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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

im ganzen Hause das Oberste zum Untersten kehrte. Alle Zimmer wurden dann gelüftet, damit der Tabaksdampf sich verflüchtige, denn Kossuth war ein starker Raucher; die Cigarre oder die Pfeife kam nicht aus seinem Munde, er konnte nur schreiben, wenn er dabei rauchte. Bei solchen Gelegenheiten verließ er in Begleitung seines Flügeladjutanten sein Haus, und Beide kamen erst zum Mittagsmahl zurück, um hierauf das Haus Nachmittags wieder zu verlassen und erst zur Soirée heimzukehren. Bei diesen Gesellschaften mußten sich die Kinder einer Art Prüfung unterziehen, Gedichte in englischer, ungarischer, französischer oder italienischer Sprache declamiren, und Vilma trug ihre neuesten Stücke am Piano vor. Außer den täglichen Gästen Kossuth’s kam jedoch selten ein Ungar zu diesen Abendgesellschaften.

In London gab es drei Parteien in der ungarischen Emigration; die eine, die Clique Pulszky, die geringste an Zahl, Bildung und Namen, bestand aus Menschen, welche für die von Pulszky hingeworfenen Brosamen ihn vergötterten und sich nie anmaßten, eine eigene Meinung zu haben. Die stärkste Partei war diejenige, welche mit allen Mitteln, jedoch vergeblich, Versöhnung zwischen Kossuth und der Emigration herbeizuführen suchte; zu ihr gehörten viele warme Patrioten, die in Kossuth den einzig möglichen Bannerträger für das Wiederaufleben Ungarns erblickten. Die dritte Partei endlich glänzte mit bedeutenden Namen, wie diejenigen Moritz Perczel’s, des Grafen Casimir Batthyány, des ehemaligen Premierministers Bartholomäus von Szemere, der Bischöfe Michael von Horváth und Hyacinth von Rónai und des Ministers Sabbas von Vukovics; sie hielt sich fern von Kossuth und war ihm in der Emigration ebenso feind, wie sie während der Revolution sein Wirken möglichst abgeschwächt hatte und ihn auch jetzt noch dem Volke zu entfremden sucht. Hätte sich Kossuth dem allgemein geäußerten Wunsche der ungarischen Emigration willfährig gezeigt und Pulszky von seiner Seite entfernt, so würde die letzterwähnte der drei Parteien ganz isolirt von der Emigration gestanden haben. Kossuth war indeß schwach genug, Pulszky nicht zu durchschauen, und so umgab derselbe ihn mit Leuten, die ihn später verriethen, seinen Namen im Auslande compromittirten und die sehr bedeutenden Unterstützungsgelder in nichtswürdigster Weise vergeudeten.

„Wem soll ich trauen,“ sagte Kossuth damals zu mir, „wenn meine ältesten Freunde, wie Pulszky, mich verrathen?“

„Man marschirt besser allein als in schlechter Begleitung,“ erwiderte ich. Wirklich verringerte sich auch Pulszky’s Einfluß seit jener Zeit bei Kossuth, leider war es aber zu spät, denn diesem schädlichen Einflüsse ist das Zerwürfniß Kossuth’s mit der Emigration zuzuschreiben.

Als Kossuth Ungarn verließ, hatte er kaum dreihundert Ducaten in Gold, und dieses Geld war beinahe verzehrt, als er und ein Theil der ungarischen Emigration zu Kjutahia internirt wurden; hier jedoch erhielt er monatlich achtzehntausend Piaster, wovon er seinen Haushalt anderthalb Jahr hindurch bestritt. Da aber sein Gefolge ein sehr zahlreiches war, so genügte diese Summe kaum.

Franz von Pulszky erhielt in England dreizehntausend Pfund Sterling zur Unterstützung hilfsbedürftiger ungarischer Emigranten. Als die Zahl derselben am stärksten war, genügten monatlich zweihundert fünfundzwanzig Pfund Sterling; mithin würde die obige Summe fünf Jahre hindurch ausgereicht haben, sie dauerte indeß nur siebenzehn Monate. Jeder der Emigranten wußte, wie stark die Einnahme, wie groß die Ausgabe sei, und es ist heute der schnelle Verbrauch einer so bedeutenden Summe noch nicht aufgeklärt.

Gegen das Ende des Jahres 1853 wurde Kossuth von der Redaction der „Sunday Times“ aufgefordert, derselben Artikel zu liefern. Er nahm den Antrag an und erhielt jeden seiner Artikel mit zwanzig Guineen honorirt. Damit war jedoch sein Haushalt erst zur Hälfte gedeckt; dies genügte also nicht, und er nahm später den Antrag einer anderen Redaction, der des „Atlas“, mit monatlich einhundert und zwanzig Guineen an; das Blatt erhielt sich jedoch nicht, und folglich waren die Geldquellen von dieser Seite her bald wieder versiecht.

