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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

darüber. Alle die schönen Damen interessirten sich für den Prinzen und jede war in ihrem Herzen eifersüchtig bei dein Gedanken: es könne eine Dame sein, welche seine rasche Entfernung von Magdeburg bewirkt habe.

Fort war er. Das war ein nicht abzuleugnendes Factum. Aber wohin?

Vier Tage unterhielt man sich in Magdeburg von nichts Anderem, als vom Prinzen Louis Ferdinand. Und die Wucherer gingen mit gar ernsten und traurigen Gesichtern umher und erkundigten sich an jedem Morgen bei dem Haushofmeister des Prinzen, ob er noch nicht wisse, wohin die königliche Hoheit gegangen, und ob es wohl wahr sei, daß er vom König nach Berlin berufen worden?

Und der Haushofmeister, der selber nichts wußte, machte ein ernstes und bedenkliches Gesicht und sprach von wichtigen Missionen und besondern Aufträgen des Königs, die der Prinz auszuführen habe.

Das tröstete die Wucherer ein wenig; denn wenn der König den Prinzen mit wichtigen Missionen betraut hatte, so konnten sie vielleicht hoffen, daß Se. Majestät auch nachher die Schulden des Prinzen bezahlen werde. Und so beruhigten sie sich und hofften, gleich den schönen Damen, gleich ganz Magdeburg, auf die baldige Wiederkehr des Prinzen.




2. Ludwig Preuß.

In der Schmiede des Meisters Kleemann in Burg ging es heute wie alle Tage sehr arbeitsam zu. Die Schmiede war nach dem Garten zu gelegen und durch die geöffnete Thür derselben sah man die dunkelrothen Feuergluthen auf dem Heerde und die kräftigen schwarzen Gestalten, die hinter dem Ambos standen und mit den großen Zangen das glühende Eisen auf dem Ambos hielten, das sie mit schweren Hämmern bearbeiteten. In gleichmäßigem Tact fielen die Hämmer nieder auf die Ambose und es schien den Gesellen Freude zu machen, diese Hammerschläge, gleichsam wie in einer Melodie, einen nach dem andern ertönen zu lassen.

Der Meister Kleemann nahm den ersten Platz an dem großen Ambos ein und ging seinen Gesellen voran mit einem guten Beispiel in der kräftigen Bearbeitung des glühenden Eisens. Kein Wort ward gesprochen, nur das Feuer knisterte in der Esse, die Hämmer schlugen ihre Tacte und draußen im Garten in der dichten Fliederlaube saß die Tochter des Meisters, die schöne Cläre Kleemann, brach mit geschäftigen Händen die grünen Bohnen, die in der Schürze in ihrem Schoß lagen, und warf die gebrochenen und abgehäuteten in den irdenen Napf, der vor ihr auf dem weißen Holztische stand. Sie war der Hammerschläge und des Getöses schon gewohnt, daß sie es gar nicht mehr hörte und lustig und frisch für sich ein Liedchen sang, welches wie fröhlicher Lerchenklang durch die Luft schallte.

Auf einmal, mitten im Lied, verstummte sie und blickte mit ihren großen blauen Augen erstaunt nach der Gitterthür, die von der Straße hereinführte in den Garten. Da stand ein junger Mann in einfacher bürgerlicher Tracht, aber von hoher, stolzer Gestalt und mit einem Angesicht, so frisch und so schön, und mit Augen, so groß und so glänzend, daß es der Cläre war, als schauten sie ihr tief in das Herz hinein. Der Fremde blieb stehen und schaute forschend in dem Garten umher, als suchte er Jemand. Die Cläre hatte sich erhoben und die Zipfel ihrer Schürze aufraffend, damit die Bohnen nicht herunterfielen, trat sie an den Eingang der Laube.

Die großen braunen Augen des jungen Mannes hatten sie sofort entdeckt und er eilte zu ihr hin.

„Das ist die Jungfer Kleemann, nicht wahr?“ fragte der junge Mann mit einem leichten Neigen des Kopfes.

Und Cläre erröthete, denn sie fand die Manieren und den Gruß des Fremden gar zu vertraulich und beinahe beleidigend.

Es ärgerte sie, die Tochter des reichen Meisters, daß der, welcher sicherlich nichts weiter war, als ein wandernder Handwerksbursch, so ungenirt sich zu ihr benahm.

„Ja,“ sagte sie mit einem etwas schnippischen Ton, „ja, das ist die Jungfer Kleemann! Und weiter, wenn’s beliebt. Hat Er vielleicht Bestellungen an mich, oder will Er blos, wie ich denke, meinen Vater sprechen und von dem Meister Kleemann etwas fordern?“

„Vielleicht auch das,“ nickte der junge Mann. „Aber zuerst wollte ich die Jungfer Kleemann selber sprechen, die schöne Cläre, und ich biete Ihr die Hand zum guten Tag.“

„Thut mir leid,“ sagte sie unwillig, „nehme nicht von Jedermann die Hand und es hat Niemand das Recht, mich bei meinem Vornamen zu nennen, wenn ich ihn nicht kenne.“

„Aber ich kenne Sie, Jungfer Kleemann,“ sagte der junge Mann.

