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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

der größte Theil der Kaiserlichen wurde hier niedergemetzelt. Diejenigen, welche von den Betháren aufgegriffen wurden, ließ Rósza Sándor oder, wie Andere behaupten, Noszlopy aufknüpfen, es sollen sechsundzwanzig (? d. R.) gewesen sein, für jeden der durch die Oesterreicher hingerichteten Ungarischen Generale zwei Oesterreicher. Die Nachrichten über dieses Gefecht wurden von der kaiserlichen Regierung so gut wie möglich vertuscht, dennoch erfuhren wir in London Alles, trotzdem daß die österreichischen und ungarischen Zeitungen hierüber das tiefste Stillschweigen beobachteten. Rósza Sándor ließ einmal die kaiserlichen Gensd’armen hart an sich herankommen, es war vor dem Thor des Hortobágyer Wirthshauses; erst als sie auf Sprachweite waren, rief er ihnen ein „Eljen Kossuth!“ zu, schwang sich in den Sattel und war davon gesprengt.

Bis zum Jahre 1853 stand Rósza Sándor sowohl mit Noszlopy als mit Kossuth selbst – mit letzterem freilich nur mittelbar - in Verbindung; es ist gewiß, daß sowohl der Erstere als der Letztere von Kossuth Ernennungen, und zwar Noszlopy als Statthalter von Ungarn, Rósza als General, erhielten, wogegen alles das, was über die von ihm begangenen oder auf sein Geheiß vollzogenen Mordthaten geschrieben und gedruckt wurde, in den Bereich der Unwahrheiten gehört; es hat sich niemals herausgestellt, daß er selber Jemanden ermordet hätte, kein einziger der Zeugen, die ihm bei seinem Verhöre entgegengestellt wurden, sagte es, und nur diesem Umstand hat er es zu verdanken, daß die vom Gerichtshöfe gegen ihn ausgesprochene Todesstrafe auf dem Wege der Gnade in jene der lebenslänglichen Gefangenschaft verwandelt wurde. Auf welche Art er in die Hände der Gensd’armen gerieth, wie er verurtheilt worden, wo er gefangen sitzt, wenn das Gerücht seiner Begnadigung falsch sein sollte, sind zu allgemein bekannte und durch Zeitungen veröffentlichte Thatsachen, als daß sie hier neuerdings aufgewärmt werden sollen. Rósza Sándor überlebte die meisten seiner Genossen, wie den Regierungscommissär Noszlopy, welcher im Jahre 1854 hingerichtet wurde, Joseph Geszten, welcher im Comitätskerker zu Nagy Kálló starb, Patkó, der im Jahre 1863 gefangen und hingerichtet wurde, und endlich den alten Bogár und sechs seiner Söhne, welche ebenfalls theils standrechtlich hingerichtet wurden oder im Kampfe gegen die Gensd’armen und Comitatspanduren fielen.

So sind wohl auch die meisten übrigen der damaligen Betyáren gefallen; doch das Betyárenthum selbst besteht noch jetzt. Ob es aber einem geregelteren Staatsleben und geordneteren Rechtsschutz, wie die jüngste Zeit Beides mit dem gesammten österreichischen dem Volk und Lande der Ungarn verheißt, Trotz bieten wird? Darüber hat die Zukunft allein zu entscheiden.




Blätter und Blüthen.

Die Hofkirche zu Gotha ein Gretna-Green. Dr. August Beck erzählt in seiner so eben erschienenen Geschichte der Regenten des gothaischen Landes folgenden Zug der Freisinnigkeit des regierenden Herzogs Ernst von Coburg-Gotha in Kirchensachen: Als im Jahre 1857 preußische Geistliche im Widerspruch mit dem preußischen Landrecht sich weigerten, gerichtlich geschiedene Eheleute bei einer zweiten Verheirathung einzusegnen, und selbst der preußische Oberkirchenrath Bedenken trug, einer solchen zweiten Ehe die kirchliche Sanction zu ertheilen, bat ein preußischer Beamter das Oberconsistorium zu Gotha, ihm zu gestatten, daß seine zweite Trauung in der Hofkirche zu Gotha vollzogen werde. Der Staatsminister von Seebach, der in der Sache mit dem Oberconsistorium einverstanden war, legte dieselbe doch dem Herzoge zur endgültigen Entscheidung vor, mit dem Bemerken, daß die Gestattung der Bitte nicht ohne Consequenzen bleiben, die Hofkirche vielmehr in deren Folge zu einem Gretna-Green werden könne. An den Rand dieser Vortragserstattung, schrieb der Herzog eigenhändig: „Die vorgetragene Angelegenheit gehört in den Bereich der Fälle, wo die protestantisch-ultramontane Kirche ungeachtet der gesetzlichen Bestimmungen neue Regeln aufzustellen sich bemüht und die gewichtige Hand ihrer Macht die einzelnen Individuen nach Willkür fühlen läßt. Ich halte es von dem von mir eingenommenen Standpuncte aus für eine freudige Pflicht, nicht nur offen jener Kirchenpartei entgegenzutreten, sondern auch in Fällen wie der gegenwärtige den unterdrückten Glaubensgenossen Beistand zu leisten. Stehen bei uns keine gesetzlichen Bestimmungen entgegen, so mag in Gottes Namen die Hofkirche ein Gretna-Green werden.“

Und sie wurde es für viele geschiedene Eheleute, die im preußischen Staate die kirchliche Sanction zu ihrer Wiederverheirathung nicht erlangen konnten.

