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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Grafen Stadion, unter dessen Ministerium Laube eingesetzt war, nicht vergaß, der, eifersüchtig auf die Erhaltung seiner eigenen Machtsphäre, seinen Director mehr als einmal gegen die Angriffe der feindlichen Staats- oder Kirchengewalt aufrecht erhielt und vertheidigte.

Aber man hat es dem Director des Burgtheaters nicht vergessen, daß er einer der Wortführer des jungen Deutschland war. Das Gedächtniß der Dunkelmänner ist zäh und rachsüchtig. Zudem hat Heinrich Laube sie in den letzten Jahren neu gereizt durch seinen Roman „der deutsche Krieg“ und durch Zulassung und Aufführung von eigenen und fremden Stücken, welche, wie sein „Statthalter von Bengalen“, die politischen Gesinnungen oder, wie Bauernfeld’s „Aus der Gesellschaft“, die Vorurtheile der Kasten schwer beleidigten. Er ist gefallen ein Opfer seiner freien Ueberzeugungen, seiner liberalen Schriften. In Wien und in ganz Deutschland hat sein Ansehen dadurch nur gewonnen.

Heinrich Laube, geboren am 19. September des Jahres 1806 in dem Städtchen Sprottau in Schlesien, der Sohn wackerer, geachteter Bürgersleute, erhielt seine erste Schulbildung in seiner Vaterstadt und bezog 1826 die Universität Halle, um Theologie zu studiren. Während der zwei Jahre seines Halleschen Aufenthaltes gehörte er der verpönten Burschenschaft an. Er erlangte in dieser alle deutschen Hochschulen umfassenden Studentenverbindung die höchsten Ehren. Dann ging er an die Universität seiner heimathlichen Provinz, nach Breslau. Es war, als habe er des heimathlichen Bodens bedurft, der heimathlichen Luft, um das schaffende Vermögen zu wecken, welches bis dahin in ihm geschlummert hatte. Die Romantiker herrschten damals noch auf dem deutschen Parnaß mit ihrem Hang nach fremdländischer Dichtung, mit ihrer Vorliebe für romanische Literatur und ihre Formen, mit ihrem Eifer für Einbürgerung derselben in Deutschland. Eine spanische Romanze – sie ruht vergessen bei Tausenden ihrer Schwestern – war Laube’s erste Bethätigung auf literarischem Felde. Karl Schall, der Lustspieldichter, damals Redacteur der Breslauer Zeitung, führte den jungen Poeten ein. Diese Verbindung mit Schall vermittelte sehr bald Laube’s Bekanntschaft mit dem Theater. Man übertrug ihm das Recensentenamt über das Breslauer Stadttheater in der Breslauer Zeitung. Diese kritische Thätigkeit leitete auch seine Production auf das dramatische Feld, auf dem er später so Tüchtiges schaffen sollte. Seine ersten Arbeiten nahmen gleich Besitz von dem ganzen Reich dramatischer Formen, sie bebauten die äußersten Grenzen dieses Reichs. Eine große Tragödie und – eine Posse erblickten damals das Licht der Lampen. Die Tragödie hieß „Gustav Adolph“, und der zu jener Zeit in deutschen Landen hochgefeierte Schauspieler Wilhelm Kunst stellte den Helden derselben bei einem Gastspiele in Breslau dar. Die Posse nannte sich „Zaganini“. Sie führte den dämonischen König der Geiger, Nicolo Paganini, in einer Parodie als Helden vor, und ein gewandter Schauspieler, Wilhelm Just, reiste als falscher Paganini jahrelang damit in Deutschland umher.

Indeß meldete sich bald das Leben mit seinen praktischen Forderungen. Der Beruf trat in den Vordergrund. Du sollst ja Theologe werden, riefen sein Gewissen und seine Familie. Das Berufsstudium nahm jetzt Laube’s Fleiß in Anspruch. Um sich für die höhere Candidatenprüfung in Sammlung vorzubereiten, nahm er jetzt eine Hauslehrerstelle an. An zwei verschiedenen Orten in der Umgebung von Breslau waltete er dieses Amts. Aber sein eigentlicher, sein wahrer Beruf opponirte dem erzwungenen Berufe, und als das Jahr 1832 herankam, hatte er den ersten Theil des „neuen Jahrhunderts“ geschrieben und in die Welt gesandt. Dieses Buch entschied seine fernere Laufbahn. Es war ein durchschlagendes Debüt in der Literatur. Auf dem Hintergrunde des eben Geschehenen, des neuesten polnischen Aufstandes, spielte sich die Erzählung ab. Ein kräftiges, männlich-starkes Naturell sprang aus dem Buche mit siegreicher Macht dem deutschen Publicum entgegen, eine feurige Seele voll gesunden Realismus, voll kühner Freiheitsbegeisterung. Ein Sprecher der neuen Zeit hatte sich hören lassen, und man hatte ihm gern und mit begeisterter Theilnahme zugehört.

