Seite:Die Gartenlaube (1868) 440.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

sehen. Dies sind im engen Raume einer Stube Züchtungserfolge, wie man sie theils in Europa noch gar nicht, theils erst in Frankreich (besonders Veuillot) und in Holland in Gewächshäusern oder anderen großartigen Anstalten erzielt hat. Dazu brüten augenblicklich, obwohl bereits in der Mitte des Juni, noch je ein oder zwei Pärchen Astrilds, Schönbürzel, gewöhnliche und malabarische Silberfasänchen, und Muskatvögel; von den vorhin genannten befinden sich ebenfalls noch einige in neuen Bruten und die Sperlingspapageien rüsten sich sogar schon zum vierten Male. Allen Anzeichen nach beginnen in diesen Tagen auch die Tropfenfinken oder Diamantvögel, ein Paar Hartlaubszeisige und sogar ein Paar Inseparables zu nisten. Außer der Bastardzucht des grauen Edelfinken hoffe ich auch den sonderbaren dunkelblauen Indigovogel, ebenfalls mit einem Canarienweibchen, zur Zucht zu bekommen; der gemeinsame Nestbau hat wenigstens schon begonnen. Somit sind aus der in den letzten Wochen bis viel über hundert Köpfe angewachsenen Gesellschaft nur wenige Paare, wie die Atlasvögel, beide Wittwenpärchen, die weißköpfigen Nonnen (Maja aus Ost- und Südindien), Korellas und wenige andere, ganz unthätig verblieben. Da diese jedoch theils erst seit kurzer Zeit meine Vogelstube bewohnen, theils die Nistzeit ihrer Heimathländer hier noch nicht erlebt haben, da zugleich einige von ihnen bereits anderwärts in der Gefangenschaft genistet haben, – so darf ich bereits jetzt die feste Ueberzeugung aussprechen: daß alle die in meinem Besitz befindlichen, bis hierher genannten Finken- und Papageienearten ohne Ausnahme sich bei uns züchten lassen werden.

Mit den bisher mitgetheilten Ergebnissen war die Aufgabe meiner Vogelstube jedoch nur zum Theil gelöst; für die im ersten Artikel erörterten Ziele war damit doch noch gar wenig geschehen. Darum begann ich nun auch sofort mit der eigentlichen Zucht für die Wohnstube, das heißt mit Versuchen, durch welche ich dieselben Vögel bei gewöhnlicher Stubentemperatur, in nur mäßig großen gewöhnlichen Heckkäfigen, bei möglichst vereinfachtem Futter und in der Jahreszeit unseres Frühlings zu züchten beabsichtigte. Damit erst würden sie dem Canarienvogel als beliebte Stubengenossen gleichkommen können. Natürlich wählte ich für diese Versuche die in meiner Vogelstube erwachsenen Jungen und zwar vorläufig von den Sperlingspapageien, Amaranthvögeln und Elsterchen und werde die Tigerfinken und alle übrigen, die in der Vogelstube erwachsen, folgen lassen.

Diese Versuche sind noch viel zu jung, als daß ich schon etwas Sicheres darüber veröffentlichen könnte. Dennoch bin ich schon jetzt davon überzeugt: daß sich, in der angegebenen Weise, die Sperlingspapageien zweifellos als herzige, in jeder Hinsicht liebenswürdige Stubenvögel völlig einbürgern lassen werden. Auch von den Amaranths glaube ich dies bestimmt. Zuverlässige Mittheilungen hierüber muß ich mir jedoch für später vorbehalten.

Karl Ruß.





Meister Hans.

Blätter aus einem zugeklappten Buch.

