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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

wurde von Angelica selbst in höhere Gesellschaftskreise eingeführt, wo sie sich sehr gut zu benehmen wußte. Man greift wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß Angelica, die das lebhafte Interesse ihres Freundes an dem schönen Mädchen bemerkt hatte, ihm nunmehr nach der Auflösung ihres Brautstandes den Weg zur Anknüpfung eines näheren Verhältnisses habe ebenen wollen. Dazu stimmt wenigstens gut die Rolle, die Angelica beim Wiedersehen der Beiden spielte. Es geschah mitten im Gewühl des Carnevals, daß Goethe auf dem Venetianischen Platze in der Reihe der Kutschen den Wagen Angelica’s bemerkte und an den Schlag trat, um sie zu begrüßen. Sie hatte sich kaum freundlich gegengrüßend zu ihm herausgeneigt, als sie sich zurückbog, um ihrem Freunde einen Blick auf die neben ihr sitzende wiedergenesene schöne Mailänderin zu öffnen. Mit Freude gewahrte er, daß diese sich durchaus nicht verändert hatte, nur schienen ihre Augen ihn noch frischer und glänzender, als früher, anzublicken, und zugleich mit einer Freudigkeit, die ihn bis in’s Innerste durchdrang. So blieben die beiden Liebenden eine Zeit lang einander sprachlos gegenüber, bis Angelica das Schweigen mit den Worten unterbrach: „Ich muß hier wohl den Dolmetscher machen, denn ich sehe, meine junge Freundin kommt nicht dazu, das, was sie mir so oft wiederholt hat, Ihnen selbst auszusprechen, wie sehr sie Ihnen für den Antheil verpflichtet ist, den Sie an ihrem Schicksal und ihrer Krankheit genommen haben. Das Erste, was ihr beim Wiedereintritt in’s Leben zum Trost gereicht und wiederherstellend auf sie gewirkt habe, sei die Theilnahme ihrer Freunde und vor Allem die Ihrige gewesen.“

„Das ist Alles wahr,“ fügte das liebenswürdige Mädchen hinzu, indem es ihm über die Freundin her die Hand reichte, die er mit der seinigen ergriff, aber auch gar zu gern mit seinen Lippen hätte berühren mögen. Still beglückt und mit inniger Dankbarkeit gegen Angelica zog er sich in’s Gedränge der Fastnachtsthoren zurück.

Und er bewarb sich nun nicht ernstlich um die freigewordene Hand der Geliebten? wird man fragen. Er that es nicht, und den eigentlichen Grund, warum er es unterließ, hat er hier ebenso wenig bestimmt ausgesprochen, wie bei der Auflösung der Verhältnisse zur Sesenheimer Friederike und zur Frankfurter Lili die Gründe, warum er sich zurückzog. Denn wenn er selbst berichtet, er habe die letzte Zeit hindurch manches Erfreuliche von ihr gehört und die Vermuthung nähren können, daß ein mit Zucchis befreundeter wohlhabender junger Mann „gegen ihre Anmuth nicht unempfindlich und ernstere Absichten durchzuführen nicht abgeneigt sei,“ so liegt darin keine genügende Erklärung. Warum trat er nicht als Mitbewerber mit dem jungen Mann in die Schranken? Zu Hoffnungen hatte ihn doch wahrlich des Mädchens bisheriges Begegnen berechtigt. Scheute er sich das liebenswürdige Kind der schönen Heimath zu entziehen? Aber sie sehnte sich ja, wie er selbst berichtet, die Welt außer Italien kennen zu lernen, und war in ihren einfachen Lebensverhältnissen nicht verwöhnt worden. Oder zweifelte er, ob sie in seine Weimarischen Gesellschaftsverhältnisse passen würde? Aber er stellte sie ja doch selbst als ein anmuthvolles[WS 1] Mädchen von großer Bildungslust und Bildungsfähigkeit dar, die sich auch in höheren Gesellschaftskreisen mit Tact und Geschicklichkeit bewegt habe. Wenigstens wäre sie ihm eine minder unebenbürtige Gattin geworden, als Christiane Vulpius, mit welcher er wenige Monate später eine Verbindung anknüpfte. Am wahrscheinlichsten däucht mir noch, daß ihm das Verhältniß zu Frau von Stein im Wege stand, wenn es gleich in ihm selbst schon im Absterben begriffen war und nicht lange nachher durch ein entschiedenes Zerwürfniß sich auflöste. Wie dem auch sein mag, das Entsagen ist ihm in diesem Falle nicht leicht geworden, und an der süßschmerzlichen Bewegung seines Inneren, an welcher er die letzten Monate in Rom bis zu seinem Aufbruch nach der Heimath (22. April 1788) litt, hatte die bevorstehende Trennung von der Geliebten gewiß ihren guten Theil. Scheint er auch in der letzten Zeit das Zusammentreffen mit ihr gänzlich vermieden zu haben, so versäumte er doch nicht, ihr einen Abschiedsbesuch zu machen.

