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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

bekannte Geschichte ich den Freunden mittheilte: daß in einer schönen hellen Mondnacht Cornelius mit seinen Freunden aus der Weinkneipe etwas schwankenden Schrittes nach Hause gegangen, aber gesagt habe, auf die Beine komme es beim Maler nicht an, sondern auf die Hand, und sogleich sei von der seinigen ein Christusbild mit Kohle auf die Mauer gezeichnet worden, das am andern Tag von der Nachbarschaft angestaunt, ohne Verzug mit einem Glaskasten und ewigem Licht versehen und ein bleibendes Andachtsbild geworden. Wir verschafften uns den Schlüssel, dem das verrostete Schloß kaum folgen wollte, und fanden noch die Spuren der (freilich ungeschickt retouchirten) Zeichnung, die Cornelius’ Hand dennoch erkennen ließ. Ich betheuerte überdies, daß Cornelius selbst die Thatsache mir bestätigt habe, und der Leibarzt fand die Geschichte interessant genug, sie dem König zu erzählen und in einem Briefe der Allgemeinen Zeitung mitzutheilen. Als dies der König erfuhr, ließ er sogleich Nachforschungen anstellen, ob die Geschichte auch „wirklich wahr“ sei. In Rom lebte nur noch ein Zeitgenosse von Cornelius, der Landschaftsmaler von Rhoden aus Cassel. Da dieser aber auf Befragen erklärte, er wisse nichts von der Geschichte, sie komme ihm nicht glaublich vor, ließ der König sogleich – weil der historische Beweis der Wahrheit zweifelhaft geworden nach Augsburg telegraphiren, die Erzählung von dem Andachtsbild von Quattro Fontane in Rom solle nicht in die Allgemeine Zeitung aufgenommen werden.

Nicht leicht fiel ein an ihn gerichtetes Wort an den Boden, und oft erhielt man eine Antwort, wenn man die Anrede selbst fast vergessen hatte. Der König befand sich in Rom, als die Gräflich-Schönborn’sche Bildergalerie aus Pommersfelden nach Paris geschickt wurde, um dort unter den Hammer zu kommen. Ich schrieb dem König, wie beklagenswerth dieser Verlust für Baiern sei, wie man aber an das Land nicht wohl das Ansinnen stellen könne, sie käuflich zu erwerben. Nur ein Gemälde, nach meiner Ansicht das größte Juwel der Sammlung, sollte doch Baiern erhalten bleiben, „die trauernde Mutter mit dem Kind,“ ein Bild, in welchem ich mit Gewißheit die Hand Leonardo’s zu erkennen glaubte. – Im Monat Juni wurde ich im Bade Ems durch folgendes Briefchen überrascht:

„Herr Dr. Ernst Förster, wollte gestern Ihnen mündlich danken mich nach Rom schreibend aufmerksam gemacht zu haben auf den Juwel der Pommersfeld’schen Galerie. Dieses herrliche Gemälde gab mir die Ueberzeugung, daß es ein Leonardo da Vinci, kein Luini. Wiederholt dankend Ihr wohlgewogene

München, 5. Juni 1867.             Ludwig I.

Seitdem ist das Bild eine Zierde der Pinakothek in München.

Des Königs Theilnahme an der Schillerstiftung hatte es mir zur Pflicht gemacht, ihm von Zeit zu Zeit über deren Wirken Bericht zu erstatten. Ich that es zuletzt Anfang Februar dieses Jahres, bei welcher Gelegenheit ich meine Theilnahme an seiner gestörten Gesundheit aussprach, und erhielt nach wenigen Tagen aus dem Cabinet den Dank des Königs für Bericht und Brief mit dem Zusatz: „daß ich täglich spazieren gehe, spazieren fahre, fleißig Gesellschaften besuche, dieses als Erwiderung auf das, was meine Gesundheit betrifft.“ Und zwei Tage nachher mußte er sich der Operation unterwerfen, der rasch eine zweite und ohne langes Zögern der Tod folgte.

Er war ein seltener Mensch, eines unvergänglichen Gedächtnisses sicher, und aus voller Seele wiederhole ich über seinem Sarkophag den Schlußgesang der Walhallagenossen aus meinem vor achtunddreißig Jahren zur feierlichen Grundsteinlegung der Walhalla gedichteten Liede:

Laßt die Schilde laut erdröhnen,
Nehmet den Pocal zur Hand!
Singet, daß es wiederhalle
In dem deutschen Vaterland:
Heil dem Fürsten, den des Ruhmes[1]
Ew’ge Sternenkrone lohnt,
Wenn er einst in späten Jahren
Selber in Walhalla thront!



  1. Und Eisenmann? Und Behr?
    D. Red.


Das erste Meißner Theeservice.