Und indem er sie betrachtete, mußte etwas Magnetisches in seinen Augen liegen, denn sie hob ganz wider ihren Willen, wie es schien, den Blick empor und begegnete dem seinen. Und da erröthete sie. Denn in diesen Augen stand geschrieben, was sein Mund nicht sagte: „Du bist schön, Cläre, bist wunderbar schön und Du gefällst mir sehr.“

„Ich habe Ihr einen Gruß zu bringen, Jungfer!“ sagte der junge Mann.

„Einen Gruß? Von wem, Herr?“

„Von Ihrem Bräutigam aus Magdeburg, dem Soldaten Hans Werner.“

„Hat er Ihnen gesagt, daß er mein Bräutigam ist?“ fragte sie.

„Ja, schöne Jungfer! Und er hat mir noch mehr gesagt. Hat mir gesagt, daß Ihr nichts von ihm wissen wolltet, und darüber ist er traurig geworden und ganz desperat, und in seiner Desperation hat er mit mir gesprochen und mir sein ganzes Unglück anvertraut. Ich war bis jetzt ein Camerad von ihm, stand auch in Magdeburg als Soldat, aber, Gott sei Dank, meine Dienstzeit ist um. Und wie er nun hörte, daß ich nach Burg ginge, da hat der Hans Werner mir Alles geklagt und mich gebeten, zu Euch zu gehen und ein gut Wort für ihn einzulegen.“

„Bemühe Er sich nicht,“ sagte sie, das Haupt zurückwerfend. „Es ist schon manches gute Wort von Vater, Mutter und Freunden eingelegt und hat nichts geholfen. Wüßte nicht, wie der fremde Monsieur dazu kommen sollte und was es helfen könnte!“

„Aber warum mag Sie denn den Hans nicht?“

„Geht Ihn nichts an!“ sagte sie schnippisch, indem sie ihm den Rücken zukehrte.

Der junge Mann aber, statt sich dadurch beleidigt zu fühlen, lachte vor Vergnügen und stand mit einer raschen Bewegung nun gerade wieder vor ihr.

„Geht mich nichts an! Das ist wahr, schöne Jungfer. Aber ich wüßte es doch gern. Warum mag Sie den Hans nicht?“

„Nun, wenn Er es doch durchaus wissen will, um es ihm wieder zu sagen: weil er mir nicht gefällt! Und jetzt ist es genug, – habe die Ehre, mich zu empfehlen, Monsieur.“

Sie machte ihm einen leichten schnippischen Knix, trat wieder in die Laube zurück und begann wieder geschäftig ihre kleinen Händchen zu rühren und die Bohnen zu schneiden und abzuziehen.

Der junge Mann schaute ihr einen Moment mit sichtlichem Vergnügen zu und hätte es vielleicht noch länger gethan, wenn nicht Meister Kleemann eben aus der Schmiede hervorgetreten und mit raschen Schritten zu ihm herangekommen wäre.

„Sucht Er mich, Monsieur?“ fragte der Meister mit einem stolzen Kopfnicken, wie es wohl einem ehrbaren Zunftmeister geziemt gegen einen jungen Menschen, der wahrscheinlich kommt, um Arbeit zu suchen.

„Ja, Meister Kleemann,“ sagte er, und es gefiel dem Meister gar nicht, daß der junge Mensch auch nur mit einem kurzen Kopfnicken antwortete und gar nicht ehrerbietig war. „Ja, ich suche Euch. Ich möchte bei Euch in die Lehre gehen.“

Meister Kleemann schaute mit verwunderten Blicken die lange, schlanke Gestalt an und schüttelte dann langsam den Kopf.

„Schnurriger Gedanke! – in die Lehre gehen! – Mir scheint, zu einem Lehrburschen seid Ihr schon zu sehr ausgewachsen. Wenn man so lang ist wie eine Bohnenstange, kann man keinen Sprenkel mehr abgeben.“

Der junge Mensch lachte laut auf. „Ihr erklärt mich für eine Bohnenstange. Ein allerliebster Gedanke! – Aber seht, die Bohnenstange hätte doch Lust, sich zu einem Sprenkel zusammen zu krümmen und bei Euch in die Lehre zu treten.“

Meister Kleemann zog die Augenbrauen zusammen und sah den Verwegenen, der mit lachendem Munde vor ihm stand, gar grimmig an.


(Fortsetzung folgt.)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_388.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)