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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Glückwunsch. Fürst Schwarzenberg, der nachmalige Befehlshaber bei Leipzig, in seiner Eigenschaft als österreichischer Gesandter war zugegen und legte dem kaiserlichen Paar seine Huldigungen zu Füßen. Nach dieser kurzen Empfangsfeierlichkeit führte der Kaiser seine Gemahlin in ihre Gemächer und nahm mit ihr und seiner Schwester Carolina, der Königin von Neapel, das Abendbrod ein. –

Marie Louise war und blieb eine gute Prinzessin sanften Charakters, voll Liebe zur Ordnung und zur Sparsamkeit, mäßig in ihren Wünschen, allem Außerordentlichem feindlich. Die Größe des Aufschwunges, deren ihre Großtante Marie Antoinette fähig war, lag ihrem Wesen fern. Sie erhielt für ihre Privatausgaben die bescheidene Summe von fünfzigtausend Franken monatlich, von denen zehntausend zur Vertheilung unter die Armen bestimmt waren, sie wußte aber so zu rechnen und sich zu beschränken, daß sie nicht nur mit dem Gelde auskam, sondern stets über fünfundzwanzigtausend Franken verfügen konnte. Sie versagte sich einen Rubinenschmuck, der ihr angeboten wurde und sehr gefiel, weil der Ankauf desselben um sechsundvierzigtausend Franken ihre Finanzen zerrüttet hätte. Diese Tugend der Enthaltsamkeit fand ihren Lohn; denn Kaiser Napoleon, der durch einen Zufall von diesem Zuge seiner Gemahlin Kenntniß erhielt, machte ihr einen weit schöneren Rubinenschmuck, der mit hunderttausend Franken bezahlt wurde, zum Geschenke. Den Franzosen war die Prinzessin zu nüchtern und verschlossen. Weit mehr entsprach ihrem Geschmacke die ungebundene, gefällige Weise Josephinens. Auch gewann die Oesterreicherin in ihrem neuen Vaterlande bei Weitem nicht so lebhafte Sympathien, wie die Creolin. Selbst dem Kaiser, ihrem Gatten, dem man eben auch nicht übermäßige Lustigkeit vorwerfen kann, war sie bisweilen zu ernst, und in Mußestunden gab er sich Mühe, ihr durch allerlei Scherze ein Lächeln abzugewinnen.

Mehr als den Franzosen sagte das Wesen der Oesterreicherin den ruhig besonnenen Holländern zu, wie sich dieses auf der Reise zeigte, die das Kaiserpaar, kurz nach der Geburt des Königs von Rom, durch Holland unternahm. Und dieser Umstand charakterisirt die Lebensgefährtin des ersten Napoleon genauer, als die sorgfältigste Schilderung. Die Bescheidenheit der Kaiserin, welche in Paris getadelt oder gar verspottet wurde, fand Anerkennung und Beifall in Amsterdam. Dort nahm man sie für stolze Ueberhebung, hier für weibliche Würde.



Blätter und Blüthen.

Mendelssohn-Denkmal. Es verlautet, die Gesellschaft der „Zwanglosen“ in Leipzig hege den Plan, unserem trefflichen Mendelssohn-Bartholdy ein Denkmal zu setzen. So sehr dies auch eine Schuld der Pietät abzutragen scheint, so möchte es doch vielleicht am Platze sein, Mendelssohn’s Worte über Monumente in’s Gedächtniß zurückzurufen. Dieser schreibt unter dem 30. November 1839 an Moscheles in London: „Wenn Du sähest, wie häßlich sie’s in Deutschland jetzt mit den Monumenten treiben! … Sie speculiren auf die großen Männer, um sich von ihren Namen einen Namen zu machen, posaunen in den Zeitungen und machen mit den wirklichen Posaunen schlechte Musik. ‚Unerquicklich wie der Nebelwind’. Wenn sie in Halle für Händel, in Salzburg für Mozart, in Bonn für Beethoven etc. ordentliche Orchester bilden wollen, die die Werke gut spielen und verstehen können, da bin ich dabei – aber nicht bei ihren Steinen, wo die Orchester noch ärgere Steine sind, und nicht bei ihren Conservatorien, wo nichts zu conserviren ist. Mein Steckenpferd ist jetzt unser armes Orchester und seine Verbesserung. Ich habe ihnen mit unsäglicher Lauferei, Schreiberei und Quälerei eine Zulage von fünfhundert Thaler ausgewirkt und eh’ ich von hier weggehe, müssen sie mehr als das Doppelte haben. Wenn das die Stadt thut, so kann sie auch Seb. Bach ein Monument vor die Thomasschule setzen. Aber erst die Zulage!“

So dachte und schrieb der enthusiastische Verehrer Bach’s, der selbst so viel gethan, um diesem Meister ein Denkmal zu verschaffen. Aber für die erste Zeit hielt er die Verbesserung der Lage seiner Orchestermitglieder für das Dringendste. Und wie hat er sich für diese Aufgabe eingesetzt! Schon am 7. Februar 1810 konnte er seinem Bruder Paul seine Freude über die Gehaltserhöhung der Musiker ausdrücken, für die er auch in einer Eingabe an den „hochedeln und hochweisen Rath der Stadt Leipzig“ vom 3. October 1843 sich auf’s Wärmste verwendet.

Alles dieses scheint den Vorschlag wohl gerechtfertigt zu machen, jene verehrliche Gesellschaft möchte lieber zu einer Mendelssohnstiftung auffordern, die sich der Aufgabe unterzöge, die materielle Stellung und allgemeine Bildung der deutschen Musiker zu verbessern.

Wien, den 27. Februar 1868.

