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bis zu Anfang des Jahres 1847 zu verbleiben, wo er sich zu seinen Eltern nach Bonn begeben mußte, weil diese die Kosten seines ferneren Aufenthalts auswärts nicht mehr erschwingen konnten. Leichte Auffassung und eiserner Fleiß, welche Eigenschaften er in hohem Grade besaß, machten es ihm möglich, seine Kenntnisse durch Privatstudien in kurzer Zeit so weit zu vervollständigen, um das Abiturientenexamen abzulegen. Er widmete sich sodann auf der Universität zu Bonn vorzugsweise dem Studium der Geschichte und Literatur. Hier, wie früher in Köln, fand er einen Kreis von gleichgesinnten Freunden, denen er bald lieb und theuer wurde. Obwohl er stets das hohe Ziel, welchem er nachstrebte, fest und unverrückt im Auge behielt, sich in keiner Weise durch die mit dem akademischen Leben verbundenen mannigfachen Zerstreuungen beirren ließ und der Pflege der Wissenschaften mit Ernst und Eifer oblag, so war er dennoch im Verkehr mit seinen Freunden der liebenswürdigste und heiterste Gesellschafter, voll Geist, Witz und Humor und zeigte stets eine gewinnende Herzensgüte und wohlthuende Gefühlswärme.

Karl Schurz.

Da kam das Frühjahr des Jahres 1848 und mit ihm erwachte auch der Frühling in den Herzen der Völker Europas. Natürlich legte die akademische Jugend in dieser Sturm- und Drangperiode die Hände nicht in den Schooß. Auf den Universitäten hatte sich längst das Bedürfniß, mit veralteten und verrotteten Zuständen zu brechen und einem frischeren Leben Bahn zu machen, herausgestellt, und hierauf richtete sich zunächst und vorzugsweise das Bestreben der Studentenschaften. So war es namentlich in Bonn, und mit dieser Epoche eröffnete sich auch für Schurz ein Feld, auf welchem sich seine Talente entfalten konnten. Durchglüht von den Grundsätzen der Demokratie, vertrat er diese Richtung in den studentischen Versammlungen, in denen er bald durch die Gewalt seiner Beredsamkeit ein großes Ansehen erlangte, welches die Studentenschaft unter Anderm durch seine Wahl zu ihrem Vertreter für das im September desselben Jahres auf der Wartburg stattfindende allgemeine Studentenparlament anerkannte. Die akademischen Verhältnisse waren jedoch ein viel zu enges Gebiet für die Geistesschwingen Desjenigen, welcher schon in früheren Tagen von sich gesungen hatte: „Meine Lieb’ umfaßt die Menschheit, soweit sie groß und frei.“

Schurz bedurfte eines ausgedehnteren Wirkungskreises und trat deshalb in den demokratischen Club, welcher sich in Bonn gebildet hatte und zu dessen Vorstand auch Gottfried Kinkel (damals Professor an der dortigen Universität) gehörte. Mit diesem seinem akademischen Lehrer schloß Schurz ein enges Freundschaftsbündniß, welchem Kinkel später seine Befreiung aus dem Kerker verdankte. Durch sein oratorisches Talent, insbesondere die logische Schärfe seiner Vorträge und die Schlagfertigkeit, mit welcher er allen Angriffen zu begegnen wußte, sowie durch die von ihm entwickelte ungemeine Energie, erlangte der kaum Neunzehnjährige einen bedeutenden Einfluß auf die öffentliche Meinung in der Stadt und deren Umgebung und bei seinen Gesinnungsgenossen die größte Anhänglichkeit an seine Person.

Auf einem gegen Ende des Jahres 1848 zu Köln abgehaltenen demokratischen Congresse trat Schurz als Abgesandter des Bonner Clubs vor einer überaus zahlreichen Versammlung mit einer glänzenden Rede auf, welche allgemein das größte Aufsehen erregte und ihn zum Tagesgespräche machte.

Inzwischen hatte aber der bekannte Umschwung begonnen die revolutionären Bewegungen, welche sich in einzelnen Städten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_181.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)