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und gern. Beiläufig bemerkt, saßen in demselben denkwürdigen Zimmer fünfzehn Jahre später Körner und Huber bei den Mädchen, um mit ihnen zusammen jene enthusiastische Anerkennung an Schiller nach Mannheim ergehen zu lassen, die vom größten Einfluß auf Schiller’s Lebensgang war. Dora wurde eine geschickte Kupferstechern, Minna aber bekanntlich Körner’s Frau und die Mutter des Dichters und Helden Theodor.

In der Kunstschule Oeser’s verbreitete sich dessen eigene leidenschaftliche Verehrung für Winckelmann; die Schüler erachteten es für kein geringes Glück, bei ihrem Lehrer aus derselben Quelle zu trinken, aus der Winckelmann seinen Durst gestillt hatte. Dessen Schriften über Kunst und Alterthum würden fleißig studirt, und mit Jubel vernahm man die Kunde, daß der große Forscher auf seiner Rückkehr von Rom den Freund Oeser besuchen werde, der dem nahenden Zeitpunkt mit exaltirter Freude entgegensah. Da, wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel, fiel die Nachricht von der Ermordung Winckelmann’s zu Triest mitten in den Kreis seiner gläubigen Verehrer, und Jammer und Wehklagen herrschten nun im bestürzten Hause.

Als Goethe Leipzig verlassen hatte, blieb er mit Oeser in dankbarster hingebendster Liebe durch dauernden Briefwechsel verbunden. Von Weimar aus veranlaßte er die angenehmsten persönlichen Beziehungen Oeser’s zum dortigen Hofe, an dem der Maler ein oft und gern gesehener Gast war. Im Jahre 1799 starb der allgemein verehrte Meister.

So viel zur Erläuterung der Künstlerwerkstatt, von der Goethe sagt, daß sie den Dichter mehr entwickelte als der Hörsaal des Weltweisen. In der That hatte ja der anregende Maler dem jungen Dichter die Erkenntniß des Schönen, die Kunst, besonders die Kunst des Alterthums, eröffnet und damit ohne Zweifel auch den Grund gelegt zu der bewunderungswürdigen Plastik in den Dichtungen wie in der Prosa Goethe’s. Brachte dieser auch eine andere höhere Kunstanschauung aus Italien mit, den gesegneten Einfluß des alten Lehrers und ihn selbst hielt er stets in Ehren. Oeser aber hatte mit seinem in der Kunst aufgegangenen Menschenleben der Welt genug gethan; denn der große Frankfurter, wie der Weise aus Stendal, der Schöpfer einer Kunsttheorie für alle Zeiten, hatten bei ihm aus einer Quelle geschöpft.




Der Pfadfinder im Hochgebirge.

Unter den verschiedenen Racen und Spielarten des Hundegeschlechts erwarb sich keine ein so ungetheiltes Interesse und eine so tiefe Sympathie, wie die Bernhardinerhunde. Das mächtige, starkknochige Thier mit dem intelligenten Kopfe und den frommen, milden Augen muß auch dem geschworenen Hundefeinde Zuneigung einflößen. Unauslöschlich ist aber der Eindruck, den diese Hunde in der Seele des Wanderers zurücklassen, der sie am Schauplatze ihres segensreichen Wirkens, auf dem großen St. Bernhardsberge, kennen lernte. Auf beschwerlichen Saumpfaden kam er hinaufgestiegen, an schwindligen Abgründen vorüber, bei der grausigen Morgue vorbei; immer höher gelangte er hinauf in diese Felseneinöde der Hochgebirgswelt, wo alles organische Leben aufzuhören scheint, unersteigbar schien die Höhe, unerreichbar das gastfreundliche Dach des Hospizes; ein Gefühl der Verlassenheit, der menschlichen Schwäche, wie es so oft auch den Lebensfrohen bei der einsamen Wanderung in den Hochalpen befällt, drückt seine Seele nieder. Siehe da, auf einmal, nach einer raschen Wendung des Weges, liegt das stattliche Kloster vor seinem Blicke und gleichzeitig springt ihm ein halbes Dutzend der riesigen Rüden entgegen, mit lautem, fröhlichem Gebell; sie begrüßen ihn wie einen alten Bekannten, zeigen ihm wedelnd und kläffend den Weg und geleiten ihn bis an die Thür des Hauses.

