Seite:Die Gartenlaube (1868) 176.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

muß. Börne liebte von Goethe’s Werken nur den Werther, Götz von Berlichingen und Egmont. Diese Dichtungen las er mit Vergnügen und hielt sie sehr hoch, weil er in denselben viel Jugendfeuer und die Sprache der Leidenschaft fand. Die übrigen Schöpfungen des großen Dichters ließen ihn kalt. Wilhelm Meister erregte sogar seinen Unwillen, und selbst Faust konnte ihm keinen Beifall abgewinnen. Er äußerte zu wiederholten Malen, daß seine Ansichten über dieses Werk von denen aller Anderer abwichen, und er würde sie gern mittheilen, wenn seine gereizten Nerven es ihm gestatteten. Seine Nervenleiden wuchsen indessen mit jedem Tage und erlaubten ihm selten, seine Gedanken zu Papier zu bringen. Das Schreiben wurde ihm am Ende unmöglich, da er, wie er sagte, mit dem Blute seines Herzens und dem Safte seiner Nerven schrieb. Er gehörte zu den Naturen, in denen der Geist ätzend auf den Körper wirkt. Er wußte sehr wohl, daß die politische Polemik ihn aufgerieben und ihn abgehalten, nach anderen Richtungen hin zu wirken. Das erfüllte ihn mit Kummer. Eines Tages, und zwar kurz vor seinem Tode, ging er, mit beiden Händen sich den Kopf haltend, eine Weile im Zimmer auf und ab und rief dann mit dem Ausdruck tiefsten Schmerzes: „Gott! ich hätte noch so viel zu sagen über Welt und Menschen, aber die leidige Politik gönnt mir nicht Ruhe noch Rast.“

Nach dem Tode Börne’s zog Frau Strauß nach Auteuil und kam nur nach Paris, wenn sie durch eine dringende Angelegenheit dazu genöthigt wurde. Fast beständig war sie in ihrem Zimmer eingeschlossen und stöberte in den Handschriften Börne’s herum. Sie gab damals die zwei letzten Bände seiner hinterlassenen Briefe heraus, und diese Beschäftigung regte sie noch mehr auf. Ich befand mich einst im Lesecabinet in der Passage de L'opera, als Strauß zu mir kam und mir mittheilte, daß seine Gattin mich draußen erwarte. Ich fand sie in großer Angst und am ganzen Leibe zitternd. Und was war die Ursache dieser fürchterlichen Bestürzung? Sie hatte soeben die zwei Bände der hinterlassenen Briefe vom Verleger erhalten und in denselben viele Druckfehler gefunden. Sie hielt die Auflage für verstümmelt und fürchtete eine Niederlage für den Ruhm ihres Freundes. Ich hatte große Mühe, sie zu trösten und ihr begreiflich zu machen, daß seit der göttlichen Erfindung Gutenberg’s kaum ein Buch gedruckt worden, in welchem nicht sinnentstellende Druckfehler zu finden, daß die Werke Goethe’s und Schiller’s gar viele Druckfehler enthielten und daß das Publicum sich nicht daran stieße. Um sie aufzuheitern, zählte ich ihr eine Reihe komischer Druckfehler auf und hatte endlich das Vergnügen, sie etwas beruhigt zu sehen.

Das Publicum kennt von dem Briefwechsel Börne’s mit der Frau Strauß nur seine Briefe, nicht die ihrigen. Sie hat auch niemals ihren Freunden eine von ihr geschriebene Zeile mitgetheilt. Ich glaube indessen, daß sie auf Börne mehr durch die seltenen Vorzüge ihres Herzens als durch ihre geistigen Eigenschaften gewirkt habe. Wie anregend sie in frühern Jahren gewesen sein muß, sollte ich einst selbst erfahren. Ich war mit mehreren Freunden an einem Sonntag bei ihr zu Tische. Es wurden, da die Hitze sehr groß war, einige Siphons eau de Seltz servirt, und ich, der ich an das wirkliche Selterswasser gewohnt war, fand dieses künstliche Mineralwasser herb und beißend. Ich machte dabei die Bemerkung, daß die Fabrik nicht die Werkstätte der Natur zu ersetzen vermöge, und mochte vielleicht für diesen Gemeinplatz eine glückliche Form gefunden haben. Nach einigen Secunden sagte mir Frau Strauß: „Was Sie eben gesagt, ist sehr hübsch, und Sie sollten es niederschreiben.“ Ich nickte bejahend; sie kam aber während der Tafel noch einige Male darauf zurück und ich mußte ihr endlich versprechen, sogleich bei meiner Rückkehr den Gedanken auf’s Papier zu werfen.