Dr. A. H–tz




Ameise und Blattlaus. Die Gartenlaube hat schon so oft Mittheilungen gebracht, welche von einem Nachdenken der Thiere Zeugniß ablegen sollen und können, aber soviel ich mich erinnere, sind diese Zeugnisse noch nie so tief in der Thierwelt hinabgestiegen als bis dahin, wohin ich gegenwärtig die Aufmerksamkeit der Leser lenken möchte.

Die jungen Apfel und Birnbäume in meinem neu angelegten Garten blühten jedes Jahr, selten brachten sie jedoch vollständig ausgewachsene, gesunde Früchte, ja, meistens fielen die Blüthen ab, ohne Frucht angesetzt zu haben. Es konnte meiner Aufmerksamkeit nicht wohl entgehen, daß auf diesen Bäumen sich eine starke Bevölkerung von Ameisen befand, welche beständig den Stamm auf und niederliefen. Nun war mir auch bekannt, daß diese Thierchen den auf den Blättern befindlichen Blattläusen ihre Besuche machen, oder daß vielmehr die Blattläuse ihre Kühe sind, zu denen sie zum Melken gehen; ebensowohl war mir bekannt, daß weder Ameisen noch Blattläuse die wahre Ursache von dem Verdrusse an meinen Bäumen waren, sondern die Verdickung der Säfte, welche bald durch Dürre, bald durch Stockung in Folge plötzlich eingetretener Kälte hervorgebracht wird. Dennoch war mir die freche Thätigkeit der Ameisen ärgerlich, und ich beschloß, ihnen wenigstens eine Verlegenheit zu bereiten. Ich nahm von dem Theer aus der Schwammdose meiner Tabakspfeife und zog davon einen fingerbreiten und hohen Ring rings um den Stamm eines der Bäume. Als nun die Ameisen von den Aesten des Baumes heruntergekommen waren, fanden sie den Theerring, machten einige Versuche, einen Durchgang durch denselben zu gewinnen, sobald sie sich aber überzeugt hatten, daß dieses Bemühen doch ohne Erfolg bleiben mußte, gingen sie ohne langes Bedenken schnell wieder an dem Stamm in die Höhe. Bald darauf kamen die Ameisen in einer großen Schaar von oben herunter, jede trug eine Blattlaus und drückte diese in den Theer; darauf ging es wieder “nach oben, und das Pflastern mit den Blattläusen wurde so lange fortgesetzt, bis eine Brücke über den Ring fertig war, worauf die fleißigen Arbeiter alle, ohne sich zu beschmutzen, darüber hinweggingen. Die Folgerungen aus diesem Vorgange, der durch nichts ausgeschmückt ist und den, wie ich nicht zweifle, Jeder in seinem Garten wiederholen lassen kann, will ich den Lesern überlassen;

sie führen leicht in ein Gebiet, wo das Bestehende nicht mehr haltbaren Boden geben will.

Kchm.




Kleiner Briefkasten.


Den Müttern nervenschwacher, blutarmer und überhaupt kränklicher Töchter, die von mir einen ärztlichen Rath wünschten, kann ich mit gutem Gewissen eine Heil- und Pensionsanstalt empfehlen, in welcher die Fräulein Töchter unter der Aufsicht eines rationellen Arztes und nur mit Hülfe einer zweckmäßigen diätetischen Behandlung bald gesunden werden. Solche kranke Fräulein müssen nämlich stets unter ärztlicher Aussicht stehen, denn auch bei ihnen ist gewöhnlich der Wille stark, aber das Fleisch sehr schwach. – Diese Anstalt befindet sich in Blankenhain in Thüringen, am Saume herrlicher Tannenwaldungen, zwischen Weimar und Rudolstadt. Das Haus, in welchem das Pensionat sich befindet, ist im modernen Villastil solid und geschmackvoll gebaut, rundum frei gelegen und mit einem großen Parkgarten verbunden; seine Zimmer sind hoch, mit schöner freier Aussicht gegen Süden. Die Kost, auf welche das Meiste bei der Heilung Blutarmer ankommt, dürfte nicht nahrhafter und wohlschmeckender sein können. Die Leitung des Pensionats ist in den Händen des Dr. Schwabe, Amtsphysikus, der jederzeit auf Anfragen sofortige Antwort ertheilen wird.

Bock.


K. E. in Hannover. Wenn wirklich, wie Sie schreiben, bei vielen Ihrer Landsleute die Parole: Lieber französisch als preußisch, die vorherrschende ist, so können wir zwar begreifen, daß Sie sich mit Ekel von diesem unpatriotischen und undeutschen Gebahren abwenden, eine große Bedeutung aber diesen lächerlichen Agitationen beizulegen, wie Sie es thun, sind wir nicht im Stande, wenn wir auch gern Ihrem Wunsche nachkommen und diesen Argverblendeten, die den Namen Deutsche nicht mehr verdienen, in einer der nächsten Nummern die Glückseligkeit einer französischen Schutzherrschaft vorführen werden.

D. Red.

Inhalt: Ein Wort. Novelle (Fortsetzung.) – Ein vielbewegtes Leben. Von Willibald Winckler. Mit Porträt. – Marquis Posa als Burgherr. Von Edmund Judeich. – Zur Nahrungssorge. Von Bock. – Skizzen aus dem Land- und Jägerleben. Wort und Bild von Ludwig Beckmann 3. Eine Otterhetze. Mit Abbildung. – Ein Opfer aus Deutschlands schwerster Noth. Auch eine Erinnerung an Compiègne- Von Sigmund Kolisch . – Blätter und Blüthen: Mendelssohn-Denkmal. – Ameise und Blattlaus. – Kleiner Briefkasten.

Nicht zu übersehen!

Mit der nächsten Nummer schließt das erste Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung
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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_192.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)