Seite:Die Gartenlaube (1868) 250.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

gläubiger Seelen an der Ueberzeugung fest, daß Friedrich Böttcher ein Pulver besitze, von welchem ein geringer Theil einhundertundachtzig Theile Silber in feinstes Gold zu verwandeln vermöge, aber der hohe Landesherr selber schien leider nicht zu jenen Gläubigen zu gehören.

Allmählich trat in Folge dieses erlöschenden Interesses nun eine weniger strenge Bewachung der Person, aber eine desto peinlichere Ueberwachung der Ausgaben ein, welche diese erneuten Versuche erforderten. Der Hofwagen erschien nicht mehr so pünktlich wie sonst am Fuße der Bastei, und Niemand hätte wohl den Fremden verhindert, auch einmal auf eigenen Füßen frische Luft zu schöpfen. Der Koch wurde nachlässig, und nur die Arbeiter verloren ihren Glauben nicht an den Wundermann und ermüdeten keinen Augenblick. Sie sahen zu ihm empor wie zu einem höhern Wesen, und doch fühlten sie ihn wiederum so ganz als einen ihres Gleichen, wenn er Nächte lang mitten unter ihnen stand, Hand anlegte und durch seine heitern Scherze jede Ermattung verscheuchte.

Friedrich Böttcher war damals ein Mann von kaum vierundzwanzig Jahren und den gewinnendsten Manieren. Wenn sein hübsches Gesicht mit den großen ernsten Augen und dem schalkhaft lächelnden Munde zuweilen hinter den Wagenvorhängen auftauchte, sobald zufällig eine besonders anmuthige Frauengestalt daher trippelte, so geschah es sicher, daß solch zierliches Köpfchen sich nach ihm umwendete. Die Frauen redeten überhaupt viel mehr von jenem Hause auf der Jungfernbastei und seinem Insassen als die Männer, und wenn Friedrich Böttcher statt der Arbeiter hätte Arbeiterinnen gebrauchen können, er würde sich nicht zu retten gewußt haben vor all’ den kleinen Händen, die sich nach ihm ausgestreckt. Ob Friedrich Böttcher etwas von diesem geheimen Interesse der Frauenwelt ahnte – wer konnte es sagen? – in keinem Falle beunruhigte oder zerstreute es ihn. Sein Herz war frei wie der Vogel in der Luft, und er äußerte oft scherzend, daß ihm ein fester Schmelztiegel anbetungswürdiger erscheine als die schönste Frau. Ohne alle Liebesträume saß er in seiner einsamen Zelle, und wenn seine Stirn umwölkt erschien seit einiger Zeit und seine schönen Augen noch ernster blickten als sonst, sein Gesicht bleich und bleicher wurde, so war es nichts weniger als Liebeskummer, was ihn bedrückte, sondern einzig und allein der Gram über die Wandelbarkeit der königlichen Gunst und die Sorge um seine Zukunft, oder vielmehr um die Zukunft seiner Erfindung. Was lag an seinem Leben – das heißersehnte Ziel seines Strebens wurde in graue Ferne gerückt, und das war tausend Mal bitterer als der Tod! Man hatte ihm bereits zu verstehen gegeben, daß der hohe Herr ferner nicht mehr gesonnen sei, solch’ bedeutende Summen zu verausgaben zu ungewissen und nutzlosen Versuchen, und daß man sich zum Besten des Landes gezwungen sähe, der großen Kosten halber wenigstens vor der Hand einige Schmelzöfen eingehen zu lassen. –

In einem mit verschwenderischer Pracht ausgestatteten Gemach wanderte an einem Decemberabend die schönste Frau Dresdens, ja vielleicht die schönste Frau ihrer Zeit in unruhiger Erwartung auf und nieder. Es war die Tochter des dänischen Obersten von Brockdorf, die Gemahlin des sächsischen Cabinetministers v. Hoymb, nachherige Reichsgräfin Cosel, – dieser neue Stern am Himmel des Hofes und des königlichen Herzens, die strahlendste unter allen Nachfolgerinnen der reizenden Königsmark. Augenblicklich war sie kaum einige Wochen in Dresden, soeben von den Gütern ihres Gemahls, wo sie bis jetzt, gehütet von seiner eifersüchtigen Liebe, gelebt, in der Residenz erschienen. Die fromme, sanfte Kurfürstin-Königin hatte die Fremde freundlich empfangen, ahnungslos, welch’ Leid sie über ihr Herz bringen sollte, und die hohe Aristokratie, staunte die junge siegende Schönheit mit einer Mischung von Neid und Bewunderung an. Das war kein schüchternes Veilchen, das im Verborgenen sich glücklich fühlte, das war eine üppige Rose, bestimmt, im hellen Sonnenlicht zu prangen. Und die Augen des Königs konnten sich nicht satt sehen an dem Glanz dieser bezaubernden Blumenkönigin.

