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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

zu sehen – und man sagt, daß jene kleine braune Theekanne, die damals Friedrich Böttcher der Gräfin Cosel überreicht, die schöne Frau, als man dieselbe nach einem neunjährigen Leben voll üppiger Herrlichkeit vom Hofe in die Veste Stolpen verbannte, begleitet habe. – Wer weiß, wie viele Thränen während einer langen, langen todeseinsamen Haft auf jenen einst so heiß ersehnten Gegenstand gefallen sind, – auf das erste Meißner Porcellan!




Gustav Doré.

In der französischen Malerschule der Gegenwart nimmt Gustav Doré einen bedeutenden Rang und eine ganz eigenthümliche Stellung ein.


Hausmusik in den Südalpen
Für die Gartenlaube gezeichnet von Gustav Doré.


Er hat keinen Meister gehabt; er gehört keiner Schule an; er geht seinen eigenen Weg. Der Bildungsgang dieses Künstlers ist merkwürdig genug. Er ist 1832 in Strasburg geboren, wo sein Vater als Staatsingenieur angestellt war. Kaum hatte er das zehnte Jahr erreicht, als sich sein plastischer Drang auf eine unwiderstehliche Weise kund gab. Er zeichnete in seine Schreibhefte, in seine Schulbücher, auf Briefcouverte, und kein weißes Blatt Papier war vor seinem Bleistift sicher. Der kleine Doré hatte nur einen einzigen Wunsch, und dieser Wunsch ließ ihn nicht ruhig schlafen. Er wollte nach Paris und sich dort der Malerkunst widmen. Sein Vater jedoch, dem das Wohl seines Lieblingssohnes sehr am Herzen lag und der für ihn in der Künstlerlaufbahn keine gesicherte Lebensexistenz sah, suchte ihn auf andere Gedanken zu bringen und wohl auch Zweifel an seiner Begabung zu erregen. Doré ließ sich jedoch nicht abschrecken, und als der Vater ihn während der Schulferien nach Paris zu führen beschlossen, steckte der Knabe ein dickes Paket Zeichnungen in seinen Koffer, begab sich, in der Weltstadt angelangt, ohne seinem Vater ein Wort zu sagen, zu Charles Philipon und legte diesem seine Productionen vor mit der Bitte, ihm seine Meinung unumwunden zu sagen. Charles Philipon war ein Mann von sehr lebhaftem Geist und von seltener Herzenswärme. Er war es, der die politische Caricatur in Frankreich eingebürgert. Er hatte im Anfange der Juliregierung das Witzblatt „La Caricature“ gegründet, welches ihn, im Lauf eines Jahres nicht weniger als vierundfünfzig politische Processe zuzog. Als dieses Blatt den September-Gesetzen unterlag, gründete er den Charivari und dann noch eine lange Reihe anderer Witzblätter, die zum Theil noch jetzt bestehen. Philipon besaß die seltene Gabe, junge Talente zu entdecken und ihnen eine glänzende Laufbahn zu eröffnen. Jehannot, Grauville, Gavarni, Henry Monnier, Numa, Achille Dévéria arbeiteten in seinen satirischen Zeitschriften. Er führte Daumier beim Publicum ein und gab mit ihm die beißenden Satiren „Robert Macaire“ heraus. Daumier zeichnete die Bilder und Philipen setzte die Epigramme darunter, die ihrer Zeit so viel Aufsehen erregten und heutiges Tages durchaus nicht veraltet sind. Er entdeckte auch das fruchtbare Talent Cham’s (Amédée de Noé), der noch gegenwärtig durch seine geistvollen Zeichnungen dem Charivari ein besonderes Interesse verleiht. Auch der verwegene Wolkensegler Radar, der nicht nur ein sehr begabter Schriftsteller, sondern auch ein vortrefflicher Caricaturzeichner ist, schloß sich Philipon an, welchen seine Mitarbeiter wie einen Vater liebten; denn er war wohlwollend und uneigennützig und scheute keine Opfer, keine Gefahr, wenn es seine Ueberzeugung galt.

Sein Ruf war bis zu dem kleinen Doré gedrungen. Philipon, dem das offene, freie Wesen Doré’s gefiel, betrachtete dessen zahlreiche Hervorbringungen mit großer Aufmerksamkeit, fand an denselben natürlich alle Fehler eines ohne alle Leitung darauf los schaffenden Knaben, bewunderte aber zugleich dessen überaus

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_253.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)