Seite:Die Gartenlaube (1868) 486.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)


warmen Freund alles Wahren, Guten und Schönen, als den kühnen Ankläger jeder Lüge, Schlechtigkeit und Nichtswürdigkeit, als einen wahren deutschen Mann und als den treuesten Dichter des neuen Glaubenslichtes. Von seinem berühmten Hochgesang auf „die wittenbergisch Nachtigall“ bis zu seiner „Klagred ob der Leich Dr. M. Luther’s“, dreiundzwanzig Jahre lang, war Hans Sachs der ebenso unerschrockene wie unermüdliche dichterische Wortführer der Reformation, für die er vor Vielen segensreich wirkte im deutschen Volke, welches seine geistlichen Lieder und Kampfgedichte längst abschriftlich über ganz Deutschland verbreitet hatte, ehe ihnen die Ehre des Buchdrucks zu Theil wurde. Gar wohl hätte Hans Sachs es verdient, am großen Wormser Reformationsdenkmal auch seine Stelle mit zu finden.

Nicht um dies als Versäumtes nachzuholen, sondern weil es gerecht ist, daß in Nürnberg neben dem großen bildenden Künstler – Albrecht Dürer– auch dieser an Vielseitigkeit und Fruchtbarkeit ihm ebenbürtige Dichter und Kämpfer des Reformationszeitalters von den dankbaren Nachkommen in gleicher Weise geehrt werde, ergeht an das patriotische Deutschland der Ruf: „für Hans Sachs ein Denkmal in Nürnberg!“

Wie bei dem großen Feste zu Worms die Deutschen jeden Glaubens nur Ein Stolz erfüllte, der auf die Ehre des deutschen Namens, der in den ehernen Gestalten des Monuments seine Verherrlichung gefunden, und wie dort das Gefühl dieser Ehre um die durch kirchliche, politische und sociale Risse tausendfach gespaltene Menge das Band der Einigkeit in Einem Geiste schlingen konnte: so, in demselben Geiste, wenn auch in angemessen bescheidenerem Maße, möge die Theilnahme sich zeigen, welche die Deutschen aller Farben und Fahnen diesem Aufrufe für die Ehre unsers Hans Sachs entgegentragen! Mögen sich Alle einen in dem Ausspruch, den Goethe unserem Nürnberger Dichter widmet:

„Einen Eichenkranz, ewig jung belaubt,
Den setzt die Nachwelt ihm auf’s Haupt!“

In welcher Weise der Künstler, Bildhauer Kraußer in Nürnberg, sich das einstige Erzbild des Meistersängers gedacht und im Modell ausgeführt hat, deutet unsere Abbildung in Holzschnitt an. Die Ausführung in Erz würde höchstens zwanzigtausend Gulden in Anspruch nehmen; wahrlich, so viel ist der deutschen Nation ihr Hans Sachs doch wohl werth, daß sie ihm in Nürnberg, der allen Deutschen als ein nationales Kleinod werthen Stadt zu Liebe, diese verhältnißmäßig so unbedeutende Summe in kürzester Zeit auf den Altar des Vaterlandes niederlegen wird.

Selbstverständlich legt die Gartenlaube diese Angelegenheit, zu deren Veröffentlichung das Comité sie beauftragt, vor Allen ihren Lesern an’s Herz, überzeugt, daß dieser Opferstock in Nürnberg nicht vergeblich aufgestellt ist!






Die Mutter unserer heutigen Scheidekunst.

Vortrag von Prof. Dr. O. L. Erdmann in Leipzig.

Am Golde hängt,
Nach Golde drängt
Doch Alles –

sagt Gretchen in Goethe’s Faust und spricht damit eine sehr alte Wahrheit aus. Zu keiner Zeit hat das Gold, welches die Erde liefert, dem Bedürfnisse, dem Golddurste der Menschen genügen wollen; je seltener es war, um desto größer die Sehnsucht nach dem Besitze desselben. Diese Sehnsucht erweckte in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung den Gedanken, das Gold, das die Natur so sparsam liefert, durch die Kunst zu schaffen. Man glaubte an die Möglichkeit, unedle Metalle in edle zu verwandeln, und die Kunst, auf diese Weise Gold und Silber zu erzeugen, sie erhielt, wenn auch später, den Namen Alchemie.

Der Glaube an diese Kunst beherrschte lange Zeit die ganze Menschheit. Fünfzehn Jahrhunderte hindurch haben die Menschen unermüdlich an der Lösung der Aufgabe, welche die Alchemie sich stellte, gearbeitet, aber – vergebens gearbeitet! Dennoch ist die Geschichte dieser Arbeiten nicht ohne hohes Interesse.

