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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

geschickt ausgeführt und getäuscht hatten, um ihnen ihr Geheimniß zu entreißen und dasselbe für den Hof zu benützen!

Die Geschichte der Alchemie ist voll von Abscheulichkeiten, welche getäuschter und unbefriedigter Golddurst der Mächtigen verübt hat und die wir in vielen Fällen kaum mit der Rohheit der Zeit entschuldigen können. So ließ ein Herzog von Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1575 eine Alchemistin, Schlüter’s Ilse genannt, in einem eisernen Stuhle verbrennen, weil sie ihm Gold zu machen versprochen hatte, aber des Betrugs überwiesen wurde.

Sehr üblich war es, alchemistische Betrüger in einem mit Flittergold beklebten Kleide an einem gleicherweise vergoldeten Galgen aufzuhängen. Einer, Wilhelm v. Krohnemann, der darin excellirte, daß er Quecksilber fest zu machen oder zu fixiren wußte, wurde zu Culmbach gehängt, und an den Galgen war mit einem dieses Instituts würdigen Humor folgende Inschrift angebracht:

Ich war zwar, wie Mercur wird fix gemacht, bedacht,
Doch hat sich’s umgekehrt und ich bin fix gemacht.

Sehr übel erging es in Sachsen einem gewissen Setonius Scotus, der als Besitzer des Steins der Weisen galt, denn er hatte auf seinen Reisen mehrfach Gold in Gegenwart von Zeugen gemacht, und als er nach Sachsen kam, ließ er durch seinen Diener vor Kurfürst Christian zu Crossen Blei in Gold verwandeln. Das war sein Unglück. Der Kurfürst ließ Seton verhaften und nach Dresden bringen. Hier wurde er gefoltert durch alle Grade, um ihm sein Geheimniß zu entreißen, bis man sich überzeugte, daß weiteres Foltern ihn tödten würde. Da aber Alles vergebens gewesen war, wurde er zu lebenslänglicher Gefangenschaft verurtheilt und diese ihm möglichst qualvoll gemacht, damit man von ihm ein Geständniß erpressen könne. Es gelang ihm zwar, mit Hülfe eines andern Alchemisten sich durch die Flucht zu retten, er starb aber bald an den Folgen der erlittenen Mißhandlungen.

Glücklicher war der bekannte Böttger, der als Apothekerlehrling in Berlin in den Ruf gekommen war, ein Adept zu sein, denn er hatte angeblich von einem Griechen, Lascaris, etwas vom Stein der Weisen erhalten, auch Transmutationen ausgeführt und sich für den Erfinder der Tinctur ausgegeben. König Friedrich I. von Preußen gab Befehl, sich des Adepten zu versichern. Böttger floh aber noch zur rechten Zeit über die sächsische Grenze nach Wittenberg. Der König von Preußen verlangte seine Auslieferung, die sächsische Regierung – der König war gerade in Warschau – verweigerte sie und verstärkte die Besatzung von Wittenberg für den Fall einer Ueberrumpelung durch die Preußen. Der Generalgouverneur von Sachsen, Fürst von Fürstenberg, ließ aber zu noch mehrerer Sicherheit den wichtigen Mann nach Dresden bringen und überzeugte sich hier selbst, daß derselbe Gold machen könne! Böttger wurde in den Adelstand erhoben, vom König August II. auf das Gnädigste behandelt und mit eigenhändigen Schreiben, die im herablassendsten Tone abgefaßt sind, beehrt, dabei aber doch strenge überwacht, um ihm sein Geheimniß abzulauschen, zuletzt auch zu mehrerer Sicherheit auf den Königstein gesetzt. Um ihn aber williger zu machen, brachte man ihn bald wieder nach Dresden zurück. Freiheit und Belohnung wurden ihm versprochen, wenn er den Stein der Weisen machen lehre. Der leichtsinnige Mann schloß auch wirklich 1704 einen besondern Contract darüber mit dem Könige ab. Er wurde nunmehr als ein kostbares Besitzthum der Krone betrachtet und bei eintretender Kriegsgefahr, als Sachsen von einer feindlichen Invasion bedroht wurde, mit den Landesschätzen wieder auf den Königstein gebracht. 1707 aber war das Goldmachen noch immer nicht zu Stande gekommen, der König verlor die Geduld und drohte mit seinem Zorne. Böttger wäre dem Schicksale vieler seiner Vorgänger schwerlich entgangen, wenn er nicht so glücklich gewesen wäre, bei seinen Operationen die Porcellanbereitung zu erfinden, auf die er schon lange hingearbeitet hatte. Auf diese Erfindung hin wagte er es, dem Könige zu gestehen, daß er nie die Kunst, Gold zu machen, besessen habe. In Betracht des Werthes der Erfindung, die er gemacht, wurde ihm verziehen und er, obwohl fortwährend überwacht, bekanntlich mit der Einrichtung der hochberühmten sächsischen Porcellanmanufactur zuerst in Dresden, dann in Meißen betraut, als deren Director er 1719 starb.

