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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

„Immer dieser Unwille, dieser beständige Groll!“ entgegnete Alwine mit ihrem sanftesten Lächeln. „Dein Gemüth kommt mir vor wie ein gewittervoller Tag. Du bist sonst ein so braver Bursche, Ambros, und hast nur den einzigen Fehler an Dir, dieses heftige Wesen. Du solltest Dir vornehmen, es zu zügeln.“

„Will’s probiren,“ entgegnete Ambros nach einigem Zögern und Widerstreben, indem er dem Buben die Zügel des Pferdes aus der Hand nahm, um dieses selber zu leiten. „Ich kann Enk in nichts zuwider sein, Fräul’n.“

„No ja, da sieht man’s, was ein paar schöne Augen Alles können!“ rief die Funkenhauserin, welche herankommend die letzten Worte gehört hatte. „Sie können sich ’was einbilden, Fräul’n Wine, Sie richten bei dem Trutzkopf mehr aus, als wir Alle miteinander. Ich werd’s der Tonerl sagen, daß sie Ihnen die Kunst ablernt.“

Noch dunkler als sonst ward das Gesicht des Burschen von dem Roth überdeckt, welches ihm so leicht bei jedem Anlaß aufstieg. „Das ist ganz ’was Anders, Bas’,“ sagte er dann leise, zu dieser gewendet. „Das Tonerl hab’ ich gern. Ich gebet das Herz aus’m Leib für sie, und wer mir sie nehmen will, dem brich’ ich’n Hals ... Aber das Fräul’n, das g’mahnt mich immer an die Heilige, die in unserer Kirch’ auf’m Seitenaltar ang’malt ist, – weiß die Bäuerin, die mit die langen, lichten Haar’?“

„Die heilige Philomene,“ sagte die Bäuerin.

„Ja, die; an die mahnt sie mich, und wenn sie mit mir red’t, so ist’s mir g’rad’, als wenn ich in der Kirchen wär’.“

Schweigend schritt er wieder neben dem Thiere her, denn der Weg begann steiler und unebener bergan zu steigen. Es galt, die letzte Höhe durch den Bergwald zu überwinden. Von ferne zwischen den Bäumen ward es schon hell, und hie und da schimmerte mit grünem Lichte das Almthal herein. Jetzt war dasselbe erreicht. Ambros deutete nach der in der Mitte stehenden Sennhütte hin und rief: „Das ist die Blümelalm! Und da kommt ja auch der Herr Günther gerad’ vom Wald her auf die’ Sennhütt’n zu. Hat ihm also doch nichts g’nutzt,“ grollte er in sich hinein, „daß er mich hat anschmieren wollen. Er ist doch nur um ein paar Minuten früher als wir ’komma. – Die sind ihm nit z’ gut.“

Bald war die Gesellschaft an der Sennhütte angelangt, von Tonerl und Günther schon von Weitem mit lautem Zuruf empfangen und freundlichst begrüßt.

„Oho, Herr Günther!“ rief Ambros spöttisch. „Sie haben sich ja daher g’schlichen wie der Marder auf’n Taubenschlag. Nur ein bissel zu spät sind S’ gekommen! Sie können ja wieder ganz frisch marschiren, wie mir scheint. Thut Ihna der Fuß nimmer weh?“

„Nein,“ sagte Günther, indem er ihn, ebenfalls lachend, auf die Schulter klopfte. „Das war nur droben auf der schiechen Wand, aber wie ich in die Ebene herunter kam, da sind mir so schöne Sachen begegnet, daß mir alles Weh darüber vergangen ist.“

Ambros kniff den Mund zusammen, schoß einen wüthenden Seitenblick auf Toni und führte das Pferd beiseite dem Stalle zu. Nun ward die ganze Hütte durchwandert, ihre Reinlichkeit und Bequemlichkeit gepriesen und die Menge und Schönheit des stattlichen Viehes bewundert, das in gewohnter Weise zur Mittagszeit herankam, von seinem Milchreichthum entlastet zu werden. Dann ging es in die Stube, um von der Bergwanderung auszuruhen und sich die köstliche, frische Milch schmecken zu lassen, bis die Bäuerin aus den mitgebrachten Speisen ein Mittagsmahl bereitet haben würde. So bequem der Ritt gewesen, hatte er Alwinen doch ermüdet; sie hatte sich in das mit einem weißen Leintuch zusammengebundene Heubett der Sennerin, in den sogenannten Kreister, gelegt und war nach wenigen Augenblicken in einen sanften, tiefen Schlummer versunken.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Italienische Banditen in Chile. Während wir hier hören, daß Chile das den Araucanern noch nicht einmal abgenommene indianische Territorium mit deutschen Familien besetzen will, und die neuesten Zeitungen sogar wieder melden, daß die wilden Araucaner einen neuen Ueberfall ausgeführt und viele Menschen erschlagen haben, bringt eine englische Correspondenz aus Chile, nach Panama gerichtet, die Nachricht, daß die chilenische Regierung einen neuen Contract, und zwar mit der italienischen Regierung, abgeschlossen habe. Danach soll Victor Emanuel alle die eingefangenen Banditen und was er sonst in Italien los zu sein wünscht, nur auf Schiffe packen und nach Chile senden. Einen großen Theil für die Passage vergütet die chilenische Regierung, das Andere legt Victor Emanuel zu. Diese werthvollen Emigranten sollen nach der chilenischen Ansiedelung in der Maghellans-Straße geschafft werden.