Obwohl von einer irrigen Voraussetzung ausgehend, ist doch die Alchemie, an welche viele der edelsten Geister, so Luther, Baco von Verulam, Kepler, Leibnitz, Spinoza geglaubt haben, die Mutter unserer heutigen Chemie geworden; ja die Alchemie war eben die Chemie selbst auf ihren ersten Entwickelungsstufen. Gar häufig wird die Behauptung ausgesprochen, die Chemie sei eine neue Wissenschaft. Dies ist durchaus unrichtig. Die ersten Anfänge derselben sind uralt. Unzählige Erfahrungen und Beobachtungen mußten gemacht, unzählige Versuche mußten angestellt sein, ehe die Menschen zur Erfindung der Weinbereitung, des Brodbackens, zur Ausscheidung der Metalle aus ihren Erzen, zu der Kunst, Zeuge zu färben u. s. w. gelangen konnten. Freilich war der Zweck jener Versuche zunächst nicht ein wissenschaftlicher, sondern ausschließlich die Erfüllung des Bedürfnisses, und der geistige Inhalt der Chemie jener frühen Zeit war gewiß sehr gering, aber erst mußte doch das Material für den Aufbau der Wissenschaft, mußten die Thatsachen herbeigeschafft werden, ehe Principien der Wissenschaft aus ihnen entwickelt werden konnten, denn überall ist es der Gang der Naturforschung und muß es sein, daß sie, ausgehend von Erfahrungen über das Einzelne, zu Betrachtungen über das Allgemeine sich erhebt.

Das heutige chemische System datirt von Lavoisier’s Zeit, es ist nicht viel über achtzig Jahre alt. Aber der Stoff, mit dessen Hülfe das System erbaut ist, ihn verdanken wir zum großen Theile der ungeheuern Arbeit der Alchemisten, und nur die Beschränktheit, welche sich mit selbstgefälligem Behagen daran erfreut,

„wie wir’s zuletzt so herrlich weit gebracht,“

kann die Bedeutung dieser Arbeit unterschätzen. Ehe man Pyramiden und Dome erbauen kann, muß im Steinbruche gearbeitet und muß in der Tiefe des Bodens das Fundament aus rohen Steinen gelegt werden.

Allerdings ist das Gold der Thatsachen, welches die Alchemisten zu Tage forderten, in den meisten Arbeiter, derselben mit Schlacken reichlich gemengt. Geistige Verirrungen aller Art knüpften sich an die alchemistischen Forschungen, die Schriften vieler Alchemisten sind voll mystischen Unsinns. Betrüger und habsüchtige Thoren tauchen auf unter den echten, vorn Forschertriebe beseelten Alchemisten; die Alchemie artet im Laufe der Zeit immer mehr aus, bis zuletzt die alte und doch nie zum Ziele gelangende Kunst der Verachtung und der Lächerlichkeit verfällt. Was aber echt war von ihren Früchten, das ist der neuen Wissenschaft, deren Licht nunmehr zu leuchten begann, der Chemie, zu Gute gekommen. Es ist einmal das Schicksal aller menschlichen Forschung, daß sie nur sehr selten, ja wohl nie sofort und auf geradem Wege ihr Ziel erreicht; nur auf Umwegen nähern wir uns allmählich der Wahrheit, und die größten Fortschritte der Wissenschaft bestehen im Wegräumen von Irrthümern, die einer vergangenen Zeit als Wahrheiten galten. Auch die Chemie hat diesen schweren Weg gehen, müssen, aber wahrlich die Irrthümer, in die sie in ihrer ersten Jugend verfiel, sind sehr erklärlich, wenn man sie nur – wie doch billig geschehen muß – vom Standpunkte der Zeit aus beurtheilt, in welcher sie begangen wurden.

Der Gedanke einer Metallverwandlung hatte damals durchaus nichts Widersinniges, ja er mußte sogar in einer Zeit, in welcher die Eigenschaften der Metalle nur sehr unvollkommen bekannt waren, ganz natürlich erscheinen.

Die Metalle haben den eigenthümlichen Metallglanz, einige sind im Feuer unveränderlich, die edlen, andere verlieren ihren Glanz, z. B. Blei, Zinn; es sind die unedlen. Eine Anzahl von Körper mit Metallglanz ist spröde: die Halbmetalle, Antimon etc. Sehr ähnlich im Aeußern sind nun diesen letzteren der Bleiglanz und der Schwefelkies; ersterer gleicht in der Farbe dein Blei, letzterer dem Golde. Was wie Gold glänzt, das gilt ja noch heute, dem Sprüchworte zum Trotz, Vielen für Gold! Bleiglanz und Schwefelkies, wenn sie erhitzt werden, geben Schwefel ab. Aus dem Bleiglanze läßt sich, wenn dem Rückstände von der Erhitzung desselben an der Luft Kohle zugesetzt wird, Blei gewinnen. Das galt für eine Verwandlung, für eine Veredlung des Bleiglanzes zu Blei. Aus diesem Blei aber ließ sich auch etwas Silber gewinnen, aus dem Schwefelkiese etwas Gold. Das galt als Verwandlung.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 486. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_486.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)