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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Wissenschaft, der Rhinologie (von dem griechischen „Rhin“ die Nase) zusammenschmelzen und läutern lassen mag. Wir wollen für diesen edlen Zweck wenigstens einige Hauptnasen zum Besten geben und zwar ohne heimtückische Absicht, den Lesern eine damit machen zu wollen.

Figur 1.

Um uns nicht bei allgemeinen Betrachtungen aufzuhalten oder in die komische Seite des Themas zu verlieren, z. B. daß wir Menschen von dem Schöpfer überhaupt als Vorzug vor den Thieren (wovon Nasenaffen und das Rhinoceros nur eine scheinbare Ausnahme machen) eine Nase gekriegt haben oder daß nach Abraham a Santa Clara die Nase im Alter zum Kalender wird und feuchtkaltes Wetter andeutet, wollen wir zunächst den Finger an die Nase legen, um dadurch unsern Scharfsinn für Untersuchung folgender Fragen zu wetzen: mit welchen Eigenthümlichkeiten des Charakters steht die Nase in ihren verschiedenartigen Formen in Verbindung? Sie ist bekanntlich das eigentliche Vorgebirge der

Figur 2.

Gesichtslandschaft und läßt sich mit der Spitze eines abgestumpften Keiles vergleichen, zu welchem der Kopf den Schaft bildet. Ihr Amt als Riechwerkzeug und Lungenschornstein kommt hierbei nicht in Betracht; sie gilt uns hier nur als ein vorgestrecktes Ausdrucksorgan für den sich äußernden inneren Charakter des Menschen und die Art und Weise dieser Offenbarung, also für sein Benehmen und Auftreten in Gesellschaft. Man kann dem Menschen Vieles, aber durchaus nicht Alles an der Nase ansehen. Zur wahren Menschenkenntniß gehört eben mehr. Aber die Neigungen, die Grade der Energie für sein Handeln und der Reizbarkeit oder Geduld und Selbstbeherrschung prägen sich vielfach in der Bildung der Nase aus. Wie nämlich die mittlere Partie des Kopfes mit den Wangen unseren: Gefühl, unserem eigentlichen Ich mit all’ seinem inneren Leben entspricht,

Figur 3.

so verräth die daraus hervortretende Nase je nach ihrer Gestaltung die verschiedenen Neigungen zum Heraustreten unseres Ich, unserer Persönlichkeit gegen unsere Umgebung, und zwar für den Kenner um so deutlicher, als wir auch bei der ausgebildetem Gesichtsschneidekunst die Nase wenig oder gar nicht nach unserem Willen bewegen können. Man kann wohl durch verschiedene Mittel Anderen eine Nase drehen, aber am allerwenigsten durch die eigene. Bei der soliden Naseweisheit kommt es zunächst auf die Größe dieses Ausrufungszeichens im Gesicht an. Sie deutet die Stärke des Triebes zur Bethätigung nach Außen im Allgemeinen an, sodann auch der Sprache und den Grad der Neigung des Gemüthes, in Rede und Handlung auf die Außenwelt einzuwirken.

Figur 6.

Die Sprache ist schon aus akustischen Gründen bei einem größeren Resonanzboden der Nase stärker, wobei wir nur beiläufig bemerken wollen, daß das sogenannte Sprechen durch die Nase seltener ein Naturfehler, als Folge von Vernachlässigung und einer egoistisch-spöttischen Ueberhebung ist, weshalb auch fast alle Amerikaner und eingebildete Aristokraten häßlich näseln.

Als Regel hat das männliche Geschlecht mit mehr Energie auch eine größere Nase, als das weibliche, und wehe dem Manne, welcher der Amazonen- oder Feldherrnnase seiner zarteren Hälfte nicht einen bedeutend größeren Zinken entgegenstrecken kann! Zwar nicht ein Damoklesschwert, wohl aber ein mächtiger Pantoffel schwebt immer drohend über seinem untergeordneten Riecher, wenn nicht etwa ein stark hervortretender Unterkiefer ihn für die stiefmütterliche Ausbildung seiner Nase entschädigt. Männer, welche sich hierbei an die Nase fassen und sie vergleichungsweise groß finden, mögen darüber nicht zu früh triumphiren, denn die große Nase allein schützt durchaus nicht vor dem Pantoffel, um so weniger, je stärker die Nase nach vorn und je mehr das Kinn

Figur 7.

zurücktretend erscheint, wie an dem Profile,

das wir mit Fig. 1 bezeichnet finden.