B b.




Eine Freundschaft auf – Gegenseitigkeit. Mein Bruder, ein Oekonom in der Nähe Leipzigs, besitzt zur nächtlichen Bewachung seines Besitzthums einen Kettenhund, der sich durch seine Wildheit ebenso sehr, wie durch seine Abneigung gegen alle anderen Thiere des Gehöftes, besonders das Federvieh, bemerklich macht. Hinsichtlich letzterer Eigenschaft jedoch macht er zum nicht geringen Erstaunen der Hausbewohner bei einer Henne von ganz gewöhnlichem Schlage eine Ausnahme. Nicht blos, daß genannter Hund derselben gestattet, an seiner jedesmaligen Mahlzeit zu participiren, er schenkt ihr auch seine Freundschaft im Umgang und seinen Schutz in der Hütte.

Diese auffallende Erscheinung klärte sich endlich nach langer Beobachtung durch folgende interessante Thatsache auf. Jene so bevorzugte Henne nämlich fand dann besonders Schutz und Aufnahme in der Hütte, wenn sie – gewöhnlich am Vormittage – ein Ei zu legen beabsichtigte. Freundlich bewillkommnet schlüpft sie alsbald in die Hütte, wo sie im hintersten Theile derselben sich ein Nest, so gut es immer geht, bereitet, der Hund aber - legt sich an den Ausgang der Hütte, um seine Freundin den Blicken habsüchtiger Menschen zu entziehen. Ist das Ei gelegt, so verzehrt er es schnell und entläßt dann seine Freundin mit allen Zeichen der Freude und Erkenntlichkeit, deren ein Hund ja in so reichem Maße fähig ist. Die Henne aber fordert darauf beim Mittagsbrod von ihrem Freunde ein ähnliches Aequivalent, das ihr auch gern gewährt wird.

L.




Die Wallfahrt zum Schillpark bei Braunschweig ist eine freie Huldigung der Vaterlandsliebe, welche an jedem einunddreißigsten Mai – Schill’s Todestage – viele Bewohner der herzoglichen Welfenstadt vereinigt, um „Deutschlands trüber Zeit“ und ihrer unglücklichen Opfer zu gedenken. Das Denkmal, welches im Jahre 1836 Schill und den hier standrechtlich erschossenen vierzehn Männern und Jünglingen seiner Schaar (vergl. diesen Jahrg. S. 158) errichtet worden ist, wird sammt Capelle und Wächterhäuschen von einem kleinen Parke umgeben. Das Thürmchen der Capelle trägt eine Glocke, welche alljährlich an Schill’s Todestage Morgens, Mittags und Abends, jedes Mal in drei Pausen, geläutet wird. Bis jetzt ist ihr Laut noch nie vergeblich erklungen: Park und Capelle werden nicht leer an diesem der Erinnerung ihrer Todten geweihten Tage. Den Hauptschmuck des Inneren der Capelle bilden Neben der trefflichen Bronzebüste Schill’s die lebensgroßen Oelbildnisse des Erzherzogs Johann, Andreas Hofer’s und des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig. Außer allerlei Waffen- und Uniformstücken, Briefen, Wappen der Schill’schen Officiere und sonstigen Erinnerungszeichen an jene Zeit, die in der Capelle aufgehoben werden, birgt das Piedestal des Denkmals Schill’s Haupt, während sein Körper in einem Friedhofe Stralsunds vermodert:

Für die Herausgabe von Schill’s Haupt aus der anatomischen Sammlung zu Leyden, wo es bekanntlich fast ein Vierteljahrhundert in Spiritus aufbewahrt und als Rarität gezeigt worden, sowie für die Herstellung des Denkmals und seines Parks und der Sammlung für die Capelle hat sich die größten Verdienste ein Mann erworben, der ebenfalls nicht vergessen werden darf: Herr v. Bechelde. Ihm hat noch mancher der eisgrauen Helden des Kampfes vom Jahre Neun die Hand dafür gedrückt, und einem jener Männer, Herrn E. Heusinger, Officier a. D. in Braunschweig, verdanken wir die Mittheilung dieser Kunde.




Erklärung. Wie uns von mehreren Seiten mitgetheilt wird, findet sich in verschiedenen süddeutschen Blättern das nachstehende Inserat:

„Für nur 1 Gulden

wird nachgewiesen, wie sich ein Jeder, vermittelst eines ‚Geheimnisses’ und einer ,höchstwichtigen Erfindung’ mit 35 fl. alljährlich ein sicheres Einkommen von mindestens 1000 fl. verdienen und ersparen kann.

Briefe franco an

Ferd. Marquard,
Gesell im preuß. Voigtlande, Prov. Sachsen.

Nachschrift: Die Erfindung ist von der Gartenlaube zu Leipzig zur Ueberzeugung, daß die Sache auf größter Reellität beruht, theilweise angekauft und durch dies weit verbreitete Blatt außer Nord-Deutschland in Polen, Schweiz, Holland, Süd-Rußland etc. eingeführt. Hochachtungsvollst

Ferd. Marquard.

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Wir sehen uns hierdurch genöthigt, die Angabe des Herrn Marquard, als haben wir sein „Geheimniß theilweise angekauft“, als eine freche Lüge, zu erklären und zu versichern, daß wir bereits die nöthigen gerichtlichen Schritte veranlaßt haben, einem solchen unverschämten Mißbrauche unseres Namens zu begegnen.

Die Redaction.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_400.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)