eindringen (wenigstens in größeren Massen) in den Athmungsapparat abzuhalten, braucht der Arbeiter während seiner Arbeit sich nur einer Mund und Nase verdeckenden Maske zu bedienen (siehe die Abbildungen), welche das Athmen nicht beeinträchtigt und den Staub nicht durch sich hindurchläßt. Eine solche Maske kann er sich aber mit wenig geglühtem und biegbarem Drahte und einem kleinen Stückchen dünnen Zeuges (am besten eine doppelte Lage von Camelott), also mit sehr wenig Mühe und Kosten, selbst verfertigen. Aber dazu ist er, wie Verfasser aus Erfahrung weiß, zu faul und eitel-unverständig. Jammern und wehklagen kann er, wenn ihn seine Schwindsucht hingeworfen und an des Grabes Rand gebracht hat, auch für schweres Geld einfältige Geheimmittel kaufen und sich nichtsnutzigen Curen unterziehen, das thut er, aber seinem und seiner Angehörigen Elende und seinem vorzeitigen Tode vorzubeugen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_039.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)