Selbst die fromme Kaiserin Maria Theresia ließ einen angeblichen Adepten Namens Sehfeld verhaften und unbarmherzig geißeln, um ihm sein Geheimniß abzupressen, und da es nicht gelang, ihn auf die Festung Temesvar bringen.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte die Alchemie sich ausgelebt. Aus der Alchemie war im Laufe der Zeit die Chemie hervorgegangen und hatte sich selbständig zu entwickeln begonnen. Die natürliche Folge dieser Entwickelung war die Aufklärung der alchemistischen Irrthümer. Nur Dilettanten, unbekannt mit den Fortschritten der Chemie, arbeiteten noch als Alchemisten fort. Unter ihnen war der Professor der Theologie Dr. Semler in Halle, ein würdiger Mann und berühmter akademischer Lehrer. Was ihm bei seinen alchemistischen Bestrebungen begegnete, sei als die letzte Alchemistengeschichte kurz erzählt. Im Jahre 1786 beschäftigte sich Semler mit einem von dem Baron von Hirschen als Universalarznei empfohlenen sogenannten „Luftsalz“. Semler schrieb über dieses Luftsalz drei Abhandlungen „von hermetischer Arznei“ und ging noch weiter als der Erfinder, denn er erklärte, daß man vermöge des Luftsalzes auch Gold machen könne und zwar ohne Tiegel und Kohlen in warmgehaltenen Gläsern. Der Widerspruch der Chemiker, welche die Sache prüften, war vergebens und regte Semler nur zur Heftigkeit auf. Endlich gab er doch an den ausgezeichneten Chemiker Klaproth in Berlin eine Masse zur Prüfung, welche, wie er sagte, den Samen des Goldes enthalte. Die Untersuchung zeigte, daß diese Masse schon mit Blattgold gemengt sei, das sich durch Wasser auswaschen ließ. Der Rest gab kein Gold. Semler meinte, Klaproth müsse es mit der Behandlung versehen haben; bei ihm würde die Ausbeute immer größer. „Ich bin schon viel weiter,“ schrieb er. „Zwei Gläser tragen Gold. Alle fünf oder sechs Tage nehme ich es ab, immer zwölf bis fünfzehn Gran. Drei andere Gläser sind schon wieder auf dem Wege, das Gold blüht unten durch. Freilich kostet mich bis jetzt jeder Gran Gold drei bis vier Thaler, weil ich die Vortheile noch nicht weiß,“ Von diesem philosophischen Golde schickte Semler zur Probe Blätter von zwei bis drei Zoll Breite und Länge an Klaproth. Die Prüfung geschah in Gegenwart von Ministern und andern hochgestellten Personen, die auf den Ausgang gespannt waren. Es ergab sich, daß die Blätter jetzt aus unechtem Blattgold, aus Tombak bestanden! Man hatte Semler einen, freilich gutgemeinten, Betrug gespielt. Er hatte das Warmhalten der Gläser einer armen Soldatenfamilie übertragen, welcher er in dem Gartenhause, das ihm als Laboratorium diente, freie Wohnung gab. Als nun der Soldat bemerkte, wie sehr die kleinen Goldblättchen seinen Gönner erfreuten, so that er von Zeit zu Zeit Blattgold in die Gläser. Als er aber zur Revue abgehen mußte, instruirte er seine Frau, und diese kam auf den Gedanken, um die Sache wohlfeiler zu haben und dem Herrn durch größere Blätter noch mehr Freude zu machen, unechtes Blattgold zu kaufen und in die Gläser zu werfen!

Wie viele Verehrer die Alchemie noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts in Deutschland hatte, beweist die sogenannte hermetische Gesellschaft, welche 1796 öffentlich im Reichsanzeiger die Genossen der Kunst aufforderte, mit ihr in Correspondenz zu treten. Zahlreiche Briefe gingen an sie ein, von pensionirten Officieren, die sogleich besiegelte Ehrenwortscheine mitschickten, daß sie das Geheimniß des Steins der Weisen nicht verrathen wollten, von Schneidern und Schuhmachern, von Leibärzten deutscher Fürsten, Geheimen Räthen, Schullehrern, Apothekern, Uhrmachern, Organisten, kurz von Leuten jeglichen Standes. Alle hatten laborirt, aber Alle nichts herausgebracht und baten um Anleitung, wie man das große Elixir bereite. Natürlich glaubten Alle an eine große hermetische Gesellschaft von grundgelehrten Alchemisten. Seitdem ist das Archiv dieser Gesellschaft zugänglich geworden und es hat sich ergeben, daß sie nur zwei Mitglieder hatte, zwei Aerzte in Westphalen, und der eine von ihnen war – Dr. Kortüm, der Verfasser der Jobsiade! Auf den Briefen findet sich meist die Randbemerkung: „Palliativisch beantwortet.“

Wir sind am Schlusse der Geschichte der Alchemie. Unbefangene Prüfung derselben führt zu dem Resultat, daß niemals Gold gemacht worden ist. Das Goldmachen gelang nur so lange, als man an das Goldmachen glaubte. In den meisten Fällen täuschten sich die Gläubigen selbst, in vielen andern wurden sie getäuscht. Es sind uns zahlreiche Geschichten bekannt, wie das Gold von den Betrügern in hohlen Rührstäben, in Kohlen, die mit Goldlösung getränkt, durch abgerichtete Kinder, welche in Kisten des Laboratoriums versteckt waren u. s. w., in den Tiegel gebracht wurde.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 504. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_504.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)