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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Eine fast überwältigende Fülle von Gastspielen neben der constanten Berufsthätigkeit in Dresden zeichnete auch die folgenden Jahre aus. „Und vergiß meine Aufregungen in London nicht, theurer Freund!“ erwiderte Devrient.

„Wo Sie,“ fiel einer der Anwesenden ein, „den Faust spielten, den Sie uns immerdar vorenthalten haben.“

„Fragen Sie Goethe,“ erwiderte der Künstler, „warum man Faust nicht spielt.“

„Das kann,“ fiel ein Dritter ein, „allerdings der stolz antworten, dem über den ,Hamlet’ eine Fanny Kemble in London gesagt, daß sie den Hamlet Devrient’s über den John Kemble’s und ihres eigenen Vaters stelle.“

„Auch der jüngere Kean hat mir in Anerkennung meiner Rolle ein werthvolles Geschenk übergeben,“ bemerkte Devrient, „die Melodieen des vorigen Jahrhunderts zu den Liedern Ophelia’s.“

„Melodieen, die den Sänger in Ihnen ebenso beglückten, wie den Darsteller Hamlet’s,“ warf der Verfasser dieser Zeilen ein.

Einer der Anwesenden, der Jüngste, wunderte sich über die Aufklärung, daß Emil dereinst den Caspar im Freischütz, den Sarastro, Almaviva, Axur und sogar den Don Juan mit großem Erfolge gesungen.

„Als Caspar trat der gastirende Jüngling im Beginn seiner Laufbahn in Dresden auf,“ schaltete der Erzähler des Mahles ein und hob sein Glas mit ungefähr folgenden Worten: „Welch’ eine Welt liegt zwischen jenem ersten Caspar und dem Tasso, mit dem Devrient das neue Theater in Dresden einweihte! Aus einer Fülle der Gesichter hat sich ein großes, bedeutendes Künstlerantlitz herausgearbeitet; der sprudelnde Reichthum der Vielheit hat sich in einer krystallreinen Quelle concentrirt: in Schöpfung des classischem Ideales für alte und neue Dichtung. Wohl tönt des Sängers ausgebildete Stimme noch nach, aber gebannt an das Wort, es verschönend; wohl hat auch jene Zeit ihre Wirkungen hinterlassen, in welcher sich mit Tasso und Hamlet noch die Lästerschule und die Quälgeister stritten, aber es ist mir das Gute des Baudevillenhaften geblieben, die Präcision des dem Tage sich anlehnenden Lustspieles hat wohlthätig den langgezogenen Ton des Tragöden gekürzt, die Bewegungen des Mimen der Wahrheit zugeführt. Und wie nun der ganze Künstler vor uns steht, eine Verschmelzung des Tasso und Egmont in seiner Natur tragend, so wirke er noch lange zum Heile der deutschen Kunst, so bleibe er der Dresdner Bühne, ein Caspar im modernen Sinne, Freikugeln gießend für die Macht der Schönheit!“

Ein freudiges Hoch der begeisterten Gäste ertönte dem Künstler, und Gutzkow bemerkte mit liebenswürdigem Sarkasmus: „Was würde Tieck zu unserer Gerechtigkeit sagen! Seit Devrient sich nicht mehr ,Dame Kobold’ vorlesen ließ, seit Emil sich sogar dem jüngeren deutschen Drama zuwendete, sprach ihm der Romantiker nur noch Talent für naive Rollen und das Lustspiel zu. Fürwahr, es ist etwas um die Romantik, es ist etwas um ihre Wahrheit, für die leider der große Brite viel weniger gethan hat, als seine Uebersetzer glauben. Hoch lebe Emil der Naive, der Sohn der blauen Blume, hoch Wetter vom Strahl!“

Gelächter von allen Seiten, und heiter vertiefte sich die Gesellschaft in das die Gegenwart erleichternde Reich der Anekdote. Freund Devrient gab sich auch diesem Gebiete lächelnd hin, ohne jedoch es selbst als Erzähler zu ergänzen, denn immer ist ihm die neckende Nennung oder die Verletzung einer Persönlichkeit, und hätte es sich selbst um einen Gegner gehandelt, fern geblieben.

In der frohesten Stimmung brach man ziemlich spät von der Tafel auf. Eine Tasse des besten Mokka besänftigte die Aufgeregten, ehe das Dampfroß Gäste und Gastgeber wieder heim nach der Residenz führte. Das war der schöne Tag von Schmölln.

Edmund Judeich.




Zur Nahrungssorge.
Das (nicht der) Liebig’sche Fleischextract. – Concentrirte Milch. – Malzextracte.

Was wir essen müssen,“ das ist eine Lebensfrage; an diese reiht sich aber auch eine andere wichtige Frage, nämlich: wie müssen wir das Was essen? Um diese beiden Fragen dem Laien so beantworten zu können, daß er auch klug aus unserer Antwort werde, möge derselbe vorerst mit uns einige Blicke in den Bau des menschlichen Körpers, in dessen Ernährung und in den Verdauungsproceß thun.

