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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Auf der letzten Bank im Gotteshaus.
Nach dem Originalgemälde von Carl Hübner in Düsseldorf für die Gartenlaube auf Holz gezeichnet von J. Hübner.


Priesterthum wie von einem Lindwurm umrungen, und wenn es sich regte, spritzte sein bestes Herzblut noch unter den sich zusammenziehenden Ringen, die das Ungeheuer um dasselbe geschlungen. Heute zittert der Lindwurm, von der siegenden Masse des neuen Siegfried’s getroffen, in schwachen Zuckungen sein letztes Leben aus, trotz aller päpstlichen Allocutionen, bischöflichen Hirtenbriefe und ökumenischen Concile.

Damals hielt der Ultramontanismus seine Hand noch über die Welt. Heut’ hat er aufgehört endgültig über die Schicksale der Völker zu entscheiden. Damals saß ein rechtgläubiger Kaiser, der rechtgläubigsten einer, auf dem Herrscherthrone des deutschen Volks. Heut’ ist es ein Ketzer, mit seinem Haus und seinem Volk noch immer von der katholischen Kirche verflucht, der zum Haupt der deutschen Nation emporgewachsen ist und ihre Schicksale verwaltet.

Tausende und Abertausende erfüllen den Festplatz, die Herzen offen für die Dinge, die da kommen sollen, und von der Ahnung eines herannahenden Augenblicks erfüllt, den so groß und gewaltig Nationen oft in Jahrhunderten nicht erleben. Die mächtigsten Fürsten Deutschlands sind erschienen, – an ihrer Spitze der natürliche Schirmherr deutscher Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Einiger des Reiches – um dem Geist und der That des Bergmannssohnes zu huldigen, zum Zeugniß dafür, daß es noch gewaltigere Dinge giebt in der Welt, als irdische Größe, Macht und Herrlichkeit.

Da weht in der Hand eines Mannes ein weißes Tuch in der Luft. Kanonen donnern, Glockengeläut mischt seinen Schall hinein. Posaunen klingen und aus tausend und aber tausend Kehlen braust es empor, das hohe, heilige Lied, der Schlachtgesang des freien deutschen Geistes, das Lied: „Ein’ feste Burg ist unser Gott.“ Die Hüllen um das Denkmal sinken nieder, allmählich, es ist als ob die mächtige Gestalt Luther’s hinein in den blauen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_461.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)