Als Kossuth aus Nordamerika nach London zurückkam, wurde ihm ein gewisser Pöhnisch, ein ehemaliger Kaufmann aus Dresden, gebürtig aus Gera, der sich später in London niederließ, von Pulszky empfohlen, um seine in New-York emittirten Banknoten, denen als Basis die nach einer Revolutionirung Ungarns aus diesem Lande zu beziehenden Staatseinkünfte, dienen sollten, in baares Geld umzusetzen. Das Unternehmen begann. Die Kossuthnoten wurden auf der Londoner Börse von falschen Käufern um Baargeld in vollem Werthe gekauft, dann wieder insgeheim eingelöst. Bald wurde die Nachfrage bei allen Londoner Bankiers nach Kossuthnoten eine ziemlich starke, so daß sich wirkliche Käufer für sie fanden. Namentlich soll der Bankier Spielmann in der Lombard Street derartige Papiere im Nennwerthe von achttausend vierhundert Pfund Sterling angekauft haben, die ihm jedoch später auf dem Halse blieben, Kossuth selbst sah wenig von dem baaren Gelde, das meiste davon wurde von Pöhnisch auf die Regie und auf die Erhaltung und Besoldung der Wechselagenten verrechnet. Kossuth wurde sogar verleitet, einige Wechsel zu acccptiren, denn sowohl Pöhnisch als Pulszky redeten ihm ein, er werde aus seinen Banknoten das Geld in Massen beziehen. Als die Zahlungstermine kamen und Kossuth die von ihm acceptirten Wechsel nicht decken konnte, wurde er durch den Bankier Sieveking, der statt seiner die Wechsel einlöste, aus einer argen Verlegenheit gerettet. Sieveking erhielt sein Geld erst nach mehreren Jahren von Kossuth zurück und zwar zu einer Zeit, wo ihm diese Rückzahlung vortrefflich zu statten kam, denn Sieveking hatte mittlerweile, und zwar in Folge der durch den Frieden zu Villafranca erfolgten Hausse, seine Zahlungen einstellen und Bankerott machen müssen.

Sehr eigenthümlich war die Stellung Kossuth’s zu Napoleon dem Dritten. Letzterer versuchte es zu wiederholten Malen, mit Kossuth in Verbindung zu treten, namentlich im Jahre 1855, während des Krimkrieges, wo er Kossuth in einer ähnlichen Weise benutzen wollte, wie er es später im Jahre 1859 in Italien that, um Oesterreich aus seiner Neutralität heraus zu zwingen. Persigny war zu jener Zeit Gesandter in London; er ließ Kossuth durch einen geheimen Agenten, den Vicomte de Laguéronnière, zu sich bitten. Ich sprach mit Kossuth darüber, dieser aber wollte nichts von einem Bündnis; mit Napoleon wissen. „Napoleon wandelt einen anderen Weg, als ich,“ sagte er zu mir. „Uebrigens,“ setzte er dazu, „will Persigny durchaus mit mir sprechen, so ist es von Albert-Gate um keinen Schritt weiter nach Alpharoad (der Wohnung Kossuth’s), als von hier nach Albert-Gate; fürchtet Persigny, sich zu compromittiren, wenn er zu mir kommt, so habe ich dies noch mehr zu befürchten als er, denn er ist nichts, als der Lakai eines Despoten, während ich der selbstständige Repräsentant eines großen Principes bin.“

Persigny ist damals dennoch mit Kossuth zusammengetroffen, hat aber auf seine Anträge einen Korb erhalten.

Im Jahre 1856 empfing Kossuth aus vielen der größten Städte Einladungen zu Meetings, und er nahm dieselben an. Diese Reisen brachten ihm bedeutende Summen ein; man zahlte die Eintrittskarten zu den Versammlungen mit fünf Schilling, ja sogar höher, und die Meetingssäle waren stets zum Erdrücken voll. Er war ein unübertrefflicher Redner. In Ungarn begeisterte er seine Landsleute, in der Türkei die rohen Natursöhne, in Marseille die Franzosen, in New-York die Yankees, in London die Engländer, und Alle in ihrer Sprache.

Wie sehr Kossuth, wenn er sprach, Alles hinriß, nahm ich, der ich ihn viele Male sprechen hörte, stets wahr. Die Ungarn sind eine leicht entzündliche Nation, doch nicht so die kalten und bedächtigen Engländer, die nebenbei so sehr für ihre eigenen Redner eingenommen sind, daß sie diese über alle anderen der Welt stellen.

Eines Abends befand ich mich mit zweien meiner Freunde, dem Grafen Ladislaus Vay und dem Obersten Emerich Szabó, in Gesellschaft mehrerer englischer Garde-Officiere. Wir sprachen unter Anderem auch über Kossuth und seine Reden; einer der Engländer, ein Gentleman aus einem Vollblut-Toryhause, spöttelte über Kossuth und seine Anmaßung, sich noch immer Gouverneur nennen zu lassen.

„Sie würden anders von Kossuth sprechen,“ meinte der Graf Vay, „wenn Sie eine seiner Reden hörten.“

„Ich glaube kaum; ich bin kein Freund der orientalischen Redefloskeln, mir ist vielmehr eine Rede, wie man sie in unserem Unterhause hört, zum Beispiel eine Disraeli’s, voll kaustischen Witzes, lieber, als all’ der französische und magyarische Redeschwulst.“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_585.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)