Mit dem Baue unseres Körpers verhält es sich auf ziemlich ähnliche Weise wie mit dem Baue eines Hauses. Man braucht, wie bekannt, zu einem Hausbaue sehr verschiedenes Baumaterial; man braucht da z. B. Holz, Steine, Eisen, Glas, Lehm und dergleichen mehr. Alle diese Stoffe müssen aber, ihrer Bestimmung gemäß, in bestimmter Weise verarbeitet werden, so z. B. das Holz zu Bretern und Balken, das Eisen zu Platten und Nägeln etc. Erst dann sind sie zur Herstellung von Wänden und Räumen mit Thüren, Fenstern, Oefen, Schlössern etc. zu verwenden.

Ganz dasselbe ist der Fall mit dem Baue des menschlichen Körpers. Es sind dazu ebenfalls eine Anzahl ganz verschiedener Stoffe nöthig, wie z. B. Wasser, Eiweißstoffe, Fette, Salze, Kalke, Eisen etc. Diese Stoffe müssen nun aber auch erst innerhalb unseres Körpers für den Aufbau vorbereitet und zu den kleinsten Körpertheilchen, wie zu Bläschen (Zellen), Fäserchen, Röhrchen, Plättchen und Häutchen, verarbeitet werden. Erst dann können sie zur Zusammensetzung größerer Apparate und Organe, wie der Knochen, Knorpel, Muskeln (oder Fleisch), Nerven etc., dienen.

Die einzelnen Baustoffe für ein Gebäude kennt Jeder durch eigene Anschauung, die unseres Körpers kann nur der Chemiker ausfindig machen; und sie sind ausfindig gemacht worden: Den Hauptbestandtheil (fast drei Viertel) nicht nur des menschlichen, sondern auch des thierischen und pflanzlichen Körpers bildet das Wasser. Es wird in allen, auch in den festesten Körperbestandtheilen, angetroffen. – Nach ihm sind es die Eiweißstoffe, welche in größter Masse und als Hauptgrundlage aller Gewebe unseres Körpers auftreten. Sie werden deshalb auch Gewebsbildner genannt; ihnen verdanken wir am meisten Kraft und Saft. Die wichtigsten eiweißstoffigen Substanzen unseres Körpers führen die Namen: Eiweiß, Faserstoff, Käsestoff, Leim. Ebenfalls in großer Menge und in verschiedener Form finden sich Fette (als Olein, Stearin, Palmitin etc.) in unserm Körper. Ohne Fett ist der Aufbau des Körpers ganz unmöglich. – Von Salzen sind besonders Kochsalz und Kalisalze unentbehrlich. Auch Kalk, Eisen, Schwefel und Phosphor, sowie noch einige andere, meist an die Eiweißsubstanzen gebundene Stoffe, spielen eine große Rolle bei der Zusammensetzung und Ernährung unseres Körpers.

Wie bekannt, giebt es an jedem Gebäude fortwährend zu repariren, da es ja durch die Zeit und den Gebrauch ebenso an seinem Aeußeren wie in seinem Inneren Schaden leidet. Natürlich sind dann die Reparaturen der schadhaften Theile, wenn man diese ja ihren früheren Zustand zurückwünscht, nur mit demjenigen Material, aus welchem diese gearbeitet waren, wieder herzustellen; also die Fenster durch Glas, die Mauern durch Steine, die Schlösser durch Eisen u. s. f. – Ebenso verhält es sich mit unserm Körper. So lange wir leben, nutzt sich derselbe fortwährend in allen seinen Theilen ab, und er kann nur dann ordentlich reparirt, dadurch aber am Leben und gesund erhalten werden, wenn das Abgenutzte aus denselben Stoffen, aus welchen es bestand, immerfort wieder aufgebaut wird; also: das Fleisch durch Eiweißstoffe, die Knochen durch Leim und Kalk, die Nerven durch Eiweiß und Fett etc.

Das fortwährende Abnutzen (Absterben) unserer Körpertheile und das immerwährende Wiederersetzen (Erneuern) derselben nennt man den Stoffwechsel. So lange dieser vor sich geht, leben wir; hört er auf, dann sterben wir; hat er aufgehört, so sind wir todt; geht er schlecht und falsch von statten, dann sind wir krank. Den Stoffwechsel ordentlich im Gange zu erhalten, ist demnach die Aufgabe für jeden Menschen, der leben und gesund sein will.

Das Material, mit welchem unser Körper aufgebaut ist, also: Wasser, Eiweißstoffe, Fette, Salze, Kalke, Eisen, Schwefel und Phosphor etc., – kann der Körper sich nicht selbst erzeugen, es muß ihm von außen zugeführt werden, und zwar, wenn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_185.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)