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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

sämmtliche getödtete Fische mit fortlaufenden Nummern zu versehen und ihrer Größe und dem Speckgehalte nach zu taxiren. Sowohl Nummer wie Taxationswerth wird in römischen Ziffern in die schwarze Haut eingeschnitten, so daß der weiße Speck an den ausgeschnittenen Stellen zum Vorschein kommt und die Zahlen sich deutlich, Weiß auf Schwarz, erkennen lassen. Darauf wird, nach Reihenfolge der Nummern, ein Verzeichnis der erlegten Walfische und ihres Speckgehaltes angefertigt, dieser zusammenaddirt und dann eine Berechnung über die Theilung vom Sysselmann ausgearbeitet.

Inzwischen ruhen die Fischer von den gehabten Strapazen aus; bei einem Glase Branntwein besprechen sie die Abenteuer des Tages und thun nicht selten des Guten zu viel. Manche regaliren sich mit einer tüchtigen Mahlzeit frischgekochten Walfischfleisches, indem sogleich nach Beendigung der Jagd, mitunter schon früher, einige Fische zerlegt und das Fleisch, sammt gesalzenem Speck, der von früheren Jagden vorräthig, von dem weiblichen Personale der nächsten Häuser gekocht und an offener Tafel, das heißt in einem großen hölzernen Troge, für jeden Liebhaber servirt wird, wobei das Fleisch die Stelle von Brod oder Kartoffeln vertreten muß. Für die Eingebornen ist dies ein wahrer Leckerbissen, weshalb es denn auch dieser Table d’hôte nicht an reichlichem Zuspruch zu fehlen pflegt, um so weniger als für das Couvert nichts gezahlt wird. Andere, bereits gehörig angeheitert, durchziehen singend und jubelnd die Straßen, während an geeigneten Orten, zum Beispiel auf Brücken, sich Gruppen bilden und den Nationaltanz – einen Rundtanz nach der Melodie von Liedern, die von dem ganzen Ballpersonale unter Anführung eines Vorsängers angestimmt werden – darstellen, an welchem sich bald auch Mädchen und Frauen betheiligen.

Endlich sind die Arbeiten des Sysselmanns so weit beendigt, daß die eigentliche Vertheilung der Beute beginnen kann. Zuerst wird der zehnte Theil des ganzen Fanges für Staat, Kirche und den Geistlichen des Districtes, für jedes ein Dritttheil, in Anspruch genommen, dann der Mannschaft des Bootes, welches den Grind zuerst entdeckt, der größte der erlegten Fische zugetheilt, darauf für Armenwesen und Schulenfond ein gewisser Theil, sowie nach ungefährem Ermessen ein entsprechendes Quantum bestimmt, um aus dem Erlös den Ersatz der beim Fange etwa erlittenen Schäden, sowohl körperliche wie am Geräth, bestreiten zu können; ebenso werden für die beim Fange und der Theilung thätigen Beamten und Angestellten gewisse Quanten ausgesetzt und endlich wird von dem Uebrigen ein Viertheil für die Grundbesitzer des Strandes und des angrenzenden Landes bestimmt, worauf schließlich der Rest unter die Theilnehmer am Fange und die Bewohner des Districtes, in welchem derselbe stattgefunden, auf solche Weise vertheilt wird, daß die beim Fange thätig gewesenen Personen je eine doppelt so große Rate wie die Andern erhalten, selbst Säuglinge oder zufällig als Zuschauer anwesende Fremde aber nicht ausgeschlossen werden.

Nun meldet sich der sogenannte „Formand“, das ist Anführer, eines Bootes aus jedem Orte beim Sysselmanne, von dem er einen Zettel empfängt, auf welchem Nummer und Taxationswerth, oder vielmehr die Schätzung des Speckgehaltes derjenigen Fische verzeichnet sind, die den Bewohnern des von ihm vertretenen Ortes als Antheil an der Beute zufallen. Hierauf suchen er und seine Cameraden die fraglichen Nummern am Strande auf, zerlegen die Fische, laden die Stücke in ihre Boote und treten, ein geistliches Lied anstimmend, ihren Heimweg an. Boot auf Boot verläßt jetzt, bis zum Rande mit seinem Theil der Beute beladen, den Hafen. Auch die Bewohner Thorshavns haben ihren Antheil bei Seite geschafft; die Eingeweide sind auf die Rhede hinausgeführt und dort versenkt worden, damit sie nicht die Luft verpesten, und bald ist nur das immer noch blutige Wasser das einzige Merkmal der großartigen Schlachterei, die hier stattgefunden hat, bis nach einigen Tagen auch dies sich verliert und nur noch in dem wohlgenährten Aussehen und den fettglänzenden Gesichtern der Leute, sowie in dem lebhafteren Verkehr in den Factoreien, wo gegen den aus dem Speck gewonnenen Thran andere Bedürfnisse des Lebens eingetauscht werden, sich Spuren des erfreulichen und interessanten Ereignisses erkennen lassen.