Aber auch diejenigen, welche den „Mons Jovis“ nie bestiegen, haben schon von den liebenswürdigen Hunden, den eigentlichen Pfadfindern des romantischen Bergpasses, gelesen, ohne welche derselbe während des größten Theils des Jahres ungangbar wäre. Und jeder Gebildete hat schon von Barry sprechen hören, dem berühmtesten dieser eigenthümlichen Geschöpfe, der während zwölf Jahren auf dem Hospize wirkte, als der Liebling der Mönche und als Lebensretter zahreicher Verunglückter. Obschon er vor mehr als fünfzig Jahren als Invalid in’s Thal heruntergesandt wurde, ist er im Hospiz noch immer in treuer Erinnerung. Unter den ausgestopften Thieren des naturhistorischen Museums von Bern ist Barry der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Und wie er durch seine Leistungen im Dienste der Menschheit und seine wunderbare Intelligenz sich auszeichnete, so müssen wir ihn auch als den reinsten Vertreter des Racentypus betrachten und jeden zweifelhaften Bernhardiner nach den Merkmalen beurtheilen, welche er mit Barry gemein hat.

So sehr nun auch die Bernhardinerhunde das Interesse und dem Dank der Menschen beanspruchen dürfen, so ist doch die Kenntniß über Racencharakter, Geschichte und Leistungen derselben noch sehr mangelhaft. Die Kunst und die Romantik haben überflüssigerweise die Thaten der braven Thiere bis in’s Fabelhafte ausgemalt, die Reisehandbücher eine Menge von flagranten Unwahrheiten unter das Publicum gebracht. Selbst was Friedrich von Tschudi in seinem classischen Buche „das Thierleben der Alpenwelt“ über die Bernharderhunde schreibt, enthält verschiedene Unrichtigkeiten. Von Zeit zu Zeit brachten die Zeitungen die Nachricht, die Race im Hochgebirge sei ausgestorben oder am Aussterben. So hieß es im Jahre 1812, daß bei einem furchtbaren Schneesturm sämmtliche Weibchen beim Aufspüren Verunglückter zu Grunde gegangen seien. Tschudi läßt in seinem genannten Buche, dreißig Jahre später, die Race noch bestehen, aber sehr gefährdet sein, da das einzige Weibchen regelmäßig todte Junge werfe. Später las man denn auch, daß die Mönche Neufundländer zum Dienste abgerichtet haben, die sich vortrefflich bewähren. Dagegen brachten fremde Touristen sehr häufig Hunde mit nach Hause, die sie auf dem Gotthard, in Airolo oder im Wallis gekauft hatten und die eine auffallende Aehnlichkeit mit den echten Bernhardinern darboten. Vor etwa zehn Jahren wollte ein Herr Essig in Leonberg (Würtemberg) durch verschiedene Kreuzungen die alte Race erzeugt haben. Ein Paar seiner Leonbergerhunde wurden dem Hospiz geschenkt und sollten die Stammeltern einer neuen Generation werden. Endlich stellte ein Herr Schumacher-Bachler in Holligen bei Bern im Jahre 1867 an der Weltausstellung in Paris Bernhardiner aus, die den einzigen ersten Preis errangen. Eine Urkunde des Priors vom St. Bernhardhospiz erklärte die Thiere, welche die frappanteste Aehnlichkeit mit Barry im Museum zu Bern haben, für echte Hunde der „Race dite du grand St. Bernhard“. Bei den vielen Widersprüchen in diesen Angaben und bei dem naturwissenschaftlichen und reinmenschlichen Interesse, das der Gegenstand verdient, dürften vielleicht ein paar aufklärende actenmäßige Mittheilungen über diese Frage den Lesern der Gartenlaube willkommen sein.

Bekanntlich sind die Bernhardinerhunde keine ursprüngliche Race. Ihre Entstehung reicht vielleicht bis in’s vierzehnte Jahrhundert zurück. Durch was für Kreuzungen sie entstanden ist, kann durch positive Thatsachen oder vorhandene Ueberlieferungen nicht historisch sicher ermittelt werden. Die frommen Augustiner Chorherren führten über diese Angelegenheit nicht Stammregister, wie die Emire über ihre edlen Pferde, und wenn sie es auch gethan hätten – durch wiederholte Feuersbrünste hat das Kloster sein ganzes werthvolles Archiv eingebüßt. Es scheint, daß man ursprünglich im Hospize auf alle großen Hunde Jagd machte, deren man habhaft werden konnte, ohne Rücksicht auf Race, und daß aus der Kreuzung der verschiedenen Thiere im Laufe der Jahrhunderte Barry und Genossen hervorging. Eine weitverbreitete Ansicht nimmt an, daß das Stammelternpaar der Bernhardiner eine dänische Dogge und ein Walliser Schäferhund gewesen sei; die letzteren langhaarigen Thiere sollen ursprünglich aus den Pyrenäen stammen und finden sich weitverbreitet im Canton Wallis. Für diese Annahme spricht nicht nur der ganze Habitus der Barryrace, sondern auch namentlich die Thatsache, daß bei den verschiedenen Meuten noch jetzt von Zeit zu Zeit bald mehr die Eigenschaften des Stammvaters, bald mehr die Eigenschaften der Ahnmutter zu Tage treten, wie das ja immer mit solchen Kreuzungsproducten zu geschehen pflegt. So sind z. B. zum Dienste auf dem Hospize


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