Er fand sie im reinlichen Morgenkleide, wie sie zuerst in Castel Gandolfo ihm begegnet war; sie empfing ihn vertraulich entgegenkommend und drückte mit natürlicher Anmuth wiederholt den Dank für seine Theilnahme aus. „Ich werde es nie vergessen,“ sagte sie, „daß ich aus tiefer Verwirrung mich erholend unter den lieben und verehrten Namen der Anfragenden auch den Ihrigen nennen hörte; ich fragte wiederholt, ob es denn auch wahr sei. Sie setzten Ihre Erkundigung mehrere Wochen hindurch fort, bis endlich mein Bruder Sie besuchte, um für uns Beide den Dank auszusprechen. Ob er es so ausgerichtet hat, weiß ich nicht; ich wäre gern mitgegangen, wenn sich’s geschickt hätte.“ Dann fragte sie ihn nach dem Wege, den er zu nehmen gedächte, und als er ihr seinen Reiseplan[WS 2] vorerzählt hatte, rief sie: „O Sie Glücklicher, der Sie so reich sind, daß Sie sich dergleichen nicht zu versagen brauchen! Wir Andern müssen uns in die Stelle finden, welche Gott und seine Heiligen uns angewiesen haben. Schon lange sehe ich vor meinem Fenster Schiffe kommen und gehen (die Fenster gingen gerade auf die Treppen der Ripetta, und die Bewegung war eben sehr lebhaft), ich sehe ausladen und einladen; das ist unterhaltend für mich, und ich denke manchmal, woher und wohin dies Alles?“

Von ihrem Bruder, der wegen seiner Kenntnisse, Fertigkeiten und Redlichkeit bei seinem Principal, Herrn Jenkins, in großer Gunst stand, sprach sie mit Zärtlichkeit; sie freute sich, ihm seine Haushaltung ordentlich zu führen, ihm möglich zu machen, daß er bei mäßiger Besoldung noch immer etwas erübrigen und in einem vortheilhaften Handel anlegen könne, und so verbreitete sie sich noch weiter redselig und vertraut über ihre Familienzustände. Ihre Gesprächigkeit war dem Dichter willkommen, da er, alle Momente ihres zarten Verhältnisses noch einmal rasch an seinem Geiste vorüberführend, nicht eben in der besten Verfassung zum Reden war. In Gegenwart des eintretenden Bruders schloß sich dann der Abschied, wie er sagt, „in freundlicher, mäßiger Prosa.“

Als er vor die Thür kam, fand er seinen Wagen ohne Kutscher, den eben ein dienstfertiger Knabe zu holen fortlief. – Die Geliebte sah heraus zum Fenster des Entresols, das sie in einem stattlichen Gebäude bewohnte; es war gar nicht hoch, so daß man es fast mit der Hand hätte erreichen können. „Man will mich nicht von Ihnen wegführen,“ rief er ihr zu, „man scheint zu wissen, wie ungern ich von Ihnen scheide.“ Ihre Antwort und das weitere Gespräch, das sich daran knüpfte, hat er uns leider! aus Furcht, „es durch Wiederholung und Erzählung zu entweihen,“ nicht aufbewahrt. Es war, wie er sich in der seltsam gezirkelten Sprache seines Alters ausdrückt, „ein wunderbares, zufällig eingeleitetes, durch innern Drang abgenöthigtes lakonisches Schlußbekenntniß der unschuldigsten und zartesten wechselseitigen Gewogenheit, das mir deshalb auch nie aus Sinn und Seele gekommen ist.“

H. Epaulis.




Von der Baustätte des Berliner Aquariums.

Es war einmal ein durstig Jahr,
Da also groß die Hitze war,
Daß auf dem Kreuzberg frank und frei
Die Hühner krochen aus dem Ei.

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Da rief die Menschheit angstgeschwellt:

„Das ist der Untergang der Welt!“

Doch Doctor Brehm sprach voll Vertrau’n:
„Auf, laßt uns eine Arche bau’n,
Darin wir sammeln jedenfalls

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Die Meere all’ des Erdenballs,

Dazu die Flüsse süß und rein,
Dann wird es kühl im Kasten sein.“

Nun macht er an die Arbeit sich,
Baut eine Arche säuberlich

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Aus Felsen, Kalk und Ziegelstein,

Macht Grotten kühl und Keller d’rein,
Baut helle Gläser rings herum
Und nennt das Ding – Aquarium.

Mit diesen Worten begrüßte Rudolph Löwenstein vor wenigen Wochen das „Berliner Aquarium“, dessen Eröffnung binnen Kurzem bevorsteht. Berlin besitzt bekanntlich den ältesten Thiergarten Deutschlands, einen der ältesten Europas; derselbe ist jedoch trotz des lieblichen Parkes, in welchem er sich befindet, trotz

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: anmuthvollees
  2. Vorlage: Reseplan
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_620.jpg&oldid=- (Version vom 16.9.2022)