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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Rede zum Pfarrer der thüringischen Gemeinde Alperstedt bestellt. Seit diesem Jahre und bis zu seinem letzten Athemzuge hat er – zuerst in Alperstedt, dann lange Jahre in der Gemeinde Nieder-Zimmern, die ihn zum Pfarrer erwählte, endlich seit dem Jahre 1851 in Willerstedt bei Buttstädt – sein geistliches Amt unermüdlich verwaltet.

Ein allzeit treuer Anhänger des freisinnigsten Nationalismus, ein geistvoller Jünger des unvergeßlichen, von ihm hochverehrten Röhr, ein Priester echter, wahrer Humanität hat er durch mehr als einundfünfzig Jahre in seinem geistlichen Amte segensvoll gewirkt. Er war seiner Gemeinde und in ihr auch dem Aermsten ein wahrer Freund und Berather und, drei Mal verheirathet, seiner Familie ein liebevoller Vater. Wenn man den ganzen idyllischen Reiz eines patriarchalischen thüringischen Pfarreilebens genießen wollte, mußte man in dem jederzeit gastfreien Pfarrhause von Willerstedt einkehren. An schönen Frühlings- oder Sommerabenden, in Unterhaltung mit einem Freunde auf der Bank der Freitreppe, die zum Pfarrhaus hinaufführt, oder in der Rosenlaube des Gartens, im Kreise der Seinen, das schwarze Käppchen auf dem Haupt und die Pfeife mit dem meerschaumnen „Lutherkopf“, den ein kunstgeübter Verwandter in „der Ruhl“ ihm geschnitten und verehrt hatte, gemüthlich schmauchend, pflegte der gute Alte aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen und Erinnerungen die anziehendsten Mittheilungen zu machen und entwickelte die seltenen Gaben seines Geistes und Gemüths und seine große, freisinnige Lebens- und Weltanschauung in ebenso schlichter wie geistvoller Weise. Und wenn er gar an die neue schöne Orgel seiner Kirche sich setzte und in gewaltigen Tönen eine eigene Phantasie über das Lutherlied erbrausen ließ, da begriff man das Erstaunen des katholischen Geistlichen von Banz, da begriff man auch, daß Cotta es gewesen, der schon als Jüngling mit langem, lockigem Haar die deutsche Volkshymne componirt hatte. Wohl wurde sie auch in seinem Dörfchen gesungen; er hörte sie oft genug und lächelte still vergnügt, wußten die Sänger doch nicht, wem sie die kräftige Melodie zu danken hatten. Erst durch die Gartenlaube ist seine Autorschaft bekannter geworden.

Das Jahr 1858 brachte das Jubiläum der Universität Jena. Auch Cotta wanderte zur alten theuern Musenstadt und feierte das fröhlichste Wiedersehen mit so manchem seiner Jugendfreunde. Es war ihm dies einer der glänzendsten Lichtpunkte in seinem Greisenalter, ein zweiter das Burschenschaft-Jubiläum 1865 in Jena, welches ihm all’ die lieben Jugenderinnerungen wieder wach rief. Ein Jahr später, am 16. October 1806, kam sein eigenes Amtsjubiläum. Er mochte es nicht als rauschendes Fest, sondern nur im traulichen kreise der Seinen beim Schwiegersohn in Weimar begehen; als aber, nachdem der Vater, der Freund gefeiert war, dem deutschen Mann der burschenschaftliche Trinkspruch gebracht wurde:

Sind wir vereint zur guten Stunde,
Noch einmal stoßet fröhlich an.
Noch einmal kling’ es in die Runde:
Es lebe hoch der deutsche Mann!
Der Mann, der uns das Lied gegeben,
Das deutsche Lied voll Macht und Kraft,
Noch einmal soll er jubelnd leben,
Der Mann der deutschen Burschenschaft!

und in diesem Augenblicke, Allen unerwartet, ein Musikchor mit den Jubelklängen seines Vaterlandsliedes einfiel, wurde sein Auge von Thränen der Freude und Rührung feucht.

Und noch einmal sollte er, der immer noch lebensfrische Greis, im Geiste seiner Jugend und seines ganzen Lebens öffentlich hervortreten. Der October 1807 brachte jene „drei unvergeßlichen Octobertage“, die erst neulich ein Wartburgsjubilar in den Spalten dieses Blattes mit so wahren, frischen Farben geschildert. Cotta war es, der als Mitglied des Festcomités, als Alterspräsident an der Spitze des Ganzen stand. Er war es, der als Kneipwart den Vorcommers am Abend des 17. October im Erholungssaal zu Eisenach eröffnete und sich, bei fröhlichem Wiedersehen alter treuer Jugendfreunde, dem gemüthlichsten Verkehre hingab. Er war es endlich, der am 18. October vom Treppenaltan des Landgrafenhauses auf der Wartburg jene herzige Begrüßungsrede hielt, welche die soeben in Jena erscheinende Erinnerungsschrift der Gebrüder Keil „die burschenschaftlichen Wartburgfeste von 1817 und 1867“ veröffentlicht.

