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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Dann lachte er, und rief mit dem Glase in der Hand aufstehend: „Jetzt denken Sie Alle: Das war nicht amerikanisch gehandelt. Jetzt können wir Alle Yachten bauen, und Niemand giebt dem Plauderer noch einen Pfifferling für sein schäbiges Schiff.“

„Sie irren,“ sagte Stephenson gelassen, „ich halte mein Gebot fest, und gewiß auch Lord E.“

„Wahr?“ fragte der Amerikaner mit leuchtenden Augen.

„Gewiß!“

„Nun, da ist das Schiff!“ sagte der Amerikaner fest. „Hier ist meine Hand, ich beneide Sie, ich verehre Sie, ich gönne Ihnen mein Schiffchen vor allen Menschen der Welt.“[1]

„Lassen Sie uns morgen das Geschäft abschließen,“ antwortete Stephenson mit feinem Tacte auf diese feurige Apostrophe.

„Nein, es ist Ihr Eigenthum,“ rief der Amerikaner aus, „und nur noch einmal will ich als sein Herr den Fuß auf seine Planken setzen, wenn ich Sie Alle, wie Sie hier versammelt sind, als meine Gäste bei frischer, sonniger, hoher See herunterführen darf nach Wight, zu, so Gott will, lustigem Dinner. Kommen Sie, lassen Sie uns auch die Damen einladen.“ –

„Was sagte doch der Amerikaner von Sturzseen, unter denen sein Schiff litte? Ob man die Fahrt mitmacht? Haben Sie Lust gewaschen zu werden?“ fragte mich der alte Starbuck, als wir nach dem Drawing Room, den Arm in Arm voranschreitenden Meistern folgend, emporstiegen. –




„Bei meiner Kindheit Bäumen.“

„Die Deutschen gehen überall von Grundsätzen aus, und ist ein Fettflecken vom Rockärmel wegzubringen, so studiren sie die Chemie vorher und studiren so lange und so gründlich, bis der Rock darüber in Lumpen zerfällt.“ Dieser bekannt sarkastische Ausruf Börne’s über das Unpraktische im deutschen Nationalcharakter mochte wohl zu seiner Zeit recht passen, in unseren Tagen findet er jedoch glücklicher Weise nicht ganz mehr seine Bestätigung; vielmehr streift Deutschland von Jahr zu Jahr alles Unpraktische von sich und wirft allen unnützen Gefühlstaumel, alle überschwenglichen Träumereien als unnützen Ballast über Bord. Es ist praktischer geworden, das zeigt uns auch die Thatsache, daß es seine Dichter nicht mehr wie vordem vor lauter Sentimentalität verhungern läßt, sondern rüstig zugreift, wo es zu helfen gilt, den sterblichen Leib seiner unsterblichen Poeten zu erquicken.

Ein frischerer lebendiger Hauch zieht durch unser ganzes Vaterland; wer mag das leugnen? Ja,

Der Knospe Deutschland auch,
Gott sei gepriesen!
Regt sich’s im Schooß!

Dies Wort, in unserem Sinne betrachtet, hat sich eben jetzt in seiner schönsten Bedeutung bei dem Dichter dieser Zeilen, Ferdinand Freiligrath, selbst erfüllt. Kaum wurde Kunde von der Bedrängniß desselben, kaum brachte die „Gartenlaube“ das zündende Wort, eine Volksdotation für den alternden Dichter vorzubereiten, als sich’s an allen Orten und Enden regte, beizusteuern auf den Altar des Vaterlandes. Mit freudiger Genugthuung kann Deutschland auf dies in kurzer Frist erreichte Resultat hinblicken, wodurch es möglich werden wird, einem seiner besten Söhne und seinem Lieblinge den Lebensabend heiter und golden auszuschmücken.

Ferdinand Freiligrath’s Geburtshaus in Detmold.

Und weil nun die „Gartenlaube“, getreu ihrer nationalen Tendenz, stets einen so innigen Antheil an den Schicksalen dieses unseres Dichters genommen und manches Lebenszeichen von demselben dem deutschen Volke mitgetheilt hat, glauben wir uns auch der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß es für den Leserkreis derselben gewiß von Interesse sein würde, das Geburtshaus Ferdinand Freiligrath’s (jetzt als Kaufmannshaus dienend) im Bilde zu schauen, welches nach einer im Laufe dieses Sommers aufgenommenen Photographie getreu copirt ist.

Freiligrath wurde bekanntlich am 10. Juni 1810 zu Detmold (am Fuße des Teutoburger Waldes) geboren, nahe der classischen Stätte, wo Hermann die übermüthigen römischen Legionen vernichtete. Unter dem Lindenbaume vor dem Hause erblickt man südwärts die Kuppel des Hermann-Denkmals; in der nächsten Nachbarschaft, einige Häuser weiter links, ist des Dichters Grabbe Wohn- und Sterbehaus.

Vielleicht aber auch, und wir wollen es hoffen, gewährt es dem alternden, an Englands nebelige Küste gebannten Dichter eine Herzensfreude, die Stätte einmal wieder zu erblicken, wo seine Wiege stand, wo der Mund des Kindes den ersten süßen Vater- und Mutternamen lallte und der heranwachsende Knabe unter dem grünen Lindenbaume sich tummelte, jenes Asyl der Heimath, von der er selbst in seinem „Ausgewanderten Dichter“ singt:

Ich lag heut’ Nacht in süßen stillen Träumen
Von meiner Heimath und von meinen Lieben,
Ich wandelte bei meiner Kindheit Bäumen,
Wo ich wohl wünschte, daß sie mich begrüben.

R. Schm. 



  1. Stephenson entäußerte sich später des wenig behaglichen Schiffes wieder und bediente sich der früher von ihm benutzten bequemern Yacht zu seinen Reisen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_157.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)