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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

einen eingebildeten Herrn der Schöpfung nannte, bestärkte Dich nicht auch das in dem Glauben an Deine Unfehlbarkeit? Und dennoch, hätte ich damals gedacht, Du würdest den Uebermuth wirklich so weit treiben und zum Vater gehen, so hätte ich Dich gewarnt und mir’s ernstlich verbeten, um Dir eine Beschämung zu ersparen. Denn ich war Dir herzlich zugethan, Gabriel, und wahrhaftig, Dein Weggehen, Dein Verstummen, die Todtenstille zwischen uns, das Alles hat mich anfangs geschmerzt. Ich hätte auf einen Brief von Dir freundlicher geantwortet, als Du verdientest. Hernach, als Monat auf Monat verstrich und wir nur aus dritter Hand hörten, Du seiest durchaus nicht in den Rhein gesprungen, sondern genössest Dein Leben mehr als je, – nun, da habe ich mir einen Vers darüber gemacht und bin, wie gesagt, wie mit manchem Anderen, auch damit fertig geworden, ganz und gar und für immer!“ – –

Sie schwieg, und sehr zur rechten Zeit. Denn unwillkürlich ausbrechende Thränen drohten zu verrathen, daß sie nicht an Alles glaubte, was sie sagte, und nicht mit Allem so fertig war, wie sie ihm und sich selbst einreden wollte. Er aber stand wie vernichtet und fand keine Worte, sich zu rechtfertigen. Ein paar Mal lag es ihm auf der Zunge, ihr zu sagen, daß er all’ die stummen Jahre hindurch nur von der Hoffnung gelebt habe, er sei durch ein unzerreißbares Band mit ihr verbunden, sie könne so wenig je einem Anderen gehören, wie er ein Glück ohne sie zu denken vermöge. Aber eben diese Zuversicht machte sie ihm ja zum Verbrechen! Und hatte sie nicht auch Recht? Worauf durfte er seinen felsenfesten Glauben bauen? Was hatte sie ihm je gesagt oder gethan, das über die vertrauliche Munterkeit eines verwandtschaftlichen Verkehrs hinausging?

Aus dieser armsünderhaften Stimmung, in der er jede Strafe gern über sich hätte ergehen lassen, schreckte ihn plötzlich der scharfe Ton der Hausglocke auf, der einen Besuch ankündigte. „Ich will gehen, Cornelie,“ sagte er. „Ich thue besser, die Eltern nicht abzuwarten. Ob ich überhaupt wiederkomme, weiß ich noch nicht. Es scheint mir in diesem Augenblick sehr überflüssig, da ich nun über Vieles anders denke. Indessen will ich es nicht verschwören. Niemand weiß, wie weit seine Kräfte reichen.“

„Gabriel,“ sagte sie mit plötzlich besänftigter Stimme und wandte sich nach ihm um, „es thut mir leid, daß ich Dir das habe sagen müssen. Aber es war mir so um’s Herz und ich war Dir die Wahrheit schuldig. Gieb mir nun die Hand und laß das Alles zwischen uns wie nicht gesagt und geschehen sein. Wir fangen eben von vorn miteinander an, ich bin Dein Bäschen, Du mein Vetter; bist Du das zufrieden?“

Er sah ihr mit einem tieftraurigen Ausdruck in die Augen, als ob er, ehe er in ihre Hand einschlug, erforschen wolle, wie sie es meine; da, noch ehe er darüber in’s Klare gekommen war, öffnete sich die Thür, und ein eleganter junger Mann trat mit heiterer Sicherheit, wie wenn er hier zu Hause wäre, ein, verneigte sich gewandt vor Cornelien, der er die Hand küßte, und begrüßte den Fremden mit einem etwas kühlen Seitenblick. Cornelie stellte ihn dem Vetter als einen Freund des Hauses vor, den Sohn eines Geschäftsfreundes ihres Vaters aus Bordeaux, der, um deutsche Verhältnisse kennen zu lernen, seit einigen Monaten sich hier aufhalte. Gabriel beobachtete sie unverwandt. Jede Spur des aufgeregten Gesprächs schien aus ihrem Gesicht wie weggeweht, sie führte im muntersten Französisch die Unterhaltung mit dem geistvollen jungen Franzosen, und als sie merkte, daß Gabriel stumm dabei saß, schlug sie plötzlich vor, die provençalischen Volkslieder mit ihm zu singen, die der Gast ihr neulich gebracht habe. Sogleich setzte sie sich an den Flügel, sich selbst zu begleiten, aber die Stimme gehorchte ihr nicht wie sonst. Die verschluckten Thränen rächten sich. Nun drang sie in den Franzosen, allein zu singen, während sie ihn begleitete, und ließ sich vor jedem Liede die Worte, die ihr fremd waren, übersetzen, mit einem Eifer, als lägen ihr diese Sprachstudien wunder wie sehr am Herzen. Der Fremde schien es durchaus nicht für nöthig zu halten, seiner lebhaften Verehrung für das schöne Mädchen irgend Zwang anzuthun, weil ein stummer Dritter zugegen war. Er enthielt sich jeder directen Galanterie in Worten; aber jede Geberde, jeder Blick, der Ton seiner Stimme, das Lachen, mit dem er auf ihre Scherze einging, sprachen alle nur das Eine aus: Ich bin überglücklich in Deiner Nähe zu sein; mache mit Deinem Sclaven was Du willst!