Eine neue Zeit war in der That damals angebrochen für unser deutsches Vaterland. Die Forderungen der Nation, Freiheit und Einheit, zurückgedrängt und zum Schweigen verurtheilt seit dem Ende der französischen Kriege durch die reactionären Regierungen – sie wurden jetzt von Neuem laut, recht sehr laut, seitdem die Julirevolution den Thron der Bourbonen in Frankreich umgeworfen und den bürgerfreundlichen Orleans als König Louis Philipp ausgerufen hatte. Die Bewegung, welche auch Deutschland und Polen ergriff, wurde zwar materiell unterdrückt durch die Gewalt der Waffen, in den Geistern aber war sie lebendig geworden und konnte nicht mehr getödtet werden, wenn auch noch Jahrzehnte vergingen, ehe sie das Vaterland real umgestalteten. Laube war mit seinem ersten Buche in die vorderste Reihe der Vorfechter dieser nationalen Forderungen getreten, und die deutsche Jugend empfing ihn auf der Arena mit freudiger Zustimmung und begeisterter Theilnahme.

Der Erfolg seines Buches hatte Laube auch materielle Hülfsmittel zugeführt. Er wollte sie benutzen, um nach Paris zu gehen, um dort den St. Simonismus zu studiren, der ihn, wie das ganze junge Deutschland damals lebhaft interessirte. Im Beginn dieser Reise berührte er Leipzig und verweilte dort einige Zeit im Verkehr mit den Vertretern der Literatur und Kunst. Einige Recensionen, welche er über das dortige Theater hatte drucken lassen, veranlaßten den Buchhändler Voß, den Eigenthümer der „Zeitung für die elegante Welt“, Laube einen Antrag zu machen für die Redaction dieses Blattes. Nach kurzem Zögern nahm Laube an; die Pariser Reise unterblieb, er siedelte nach Leipzig über.

Die „Zeitung für die elegante Welt“ wurde bald unter Laube’s Redaction ein wichtiges Organ für die neuen literarischen Bestrebungen; alle jüngeren Autoren von Bedeutung betheiligten sich daran, Laube selbst trat in der Literatur mit der zweiten Abtheilung des „neuen Jahrhunderts“ auf, dem bald darauf das „junge Europa“ und die „Reisenovellen“ folgten, Bücher, welche sein Ansehen festigten und erhöhten.

Da ward er plötzlich seinem literarischen Schaffen brutal entrissen. Seine Schriften hatten den Zorn der politischen Behörden erweckt, und man sagte ihm eines Tages, daß er auf Requisition des preußischen Ministeriums die Stadt Leipzig verlassen müsse. Er wurde ausgewiesen.

Laube hatte auf der Universität fechten lernen, er hatte den Ruf eines der besten Schläger in Breslau erworben. Er fuhr dem brüsken Angriff schneidig in die Parade. Augenblicklich setzte er sich auf und fuhr nach Berlin. Zu welchem Zweck? Er wollte den Stier bei den Hörnern fassen. Er stellte sich zur Vertheidigung. „Hier bin ich, verhaftet mich, ich werde mich wehren,“ sagte er den Machthabern. Indeß – merkwürdig genug –, er erreichte seinen Zweck nicht, man verhaftete ihn nicht. Die Ausweisungs-Requisition war nur ein kleines Plänkeln, ein neckendes Vorpostengefecht gewesen – man war zur eigentlichen Action in Berlin noch nicht gerüstet. So ging Laube nach Gräfenberg in österreichisch Schlesien. Nach einiger Zeit trat der alte Prießnitz an ihn heran und sagte ihm: „Doctor, Sie müssen ja ein verteufelt gefährliches Menschenkind sein. Hier stehen Sie, wie ich weiß, unter polizeilicher Aufsicht, und bei Ihrem Eintritt nach Preußen sollen Sie, wie ich höre, verhaftet werden.“ Reizende Lage eines deutschen Schriftstellers! In Oesterreich polizeilich vigilirt, in Preußen der Verhaftung ausgesetzt, aus Sachsen ausgewiesen – glückliche Existenz eines deutschen Staatsbürgers! Es war recht behaglich damals eingerichtet im Vaterlande. Was thun? Laube nahm Wagen und Pferde und reiste – die ersten preußischen Städtchen vermied er, als Fußgänger sie besorgt umwandelnd – nach Dresden. Hier nahm er Audienz beim Minister von Carlowitz. Eine Andeutung, die dieser ihm machte: „Bleiben Sie vorläufig in Dresden,“ verstand er nicht oder wollte er nicht verstehen. Wahrscheinlich hatte die Ausweisungs-Requisition wörtlich nur auf Leipzig gelautet, und Carlowitz meinte, wenn Laube in Dresden bleibe, sei ihm eigentlich nicht viel geschehen und der preußischen Requisition sei doch Genüge gethan. Wie gesagt, Laube kümmerte sich nicht um diesen Rath, er wollte arbeiten im gewohnten Gange in seiner heimathlichen Umgebung, in der übernommenen Stellung – er ging nach Leipzig. Man ließ ihn nicht lange in Ruhe. Eine zweite Ausweisung erfolgte, eine zweite Reise nach Berlin. Und diesmal zog er das treffende Loos. Man verhaftete ihn; er wurde in die Hausvogtei gesperrt und wegen unsittlicher und glaubensfeindlicher Schriften in Untersuchung gezogen. Bald darauf kam der kleine Tzschoppe, der große Demagogen-Spürhund, darauf, daß Laube in Halle der Burschenschaft angehört hatte. Man sperrte ihn jetzt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 518. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_518.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)