Es war, glaube ich, im Jahre 1854, als eine Landsmännin des unlängst verstorbenen österreichischen Bildhauers Hans Gasser, dem die Kunst außer vielen anderen bedeutenden Statuen und plastischen Gruppen die in Weimar errichtete Wielandstatue verdankt, mich zum ersten Mal in sein Atelier führte. Auf Bestellung gearbeitete, eben fertig gewordene Portraitbüsten besichtigend, waren mehrere Personen anwesend. Wir wechselten nur wenige Worte mit dem Künstler, doch konnte ich nicht umhin, der scharf ausgeprägten Eigenthümlichkeit seiner Erscheinung und seines Benehmens eine neugierige, verwunderte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Hans Gasser wurde zu den bedeutendsten Künstlern Oesterreichs gerechnet, und auch im Auslande hatte sein Name einen guten Klang. Die Wielandstatue in Weimar, Statuen im Karltheater und im neuen Arsenal in Wien, die Büste der vielberühmten, früh verstorbenen Schauspielerin Viereck und viele andere Arbeiten legten Zeugniß ab von der seelenvollen Innigkeit seines Denkens und von der gewissenhaften Sauberkeit seiner technischen Ausarbeitung. Wie viele Jahre, deren fieberhafte Kämpfe ausführlich zu schildern er nicht Lust und nicht Zeit hatte, wie viele schwere Jahre mußten an ihm vorbeigegangen sein, ehe der arme Bauernbursche aus Kärnthen es so weit bringen konnte! Die Berührung mit dem Stande, dem er entwachsen war, mußte in der langen, langen Zeit nothwendiger Weise in dem Maße aufgehört haben, in dem seine Thätigkeit ihn mehr und mehr den höheren, den höchsten Gesellschaftskreisen näher brachte. Dennoch hat er Zeit seines Lebens von den äußeren Gewohnheiten, von den Sitten und Manieren dieser Kreise nicht das Mindeste sich angeeignet. Wie man sich bei dieser und jener Gelegenheit kleidet, wie man sich gegen Diesen, wie gegen Jenen verbeugt, in welcher Form man mit dem Einen oder dem Andern redet, wie und wann man kommt und wieder geht, sich setzt, spricht, schweigt, lächelt, ernsthaft ist – von Alledem wußte Hans Gasser nichts. Die ganze Stufenleiter äußerlicher Verfeinerung, auf deren Gipfelpunkt der vollendete Cavalier und die vollendete Weltdame stehen, war ihm völlig unbekannt.

In einem Arbeitskittel von grauer Leinwand steckte er, wenn er zu Hause war; eine schwarze Alltagsblouse, eine schwarze Sonntagsblouse – er nannte natürlich alles Kittel – und der Hut seiner Großmutter[1] (sein Sonnen- und Regenschirm zugleich) bildeten seine Tracht außer dem Hause. Wenn ein rothseidenes Halstuch, unter einen reinen Hemdkragen geknüpft, an ihm zu sehen war, wenn sein langes braunes Haar und sein langer Bart, auf den er große Stücke hielt, staublos und seine Hände ganz rein gewaschen waren, dann hatte Hans Gasser Alles geleistet, was er in dieser Richtung zu leisten vermochte.

Was seinen Gruß betrifft, so war es seine immer gleiche Art, wenn Fremde zu ihm kamen, sich von der Arbeit ab- mit einem ernsthaften, fragenden Blicke, von einem kaum merklichen Neigen des Hauptes begleitet, ihnen zuzuwenden und zu warten, bis sie ihn anredeten. Wollten sie sein Atelier besichtigen, so ließ er sie herumgehen, ohne weiter Notiz von ihnen zu nehmen; doch hörte er mit scharfem Ohr auf kunstgerechte Bemerkungen, und nur solche veranlaßten ihn manchmal, mit dem, der sie geäußert, ein Gespräch anzuknüpfen. Uebrigens kam das, wie er uns selbst[WS 1] mitgetheilt, selten vor.

„Die Wiener leben zu gut und lernen zu wenig,“ pflegte er zu sagen. Waren es Bekannte, liebe Bekannte, Freunde, die ihn besuchten, dann sagte er „Grüeß Gott!“ und streckte ihnen die Hand, wohl auch beide Hände entgegen, in welch’ letzterem Falle er dann wohl Meißel oder Maßstab, zuweilen Beides zwischen die Zähne faßte, bis er mit der Begrüßung fertig war. Im Uebrigen kümmerte er sich auch um die liebsten Bekannten nicht weiter, wenn er eben recht in der Arbeit war.

Verbinden wir also mit dem Worte Bauer den Begriff der Unkenntniß oder Nichtbeachtung aller üblichen Lebensformen, dann war Hans Gasser, der liebe, gute, „lange Hans“, wie wir ihn unter uns mit aller Innigkeit zu nennen pflegten, ein Bauer durch und durch. Wollte man aber das gemein Unmanierliche, das grob Derbe und andererseits wieder scheu Zurückhaltende oder gar Duckmäuserische darunter verstehen, dann paßte nichts so wenig auf den unbefangenen, offenen, naiv rückhaltslosen Mann wie eben dieses Wort. In der Haltung, in dem Benehmen, in der Sprache, in der ganzen Art, wie Gasser sich gab und was er war, lag so viel natürliche Würde, so viel von jenem ursprünglichen Adel, den weder Geburt noch Erziehung geben können, daß man das, was er nicht war, nicht vermißte.

Zur Zeit, wo wir, d. h. meine Mutter, meine Freundin Auguste und ich, den Künstler näher kennen lernten, häuften sich ihm die Arbeitsbestellungen.

Die Kärnthner Stände unterhandelten wegen einer heiligen

  1. Gasser war ein Kärnthner; er trug wirklich lange Jahre den unverwüstlichen Filzhut seiner Großmutter, ein Erbstück!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: sebst
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_440.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)