Wie erwähnt, ist die Farbe des „Grindehval“ schwarz; nur der Bauch des Thieres ist weiß. Der Kopf ist vorn stumpf abgerundet und die Maulöffnung ganz unten, der Unterkiefer gleichsam in den Oberkiefer eingefalzt, und beide sind mit einer Reihe ziemlich großer, doch undicht stehender Zähne versehen, während die Augen des Thieres sehr klein und das äußere Ohr kaum zu unterscheiden sind. An jeder Seite befindet sich eine nicht große Flosse und auf dem Rücken eine etwas nach hinten gebogene Finne, während in dem mächtigen horizontal gestellten Schweif, der wie die Schraubenflügel eines Dampfschiffes geformt ist, die hauptsächliche Triebkraft zur Fortbewegung des Thieres liegt. Die Nahrung desselben besteht aus Weich- und Schleimthieren, besonders stellt es den verschiedenen Gattungen des Tintenfisches sehr nach. Die größten Exemplare des Grindehvals erreichen eine Länge von dreißig bis vierzig Fuß, bei verhältnißmäßigem Umfange, und liefern drei bis vier Tonnen Thran zu einem Durchschnittswerth von fünfzehn preußischen Thalern die Tonne.

Der eben geschilderte Fang repräsentirte einen Totalwerth von etwa fünftausend Thalern an Thran, und da außerdem das Fleisch eine sehr beliebte, nahrhafte und, wenn gut zubereitet, auch recht schmackhafte Speise abgiebt, so ist ein solches Ereigniß für die größtentheils unbemittelten Bewohner dieser Inseln von außerordentlich hoher Bedeutung. Von dem Speck wird ein kleinerer Theil für den Hausbedarf eingepökelt und theils in der Salzlake aufbewahrt, theils nach einigen Tagen herausgenommen und in freier Luft zum Trocknen aufgehängt, während der Rest ausgekocht und der gewonnene Thran nach Abzug des zur Erleuchtung der langen Winterabende nöthigen Quantums verkauft wird. Das Fleisch wird ebenfalls durch Einsalzen oder durch Dörren in der Luft, nachdem es zu dem Ende, ohne vorher gesalzen zu sein, in schmale Streifen zerschnitten worden ist, für den späteren Gebrauch aufbewahrt. Der Magen wird getrocknet und dient sowohl als Thranbehälter, Behälter zum Aufbewahren oder Transportiren kleinerer Quantitäten von Korn, Mehl und dergleichen, als auch zur Boje, beim Auslegen der Fischereigeräthe, während der Schlund statt der Schuhe zu Fußbekleidungen verwendet wird. Einen Theil der Haut an den Flossen und der Rückenfinne benutzt man für die Boote als Riemen zum Hindurchstecken und Festhalten der Ruder, während die Sehnen als Nähmaterial bei Anfertigung einer aus gegerbten Kuhhäuten selbstbereiteten Fußbekleidung gebraucht und die Knochen endlich meistens nach England verkauft werden, um von dort, in Gestalt von Knochenmehl, weiter in den Handel zu kommen.

Mitunter treffen solche Fischzüge mehrere Male jährlich ein, zuweilen aber auch in einem oder mehreren Jahren gar nicht, obwohl vielleicht manchmal ganze Heerden von den Fischen gesehen werden. Oft ist die starke Strömung der einzuschlagenden Richtung entgegen, da nur einzelne Häfen der Inselgruppe zu diesem Fischfange en gros sich eignen, manchmal wird der Grind oder die Walfischheerde wild und störrisch, will sich nicht treiben lassen und sucht allen Anstrengungen und Bemühungen zum Trotz das Weite. Selbst wenn auch anfänglich Alles nach Wunsch geht und der Eingang zu dem ausersehenen Hafen, ja vielleicht schon der Hafen selbst erreicht ist, gelingt das Unternehmen nicht immer, obzwar in den meisten Fällen; es giebt sogar einzelne Beispiele, daß mehrere Hundert dieser Thiere einige Tage in einem Hafen eingeschlossen waren und dennoch die Jagd aufgegeben werden mußte. Ich selbst wohnte später einem Vorgange dieser Art bei, wo wir eine Walfischheerde von etwa vierhundert Stück drei Tage lang in einer etwa eine Meile langen und eine Achtel Meile breiten Bai eingeschlossen hatten, trotz unausgesetzter Anstrengungen jedoch dieselben weder an’s Land treiben noch ernstlich verwunden konnten, da sie, scheu geworden, sich nicht nahen ließen, so daß wir sie schließlich, zu allgemeinem großen Aerger, frei abziehen lassen mußten, ohne daß von der großen Anzahl mehr als drei der kleinsten Fische erbeutet worden wären. In solchen Fällen wird es, nachdem alle Versuche, den Fang in regelrechter Weise zu betreiben, sich als nutzlos erwiesen, nach Verlauf einer gesetzlich bestimmten Frist erlaubt, Harpunen anzuwenden, was sonst strenge verboten ist, und werden die so erlegten Fische nicht weiter vertheilt, sondern sind, nach Abzug des Zehnten, Eigenthum des glücklichen Jägers. Bei dieser Fangmethode entkommt indeß der bei weitem größte Theil, auch ist dieselbe weit gefährlicher, denn man hat es hier meist mit unverwundeten, noch kräftigen Fischen zu thun. Oftmals trifft es sich, daß mit der Heerde mehrere neugeworfene Junge folgen, die etwa fünf bis sechs Fuß lang sind; es ist nun sehr rührend zu beobachten, wie dieselben, während des Kampfes von den Müttern geschieden, unter klagendem, ängstlichem Preifen in dem Gewirre umherirren und ihre Mütter suchen, und wie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_106.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)