(Fortsetzung folgt.)




Die Metzger und ihr Brunnen.

Wenn Literatur und Malerei sich in unserer Zeit fortwährend bestreben, das Leben des deutschen Volkes in Schrift und Bild mit glücklichem Humor zu feiern, und namentlich dem Handwerkerstand ein Interesse an sich selbst, an seinen Gebräuchen und Besonderheiten zu geben, so hat die Bildhauerkunst in größeren Werken noch wenig oder keine Beiträge dazu geliefert. Ist es doch in ihr recht schwer, beim Humor die Schönheit der Formen festzuhalten, den Naturalismus nicht zur Caricatur herabsinken zu lassen. Die deutschen Bildhauer des Mittelalters nahmen es mit ihren Humoresken zum Theil nicht so genau wie wir. Sie opferten der Wahrheit und Charakteristik gar oft die Schönheit.

Unter allen Gegenständen des täglichen Gebrauchs eignet sich wohl keiner zu heiterer, volksmäßiger Ausschmückung so gut, als der Brunnen. Der Bildhauer Conrad Knoll in München, bekannt durch seinen Tannhäuserschild, seine Heroen-Statuen am Rathhaus zu München, Palm-Standbild zu Braunau, Wolfram von Eschenbach zu Eschenbach etc., hat neuerdings in seiner ebenso schönen als originellen Ausschmückung des Fischbrunnens eine heitere Sitte der Münchener Bürgerschaft in sinniger Darstellung verherrlicht, die in einer nicht unbedeutenden geschichtlichen Begebenheit Baierns wurzelt und den deutschen Süden mit seiner naturkräftigen Lebenslust vortrefflich charakterisirt. Diese Sitte heißt der Metzgersprung und ihre Entstehung ist, wie die Chronik berichtet, in der Stadt Nürnberg zu suchen.

Als im Jahre 1346 eine Partei gegen Ludwig den Baier, zu Gunsten Karl des Vierten sich gebildet hatte, beschlossen mehrere Nürnberger Zunftmeister die Anhänger Ludwig’s zu überraschen, und zur Verabredung der Art und Weise hatte man sich am 15. Februar 1346 am Schönen Brunnen zusammenbestellt. Zwei Metzgerjungen aus München, Sewald Snyder und Michael Tumbläger, aber versteckten sich trotz der Kälte in den Brunnen, hörten Alles mit an, erkannten die Verschworenen, theilten das Vorhaben ihren Meistern mit und retteten die Stadt dem Kaiser Ludwig.

Dieser gab darauf der Metzgerzunft in Nürnberg das Privilegium, alljährlich am Faschingstag ihre Lehrlinge öffentlich frei zu sprechen. Als nun die zwei jugendlichen Retter des Vaterlandes als Meister nach München zurückkehrten, führten sie dieselbe Sitte in der Residenz ein. Anfangs nur im Keller gehalten, wurde sie nach einer neuen Fleischerordnung und Metzgerzunft öffentlich und litt nur in den Jahren 1463, 1515 und 1517 durch die Pest eine Unterbrechung. Selbst als die Seuche vorüber war, fürchtete sich Jedermann auf der Straße ohne Noth zu erscheinen; die Stadt glich der Oede eines Kirchhofes. Da machten die Metzger einen rühmlichen Anfang, neue Lebenslust hervorzurufen. Tanzend zogen sie durch die Straßen der Residenz, um zu beweisen, daß die Luft wieder rein sei, und sprangen in den Brunnen, zu zeigen, daß auch das Wasser keine giftigen Stoffe mehr berge; hierauf wagten sich denn die übrigen Bewohner auch wieder heraus. Nun wurde während drei Jahrhunderten bis aus die neueste Zeit das heitere Spiel des Metzgersprunges jährlich wiederholt. Einige Lehrlinge der ehrbaren Zunft erhalten zu ihrer Standeserhöhung das frische Brunnenbad, sie ziehen mit Musik in fröhlichem Zuge durch die Stadt zum Fischbrunnen, und ein Altgeselle bringt nach der lustigen Einweihung den neuen Freigesprochenen und der Stadt mit einem Becher Wein ein Lebehoch.

Diese Scene nun hat der Künstler an dem neuen Fischbrunnen, den man statt des alten schadhaften zu setzen beschloß, auf echt künstlerische Weise dargestellt.

Das Brunnenmonument ist gleichsam in drei Stockwerken aufgebaut. Das untere, der Sockel von röthlichem Marmor, erhebt sich aus einem achteckigen Brunnenbassin von grauem Granit. Ueber diesem baut sich in schönen architektonischen Verhältnissen eine gleichfalls achteckige Säule auf, welche von den verschiedenen Gruppen, Figuren und Ornamenten umgeben und geschmückt ist. Aus dem ersten Theile dieser Säule fließt und springt das Wasser aus Löwenköpfen und Delphinen in Muscheln oder in das große


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