Unbegrenztes Wohlwollen war der Hauptzug ihres Charakters und bekundete sich in Allem, was sie sprach. Man weiß, wie sehr Heine in seinem Buch über Börne sie mißhandelte, wie grausam er ein reines edles Verhältniß in den Schmutz zu treten und die Lacher auf seine Seite zu ziehen suchte. Nun, man hat oft von Heine bei Frau Strauß gesprochen, niemals aber habe ich von ihr ein hartes Wort gegen ihn äußern hören. Sie sprach im Gegentheil immer voll Bewunderung von seinem Talente und erzählte gern von seinem ersten Besuch bei ihr in Frankfurt, als er, mit Börne innig befreundet, ihr ein Exemplar, seines Buchs der Lieder überreichte. Einmal, da man auf Heine’s Schrift gegen Börne zu sprechen kam, sagte sie lächelnd, sie begreife nicht, warum Heine ihr ein blatternarbiges Gesicht angedichtet; ob denn ein Weib blos durch ein blatternarbiges Gesicht das Zwerchfell der Männer erschüttern könne? Sie wenigstens finde gar nichts Komisches daran, ein armes Wesen durch die Spuren einer fürchterlichen Krankheit entstellt zu sehen.

Frau Strauß war nicht blatternarbig und hatte auch nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem Zerrbilde, das Heine als ihr Portrait gegeben. Sie war, als ich sie kennen lernte, eine etwas untersetzte Matrone mit sanften, schwermüthigen Gesichtszügen, die sich nur selten belebten. Ihre Stimme hatte etwas Sympathisches. Man hörte gern zu, wenn sie sprach, und war überzeugt, daß ihr die Worte aus dem Herzen kamen.

Frau Strauß war nicht nur sehr wohlwollend, sie war auch sehr wohlthätig. Die Reaction von 1849 hatte unzählige Deutsche in’s Exil getrieben. Viele von ihnen kamen nach Paris und befanden sich in der traurigsten Lage. Die edle Frau half, wo sie helfen konnte, ohne es an die große Glocke zu hängen, ohne jemals der Opfer, die sie gebracht, auch nur mit einer Silbe zu erwähnen. Die Unglücklichen, denen sie das schwere Loos zu erleichtern suchte, erfuhren nicht, woher ihnen die Wohlthat kam. Frau Strauß ließ ihre Spenden den Hülfsbedürftigen durch vermittelnde Personen zufließen, auf deren Verschwiegenheit und Zartgefühl sie rechnen konnte, und erst nach ihrem Tode hat man erfahren, wie freigebig sie gewesen.

Im Juli 1850 ging ich nach England. Ich verabschiedete mich von ihr mit der Ahnung, sie nicht wieder zu sehen. Die siegreiche Reaction versenkte sie in düstere Schwermuth, die mit jedem Tage bedenklicher wurde. Sie fürchtete beständig von den Häschern des Despotismus überwacht zu sein, und als die Nachricht von dem Staatsstreich zu ihr gelangte, hüllte sich ihr Geist in ewige Nacht. Noch mehrere Jahre siechte sie hin, bis endlich ein milder Tod ihr Auge schloß. Daß größere Publicum kennt die Freundin Börne’s kaum dem Namen nach, sie verdient es aber gewiß, zu Deutschlands edelsten Frauen gezählt zu werden.





Opferstock für Ostpreußen.