Die Berichte der Zeitgenossen der berühmten und berüchtigten Gräfin Cosel stimmen überein in dem Lobe ihrer Schönheit, ihrer Unterhaltungsgabe, ihres Geistes. Es dürfte interessant sein, die beiden einflußreichsten Frauen des sächsischen Hofes unter August von Polen zu vergleichen: Aurora von Königsmark und Anna von Hoymb. Die reizende Schwedin bezauberte mehr durch die Grazie holdester Weiblichkeit, durch den Ausdruck der reinsten Güte, Sanftmuth und Bescheidenheit, durch ihre vollendete Anmuth und eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Bildung. Dagegen war die Schönheit der Cosel mehr von feurigem und frappirendem Charakter und von größerem sinnlichen Reiz der Erscheinung; sie hatte einen ausgesprochenen Hang zur Ueppigkeit, funkelnden, brillanten Geist, pikante Unterhaltungsgabe und kostspielige Capricen.

Die schöne Frau von Hoymb war heute den ganzen Tag sehr übler Laune gewesen. Zum ersten Male hatte sie einen leidenschaftlichen Wunsch geäußert, zum ersten Male war er ihr abgeschlagen worden. Gestern, bei dem kleinen Feste, das die Königin gegeben, hatte man von einem herrlichen Majolica-Service gespeist und einige Teller mit verzuckerten Früchten waren herumgereicht worden, deren reiche Gold- und Farben Verzierung, sowie die reizenden Amorettenköpfchen aus Wolken hervorschauend, sofort die Aufmerksamkeit der jungen Frau erregt hatten. Man sagte ihr auf ihre Frage, daß diese kostbaren Teller von Raffael’s eigener Hand gemalt und in der Königin Besitz gelangt seien als ein Geschenk des Papstes. Ein ähnliches kostbares Service ihr Eigenthum zu nennen, erschien plötzlich der schönen Staatsminister’n als der Inbegriff aller irdischen Glückseligkeit. Etwas zu besitzen, um das man sie beneiden mußte – welch’ ein entzückender Gedanke! Nicht nur Raffael, nein, alle berühmten Maler der Erde hätte sie von den Todten auferstehen lassen mögen, um ein Service für sich allein mit Farben und Gold schmücken zu lassen. Unerträglich lautete es, aus dem Munde der Königin selbst die Worte zu hören, daß eben diese Geräthe das kostbarste Besitzthum, dessen eine Frau sich zu rühmen vermöchte.

Anna von Hoymb mußte also so schnell wie möglich ein Majolica-Service von allen erdenklichen Formen und Arten haben, und sie gab das mit dem ganzen Ungestüm ihres Wesens ihrem Gemahl zu verstehen.

„Mein liebes Kind,“ lautete seine ruhige Antwort, denn diese bekannte Form der Anrede gebrauchten die Ehemänner aller Zeiten, wenn sie ihren Frauen etwas abschlagen wollten, „das ist eine Unmöglichkeit! Du müßtest zuerst die Todten lebendig und mich zum Crösus machen, der solche kostbare Dinge bezahlen könnte. Das Eine gelänge Dir so wenig wie das Andere. Wäre der Goldmacher auf der Jungfernbastei geschickter, so könnte der Dir helfen. Aber den möchte der König gern los sein, er kostet uns zu viel und hält keine einzige seiner Versprechungen. Der König mag nicht an ihn erinnert werden. Noch heute ist ein Schreiben eingelaufen von dem angeblichen Zauberer, voll neuer Bitten und Verheißungen; ich habe nicht den Muth es dem hohen Herrn einzuhändigen.“

Wie sie da aufhorchte und weiter fragte, die zauberische Frau, und wie sie schmeichelnd so lange forschte, bis der mächtige Minister, vor dessen Stirnrunzeln so Mancher zitterte, so schwach war wie ein Kind und so nachgiebig wie ein Blumenblatt, mit dem der Zephyr spielt! Wie die weißen Hände so sanft über die eheherrlichen Wangen glitten, wie die siegenden Augen so unwiderstehlich dicht vor ihm aufleuchteten, wie der zauberische Mund so verführerisch lächelte und bat! Und da plauderte er denn aus, was er nicht ausplaudern durfte, genau wie der Herr Hoftöpfer, und gab auch den Brief Friedrich Böttcher’s an den König her. Wie sie aufmerksam las, und wie die üble Laune dahinschmolz, gleich Märzschnee vor dem Sonnenlicht, und wie sie ihm versprach. stumm zu sein wie das Grab, und doch, sobald sie sich allein sah, einen Boten an die Frau Hoftöpferin Fischer sandte mit dem Auftrag, daß dieselbe sich unverzüglich zu ihr begebe! Auf diesen Besuch nun wartete Anna von Hoymb, als sie so ruhelos einherschritt in ihrem Gemach, daß die Schleppe des grünen Seidenkleides mit den bunten Blumen, welches sie trug, hinter ihr drein rauschte wie empörte Wellen.

Die Gedanken jagten sich in dem gepuderten Köpfchen, allerlei Tassen und Vasen, Schalen und Teller, dick mit Goldstaub bestreut, wirbelten und tanzten durcheinander und zerbrachen doch nicht! – Auf welche Weise der Wundermann in der Jungfernbastei ihr helfen sollte, war ihr zur Stelle zwar noch nicht recht klar, aber sprechen mußte sie ihn um jeden Preis, und da er selber das Haus nicht verlassen durfte, so wollte sie zu ihm gehen, und die hübsche kleine Fischerin hatte sie zu ihrer Begleiterin ausersehen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_250.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)