Wie in unseren Militärstaaten sich der Kriegerstand durch entschiedenes und freies Benehmen auszeichnet, finden wir auch unter ihnen die größten und ausgebildetsten Nasen, und selbst der platt- oder stumpfnasige Bauernjunge kehrt aus seiner zwei- oder dreijährigen Dienstzeit mit einer besser formirten Nase zurück. Die Juden concurriren mit den Officieren nur scheinbar, da bei ihnen der obere Theil der Nasenwurzel, aus welchem der persönliche Muth spricht, nur sehr schwach ausgebildet ist. Die große Nase ohne dieses Muthzeichen verkündet nur den sich in Alles mischenden Schwätzer, wie wir es dem Profile Figur 7 ansehen, während die eigentliche Heldennase des unternehmenden

Figur 8.

und energisch handelnden Menschen, sich dadurch auszeichnet, daß die Wurzel sich im Profile hoch aus dem Grunde des Gesichts hervorhebt. Man vergleiche für diesen Zweck die Nasen Napoleon’s, Cäsar’s, Apollo’s, Diomed’s (Fig. 6), die Hercules-, Menelaos (Fig. 3) und Achillesnase (Fig. 2) mit der des geschwätzigen und muthlosen Paris (Fig. 7). Um es kurz zu fassen, werden Menschen mit überhaupt großen Nasen immer verhältnißmäßig energischer, ruhiger und kaltblütiger in allen ihren Lebensthätigkeiten und Aeußerungen erscheinen, als kleinnasige. Freilich ist Größe noch ein sehr allgemeiner Begriff, mit dem allein sich wenig anfangen läßt, da Alles wesentlich auf die Art und Form der Größe und die Verhältnisse zu anderen Gesichtstheilen ankommt. Um die Größe selbst genauer zu messen, kommt es

Figur 9.

auf die Höhe, d. h. die senkrechte Entfernung der Linien vom Anfange bis zum Ende der Nase (a – b in Figur 1), auf die Breite und die Tiefe, d. h. die Länge der Linie von der äußeren Grenze bis zur Backe (e – d in Figur 4) an. Die Höhe steht ziemlich sicher in gleichem Verhältniß mit dem Grade der Kraft in Ertragung von Gemüthseindrücken und in der Geduld, sich Alles gefallen zu lassen. Da nun eine bloß hohe Nase ohne Tiefe und Breite weiter nichts ist, als eine lange Nase, können wir uns nicht wundern, daß viele Menschen mit einer solchen abziehen müssen. Der Michel, der sich Alles gefallen läßt, hat bloß die Nase von Fig. 8, wogegen Menschen mit reizbarem ungeduldigem Wesen sowohl eine kürze als meist concave, d. h. nach innen abfallende Nase haben, wie die Profile 9 und 10. Doch kann ein solcher Nasenbesitzer auch viel Energie, Lebhaftigkeit und heiteren Sinn entwickeln, besonders wenn sich Fig. 9 noch mehr zum naiven. „Guck in die Welt“ und Stumpfnäschen gestaltet.

Figur 10.

Die ewig Unzufriedenen, besonders die gewerbsmäßigen politischen Weltverbesserer haben weder feine noch hohe Nasen, sondern wohl immer entschieden niedrige. Ueberhaupt hängt Zufriedenheit mit der Höhe der Nase zusammen und zwar meist zugleich mit dem Unterkiefer. So fehlt z. B. allen Personen mit einem Gesicht wie Fig. 8 das Wesen der eigentlichen Leidenschaften, ohne welche nach Hegel nichts Großes geschehen kann.

Die breite Nase deutet fast immer auf bedeutende Körperkraft und Mangel an Eleganz und Feinheit in der Bewegung, so daß der Besitzer einer solchen eher in den Kampf und zu Herculesarbeiten paßt, während der Feinnasige sich durch geistige, namentlich Verstandesarbeit und auch im Salon leicht auszeichnen wird. Gehört die feine und kleine Nase einem Mörderangesicht, so wählt er als Werkzeug den Dolch, der Verbrecher mit breiter Nase dagegen die Axt oder Keule.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_377.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)