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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 28.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Prinz oder Schlossergeselle.
Historische Novellette von Louise Mühlbach.
(Fortsetzung.)


Prächtig war das Ballfest. Der Ludwig Preuß mußte ein reicher Mensch sein, denn seit Menschengedenken hatte die ehrsame Zunft der Schlossermeister nicht ein solches Fest erlebt.

Alles in Ueberfluß und Alles schön und von der besten Sorte. Der Landwein und das Bier, die Fische und der Braten zum Abendessen und die Erfrischungen für die Tänzer, die umhergereicht wurden während des Tanzes – das war etwas ganz Neues, ganz Unerhörtes. Man hatte nie dergleichen erlebt; selbst in den vornehmen Gesellschaften der Honoratioren war es bis dato nicht Sitte gewesen, Erfrischungen während des Tanzes umherzureichen.

Die ältesten und angesehensten Zunftmeister blickten mit Ehrfurcht auf den jungen Menschen hin, der Alles so köstlich veranstaltet hatte. Und die Meisterinnen und die jungen Mädchen waren ganz entzückt, denn man war ihnen niemals sonst mit solcher Aufmerksamkeit begegnet. Jede hatte beim Eintreten in den Ballsaal ein Bouquet empfangen von einem Menschen, der eigens dazu an der Thür aufgestellt war.

Und wie ein Garten war der Ballsaal anzusehen mit all’ den Bouquets und den hübschen Mädchen, und manche Wange glühte und manches Auge strahlte heller.

Der Ludwig Preuß hat sich vom Vater gleich bei dessen Eintreten in den Saal erbeten, daß die Cläre heute Abend die Ballkönigin sein solle und daß er ihm erlaube, ihr Cavalier zu sein den ganzen Abend lang.

Meister Kleemann hatte ihn etwas verdutzt angesehen und mochte wohl nicht wissen, was das bedeuten solle: „ihr Cavalier“.

Die Frau Meisterin aber hatte es mit stolzem Selbstgefühl den anderen Frauen mitgetheilt, daß die Cläre mit keinem Andern heute tanzen dürfe, als mit dem fremden Mosje, der bei ihrem Manne das Schlosserhandwerk lerne, obwohl er es gar nicht nöthig habe; denn er sei eines reichen Vaters Sohn und besitze ein Haus in Berlin und ein Bauerngut in der Mark.

Natürlich hatten die Meisterinnen, die glückliche Besitzerinnen schöner Töchter waren, gleich gefragt: „ob der Mosje Ludwig Preuß verheirathet sei?“

Und darauf hatte die Frau Kleemann erwidert: „Das wisse sie nicht; um solche Dinge kümmere sie sich gar nicht und es ginge sie nichts an. Er sei ein sehr liebenswürdiger junger Mann, das sei Alles.“

Es war heiß im Ballsaal und man hatte deshalb nicht blos die Fenster geöffnet, sondern auch die Thür, die hinausführte in den Garten. Und in den Pausen gingen die Tänzer und Tänzerinnen zur Abkühlung hinunter in die frische Luft und wanderten miteinander auf und ab in den breiten Alleen des Gartens, ruhten auch wohl ein wenig in den dichten Lauben und schäkerten und lachten da, daß es frisch und fröhlich durch die Luft klang, frischer und melodischer zuweilen, als das Quieken der Stadtmusikanten, die zum Tanz aufspielten.

Am Arme ihres Tänzers, Ludwig Preuß, war auch die Cläre hinuntergegangen in den Garten. Droben im Ballsaal war sie heiter gewesen und ihr Antlitz hatte gestrahlt von unaussprechlicher Freude und seliger Lust. Aber jetzt, wie sie an seinem Arm die dunkle Allee hinunterging, da ward ihr so seltsam beklommen und das Wort erstarb ihr auf der Lippe.

Sie antwortete gar nicht und hatte es vielleicht gar nicht gehört, daß er sie eben fragte, ob sie nicht müde sei und nicht ein wenig ruhen wollte dort in der Laube.

„Habt Ihr mich nicht verstanden, schöne Cläre? Hört Ihr nicht auf mich?“

„Was sagt Ihr?“ fragte sie zusammenzuckend.

„Ich frage, ob’s Euch nicht gefällig sei, dort in der Laube ein wenig zu ruhen?“

Und er wandte, während er das fragte, die Schritte nach der Laube hin.

Aber Cläre blieb stehen. „Nein, ich bitte Euch, nein! Wenn die Mutter hier wäre, ging ich mit Euch, denn es muß dort schön und kühl sein. Aber nicht so allein. Ich mag’s nicht!“

„O Cläre, Du traust mir nicht und willst mir nicht erlauben, daß ich mit Dir –“

„O, ich bitt’ Euch,“ unterbrach sie ihn ängstlich, „nennt mich nicht Du. Wir stehen so nicht miteinander, daß Ihr das Recht dazu hättet.“

„Und warum nicht, Cläre, warum stehen wir nicht so miteinander?“ fragte er leise, sanft den Arm um ihren Nacken legend. „Nennt Dich Hans Werner nicht auch Du?“

„Das ist etwas ganz Anderes. Wir sind zusammen aufgewachsen, wir kennen uns seit langer Zeit und dann –“

„Und dann –“ flüsterte er – „und dann war er Dein Bräutigam, nicht wahr? Derjenige, der Dich liebt, der hat das Recht, Dich Du zu nennen. Und meinst Du denn, Cläre, daß ich Dich nicht liebe? meinst Du denn –“

„O, hört nur,“ unterbrach sie ihn, „die Tanzmusik beginnt schon wieder. Laßt uns zum Tanz gehen. Es würde auffallen, wenn wir hier im Garten blieben und nicht hinein gingen, und ich möcht’ um die ganze Welt nicht, daß die Leute von mir Böses dächten und Schlechtes sprächen. Kommt.“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_433.jpg&oldid=- (Version vom 16.10.2021)