Als er seine Thüringer Berge, sein heimathliches Ruhla dort hinter den grünen Höhen, die Stadt Eisenach, in welcher einst seine Ahnin Cotta den Knaben Luther gepflegt und in welcher er selbst seine Bildung gewonnen hatte, als er die alten treuen, nun ergrauten Universitätsfreunde, die blühende akademische Jugend, die zum ersten Mal hier oben wieder wehende burschenschaftliche Wartburgfahne begrüßte, ihrer Verfolgung und endlichen Wiedererstehung und Wiederentfaltung gedachte und die jungen Burschen mahnte, der Fahne und ihren deutschen Farben allezeit treu zu bleiben, – da flatterte die Fahne und zeigte stolz ihren goldenen Eichenzweig, ihre schwarz-roth-goldenen Farben, da klirrten die Schläger der Präsides an einander, da blieb im großen, weiten Kreise in tiefer Bewegung wohl kein Auge trocken. Noch erlebte der wackere Alte die Freude, daß die Feier am flammenden Holzstoß auf dem Watenberge, der historischen Stelle der einstigen Bücherverbrennung, mit seinem Liede schloß, und entzückt lauschte er darauf vom Fenster des Gasthofes zum Rautenkranz dem „Gaudeamus igitur“ auf dem mit bengalischen Flammen erleuchteten Markte.

Wer konnte ahnen, daß jene Rede auf der Wartburg sein Schwanensang, jenes einzig-schöne Octoberfest seine letzte Freude sein werde?

Ein lange schon in ihm liegendes Leberleiden, verbunden mit heftigen Erkältungen, die er sich in pflichttreuer, aufopfernder Verwaltung seines geistlichen Amtes zugezogen, warfen ihn auf das Krankenlager, das er nicht wieder verlassen sollte. Am 18. März – gerade fünf Monate nach jenem 18. October 1807 und nur zwei Tage vor dem Tode Binzer’s, des Dichters der besten Burschenlieder – entschlief er und wurde am 22. März in die kühle, mit frischem Grün geschmückte Gruft gesenkt, zur Seite seiner heimgegangenen zweiten Gattin, der Schwester des berühmten Historikers Leopold Ranke.

So stirbt die „eiserne“ Jugend der Jahre 1813 und 1815, wie Gervinus sie nennt, die vaterländisch begeisterte alte Burschenschaft dahin. Wie viele sind schon abgeschieden! Auch ein Scheidler todt, – ein Hanitsch todt, – ein Binzer, ein Cotta todt, Einer geht nach dem Andern, aber nicht ohne eine große edle Verlassenschaft. Das Nationalbewußtsein, das sie wach gerufen und bewahrt, ist uns geblieben und hat das ganze deutsche Volk zu einer großen Burschenschaft gestaltet, welche der Verwirklichung ihrer heißen patriotischen Wünsche, der Erreichung ihres hohen nationalen Zieles mit jedem Tage näher rückt. Das von der Burschenschaft gewählte und geweihte Banner unserer großen nationalen Einigung, und auch das Lied dieser Einheit, die deutsche Volkshymne ist uns geblieben. So lange es ein deutsches Volk und deutschen Volkssinn giebt, wird auch das Kernlied unsers großen Patrioten Arndt erklingen, werden auch der Name Cotta und sein Andenken allezeit unvergessen und gefeiert sein und bleiben!

R. K.




Deutschlands große Industriewerkstätten.
5. Die Königin-Marienhütte bei Zwickau.

Engländer, nicht Deutsche, sprechen es offen aus, daß in England mit der Metallindustrie, dem ehernen Fundamente der englischen Industriemacht, letztere selbst sammt dem britischen Handel durch immer siegreichere Concurrenz gefährdet sei, und sie sehen neben der noch in der Wiege liegenden russischen und der riesig aufwachsenden nordamerikanischen vor Allem in der deutschen Metallindustrie ihren gefährlichsten Rivalen. Dieser große Triumph deutschen Geistes und Fleißes durch unsere Hütten- und Eisenwerke hat uns veranlaßt, ihnen bei der Darstellung unserer wichtigsten großen Industriewerkstätten die erste Stelle einzuräumen, und eben darum führen wir heute unsere Leser zu der Königin-Marienhütte, die zu diesem Triumph redlich beigetragen hat und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_283.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)