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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 26.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Prinz oder Schlossergeselle.
Historische Novellette von Louise Mühlbach.
(Fortsetzung.)


„Seid wohl schon drüben in der ‚rothen Birne‘ gewesen,“ fragte Meister Kleemann den jungen Menschen, „und habt Einen über den Durst genommen?“

„Nein, Meister, – ich habe noch gar nicht getrunken und es ist mein Ernst: ich möchte bei Euch in die Lehre gehen. Nicht als Lehrbursche, – ich möcht’ nur ein Bischen von Eurem Handwerk lernen, so ein paar Kunstgriffe. Ich möchte es verstehen, das glühende Eisen auf dem Ambos zu bearbeiten und einen tüchtigen Brettnagel zu schmieden. Wollt Ihr mich annehmen zu Eurem Lehrburschen? das heißt, verstehen wir uns wohl: ich komme alle Tage zwei Stunden in Eure Schmiede, Ihr lehrt mich ein Wenig von Eurem Handwerk und ich zahle Euch dafür die Stunde, so viel Ihr wollt.“

„Scheint ein unbändig reicher Monsieur zu sein,“ sagte der Meister mit etwas gemilderter Stimme. „Wozu wollt Ihr denn durchaus lernen einen Brettnagel zu schmieden?“

„Weil man auf der Welt so viel als möglich lernen muß, Meister, und weil es mir eben so gefällt. Ich habe in der Mark ein kleines Gut und das will ich später bewirthschaften. Und da ist es nöthig, daß man Alles kann und seinen Leuten mit gutem Beispiel voranzugehen vermag. Das sagte mein Vater immer, und ich bin ein guter Sohn und thue gern, was mein Vater sagt. – Habe ich da nicht Recht, Jungfer Cläre? man muß thun, was die Eltern von ihren Kindern verlangen.“

Jungfer Cläre antwortete nicht, sondern fuhr eifriger mit dem Schneiden ihrer Bohnen fort.

Meister Kleemann nickte aber gravitätisch. „Darin hat Er sehr Recht, und meine Tochter kann von Ihm lernen, daß Kinder ihren Eltern gehorsam sein müssen.“

„Nun, und wie steht’s, will der Meister mich lehren, einen guten Brettnagel zu schmieden?“

Meister Kleemann nickte gravitätisch. „Will’s Ihn lehren, schon darum weil Er’s lernen will seinem Vater zu Gefallen. Ja, Er kann alle Tage zwei Stunden zu mir kommen in die Schmiede. Aber, versteht Er mich wohl, nicht in dem Anzuge da! Wer in die Schmiede eintreten will und lernen, der muß als ein ordentlicher regulärer Schmied erscheinen – mit dem ledernen Schurzfell vor und ordentlich und adrett angezogen, wie ein Schmiedegesell bei der Arbeit. Hat Er einen Anzug bereit?“

„Nein, Meister, das nicht! Aber morgen soll er bereit sein. Und das verspreche ich Euch, Ihr sollt mit mir zufrieden sein; – versteht sich vorläufig, was meinen Anzug anbetrifft.“

„Und was gedenkt der Monsieur mir für die Stunde zu geben?“ fragte der Meister.

„Was Ihr fordert, Meister. Macht Euren Preis!“

„Nun,“ sagte der Meister nach kurzem Besinnen, „ich denke, vier Groschen für die Stunde wird nicht zu hoch gerechnet sein. Denn Er wird mir anfangs manches Stück Eisen verderben, daß man es wieder in die Esse legen wird.“

„Vier Groschen ist durchaus nicht zu viel,“ erwiderte der junge Mann ernsthaft. „Ich zahle es Euch mit Vergnügen, wenn ich nur etwas Tüchtiges lerne. Und ich kann dann so viel Stunden, wie ich Lust habe, in Euerer Schmiede sein? Wir berechnen die Stunden.“

„Ja, Monsieur, wir berechnen die Stunden, und wenn’s Ihm recht ist, bezahlen wir täglich.“

Der junge Mann lachte laut auf. „Aha! Ihr denkt, ich könnte Euch eines Tages davon laufen, ohne zu bezahlen. Da habt Ihr Recht, man muß immer vorsichtig sein. Wir bezahlen täglich, ehe ich aus der Schmiede und aus dem Garten hinaus komme, – denn ich darf doch zuweilen in Eurem Garten sein?“

„Nein!“ rief Cläre aus der Laube heraus, „nein, das darf Er nicht, Monsieur! Der Garten ist mein, und der Vater hat gar nichts darüber zu sagen, denn ich halte den Garten in Ordnung und es wäre mir gar nicht recht, wenn Er hinein käme. Ist so schon jetzt ohne Erlaubniß hier. Der Weg nach der Schmiede geht neben dem Zaune entlang und über den kleinen Seitenweg da.“

Der junge Mann trat zu der Laube hin, nahm seinen Hut ab und sich tief verneigend sagte er ehrerbietig: „Gnädiges Schloßfräulein von der Laube, ich bitte um Entschuldigung. Werde mich niemals wieder unterstehen, in das Allerheiligste einzutreten, ohne dazu Erlaubniß zu haben.“

„Ich denke, es wird wohl ein Komödiant sein,“ murmelte der Meister vor sich hin, indem er sein Lederkäppel ein wenig seitwärts auf das Haupt drückte und bedenklich zu dem jungen Mann hinüber schaute. „Sicherlich ein Komödiant, solche Leute haben manchmal verrückte Einfälle.“

Cläre dacht’s vielleicht auch, daß er ein Komödiant sei, denn es hatte in ihrem Leben ja noch kein Mensch so zu ihr gesprochen, und nur auf dem Theater, das sie einmal in Magdeburg gesehen, als sie hinüber gegangen mit dem Vater, nur da hatte sie einen Liebhaber so zu seiner Liebsten sprechen hören. Das war ein Räuber gewesen, der sich als Graf verkleidet und in’s

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_401.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2021)