„Ce que femme veut.“

Die Bewohner des alten Elbflorenz befanden sich um die Weihnachtszeit Anno 1707 in einiger Aufregung. Wunderliche Gerüchte waren es, die damals die Residenz August’s des Zweiten durchschwirrten wie scheue Vögel, welche sich von Niemandem festhalten lassen wollten. Vor länger als einem Vierteljahr nämlich hatte man bei Nacht und Nebel auf Befehl des höchsten Herrn einen Fremden vom Königstein herübergebracht, wo man ihn lange gefangen gehalten, um ihm nun auf der Jungfernbastei, der jetzigen Brühl’schen Terrasse, ein neues Haus einzuräumen. Es war dies freilich auch nicht mehr als ein Gefängniß, denn der Zutritt zur Bastei war nur Wenigen gestattet und den Fremden selbst sah man nie anders als im verschlossenen Wagen auf den regelmäßigen Spazierfahrten, die er unternahm. Alt und Jung erzählte sich, daß der Geheimnißvolle ein berühmter Goldmacher sei, den der König dem Preußenherrscher abwendig gemacht und der nun nicht eher frei gelassen werden solle, als bis er die Ziegel auf den Dächern und die Steine auf den Straßen Dresdens in pures Gold verwandelt. Brauchte doch der Landesherr Geld, viel Geld – zu neuen Bauten und manch’ andern Dingen, und seine Unterthanen brauchten es nicht minder. Man fand es deshalb sehr begreiflich, daß der Wundermann gehütet und bewahrt wurde, wie man einen Augapfel hütet, und daß der König ihn im Anfange seines Aufenthalts in Dresden mit allem Comfort umgab, den ein armes Erdenkind sich nur zu wünschen vermag. Wunderdinge flüsterte man sich in’s Ohr von der Einrichtung jener Gemächer, die der Fremde bewohne. Ein königlicher Wagen kam täglich, um ihn abzuholen, damit er frische Luft schöpfe und auf irgend einem abgelegenen Gebiete, wo ihn Niemand sah, sich eine Weile ergehe, um seine kostbare Gesundheit zu erhalten. Ein Koch aus dem Schlosse besorgte seine einsame Tafel, und so mangelte dem königlichen Gaste eben nichts, als eine Kleinigkeit – die Freiheit.

Gearbeitet wurde Tag und Nacht in geheimnißvoller Weise, die Schmelzöfen glühten und schwarze Gestalten liefen emsig hin und her. Die Arbeiter standen zunächst unter der Aufsicht des Hoftöpfers Fischer und seines geschickten Gehülfen Peter Engelbrecht, der in den Fayencefabriken Hollands und Belgiens viel gearbeitet, und Allen war der Schwur abgenommen, nichts von den Geheimnissen zu verrathen, in die sie durch den Fremden eingeweiht wurden. Jeder hatte auch den besten Willen, solchen Schwur zu halten, und wenn der Herr Hoftöpfer ihn brach, so war nicht er daran schuld, sondern seine hübsche Frau. Sie wandte die bekannten verführerischen Künste jeder Evatochter ihrem Eheherrn gegenüber so lange an, kos’te, schmeichelte, lächelte und schmollte, bis er ihr zunächst unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit die Mittheilung machte, daß der Schützling des Landesherrn Niemand anders sei, als der ehemalige Apothekerlehrling Friedrich Böttcher aus Schleiz, der aus der Albrechtsburg bei Meißen mit Walter von Tschirnhaus lange Zeit ein geheimes Wesen getrieben und eine Art Hexenküche daselbst eingerichtet haben sollte. Nachher war er nach Berlin gegangen und von dort plötzlich aufgehoben und unter starker Escorte nach dem Königstein gebracht worden.

Was der Herr Hoftöpfer sonst noch verrieth, ist nicht mit Bestimmtheit anzugeben, gewiß ist nur, daß ganz Dresden wenige Stunden nach dieser Unterredung wußte, daß es sich leider nicht mehr um Goldstaub handele, wenn man auf der Jungfernbastei kochte und braute, Erde durch feinen Kattun beutelte, auf Marmorplatten zerrieb und zum Schluß noch mahlte. Es handelte sich vielmehr nur um eine Art neuen Töpfergeschirrs, ein Gedanke, den der Herr Hoftöpfer mitleidig belächelte. Jetzt begriff man, warum der hohe Landesherr plötzlich seine Besuche auf der Jungfernbastei eingestellt hatte. Was lag an dergleichen Dingen? Zerbrechliche Waare konnte man im Ueberfluß erlangen, seit der Erfinder des Brennspiegels, Tschirnhaus, das Milchglas erfunden und bereits drei Glashütten in Sachsen errichtet hatte. Man erfuhr auch, daß derselbe oft von Kieslingswalde herüber kam und ein paar Tage in dem einsamen Hause auf der Jungfernbastei verblieb und mit arbeiten half. Zwar hielt noch eine Anzahl

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_249.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)