Es gingen ferner ein: V. v. Inten in Ottomont 2 Thlr.; B. in Hiltorp 6 Thlr.; Kessow in Neubrandenburg 2 Thlr.; aus Liebenberg 2 Thlr. 15 Sgr.; H. L. m Wehlen 20 Sgr,; aus Hard bei Bregen; (7 Fr. 54 C.) 4 Thlr. 27 Sgr.; zwei Schüler in Neumünster und Zürich 5 Thlr. 10 Sgr.; Ungenannt aus Leipzig 5 Thlr.; auf einem Maskenball in Annaberg gesammelt 6 Thlr. 20 Sgr.; aus Neu-Arad 15 fl. öster.; bei einer Theatervorstellung im Mädcheninstitute zu Kirchheimbolanden ges. 16 fl. rhein.; Halbertrag eines Concerts im Schützensaale zu Apolda 22 Thlr.: H. R, in Wittenberg 50 Thlr.; Kunigunde aus H. 1 Thlr.; F. E. M. in Frankfurt 1 fl. rhein.; K, in Arnstadt 2 Thlr.; Sammlung in Hundshübel 6 Thlr. 31/2 Sgr.; Heinr. Koy in Tarnow 5 fl. öster.; aus Oberfrohna 1 Thlr.; von einer kleinen Gesellschaft in Gladbach 4 Thlr. 15 Sgr.; aus Stauchnitz 10 Thlr.; I. E. St. in Fulda 10 Thlr.; Rottmayer in Wien 2 Thlr.; N. N. in Triest 3 fl. öster.: F. in Meerane l Thlr.; Marquardt in Großenhain 1 Thlr.; Ida Preuß in A. 10 Sgr.; Gemeinde Göbschelwitz bei Leipzig 20 Thlr.; H. L. in Sülz 4 Thlr.; L. O. in Ch. 1 Thlr.; bei einer heitern Fasnachtsfeier der Gesellschaft Reunion in Kötzschenbroda 21 Thlr.; A. K. in B. 20 Sgr.: B. P. in Weimar 1 Thlr.; A. C in Koblenz 2 Thlr.; aus der Sammlung der Plemperie in Leipzig beim carnevalistischen Konzert 9 Thlr. 4 Sgr.; zwei Abonnenten der Gartenlaube in Paris 20 Thlr.; beim Turner- Maskenball in Jeßnitz 3 Thlr.; Theatervorstellung des Lesekränzchens in Riesa 19 Thlr. 101/2 Sgr.; Sammlung bei dem Fastnachtsfeste der „Euterpe“ in Buchholz 10 Thlr. 25 Sgr.; Sammlung des wissenschaftlichen kaufmännischen Vereins „Börse“ in Zwickau 33 Thlr. 20 Sgr.; aus der Sammelbüchse der Starke'schen Apotheke in Lindenau 12 Thlr. 171/2 Sgr.; von weiblichen Dienstboten des Herrn Falkensteiner und von drei Arbeitern in Kitzbüchel (Tirol) 3 fl. 24 kr.; von einem, der sich schämt, so spät etwas geschickt zu haben 1 Thlr.; M. und A. 1 Thlr.; aus Deutschlands Ostmark die Wiener Burschenschaft „Silesia“ 30 fl. öster.; ein deutsches Herz im fernen Ungarland 3 fl. öster.; ein Abonnent ans Belgien 10 Thlr.; A. K. in Nenzerheim 2 Thlr.; 2 Sgr.; K. B. in J. 2 Thlr.; vom Stiftungsfest des Gesangvereins zu Langwelmsdorf bei Stolpen 7 Thlr. 27 Ngr. 1 Pfq.; aus Diebach (21 fl.) 12 Thlr.

Von diesen Eingängen sind sofort abgesandt worden: Lehrer Gundrich in Gaudischkehmen 30 Thlr.; Provincial-Comité in Königsberg 150 Thlr.; John Reitenbach in Plicken (Bürger- und Bauernfreund) 150 Thlr.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_176.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)