Für Italien ist das nun jedenfalls sehr angenehm und uns hier in Deutschland berührt es nicht, aber wer sich darüber zu freuen hat, sind die deutschen Ansiedler in Puerto Monte und Chiloe, wie ebenfalls in Valdivia, denn daß sich jene wilden Charaktere nicht lange werden in den kalten und unwirthlichen Strecken der Maghellansstraße zurückhalten lassen, liegt auf der Hand.

Die Beispiele haben wir in allen Strafcolonien. Selbst in dem scharfbewachten Cayenne brechen die Sträflinge fortwährend aus, und in den Goldminen von Venezuela kann man ganze Trupps von ihnen sehen. Nirgends aber haben sie so günstige Gelegenheit, zu entkommen, wie gerade an der Westküste von Amerika, wo fortwährend Südwinde vorherrschen und die Strömung schon ein Boot, ohne Segel und Ruder, an der Küste hinaufführt. Ein Boot wissen sich aber solche überdies zur Verzweiflung getriebene Menschen immer zu verschaffen, und wenn sie die günstige Jahreszeit zu einem Fluchtversuch wählen, sind sie vollständig geborgen. Zahlreiche mit Büschen bewachsene Inseln bieten ihnen dabei zugleich, wenn nöthig, sichere Verstecke, oder auf der Fahrt Schutz gegen die Wogen des Oceans, und die deutschen Colonien, die allein nördlich von ihnen liegen, sind dann unausbleiblich auch ihr nächstes Ziel.

Unsere deutschen Landsleute in Puerto Monte und Valdivia mögen sich deshalb nur auf einen gelegentlichen Besuch italienischer Banditen gefaßt machen, den ihnen ihre für das Land in unleugbar thätiger Weise sorgende Regierung vorbereitet hat.

Fr. Gerstäcker.


Die unterbrochene Zeitungslectüre. (S. Abbildung auf S. 637.) Braucht es zur Erklärung unserer trefflichen Illustration eines besondern Hinweises auf das verrätherisch genug vom gastlichen Tisch herabhängende Zeitungsblatt, um in ihm eine Gabe jener berüchtigten Eris zu erkennen, deren Apfel einst die Götter entzweite und der noch heutzutage bei den Menschen dieselbe Wirkung thut? Wer wollte es etwa dem gnädigen Herrn auf seinem vom großen Weltverkehr abgelegenen Stammschloß verargen, wenn er seinen nothgedrungenen Umgang mit seinem Pastor, dessen Gewand sogar von der Mode der jüngeren Zeit noch nicht berührt ist, nicht so weit mißbrauchen läßt, die anstößigen Meinungen desselben ohne den Ausdruck entschiedener Entrüstung zu vernehmen?

Was in aller Welt mag aber der Milch der frommen Denkungsart hier so nachtheilig gewesen sein?

Verbirgt sich hinter den großen Brillengläsern des Schnupfenden ein National-Liberaler, der seine Opposition contra Mühler-Eulenburg vertheidigt gegen den feudalen Abonnenten der Kreuzzeitung? Oder hat der Gutsherr in seinem Eifer für den glaubensfesten Knak vergessen, daß er einem Mitgliede des Bremer Protestantenvereins gegenüber saß? Glaubt der Dampfende mehr an die Energie Bismarck’s, während der Schnupfende alle seine Hoffnungen auf die Gewandtheit Beust’s setzt? Schwärmt der Herr auf und zu nur für die Farben Schwarz-roth-weiß und springt dagegen der alte Jenaische Burschenschafter und jetzige Hochwürden für sein geliebtes Schwarz-roth-gold ein?

Suchen wir nun auch vergeblich nach der Ursache des plötzlichen Zwistes, den ein vielleicht an sich ganz unbedeutender Artikel der Zeitung hervorgerufen, so beruhigen uns doch verschiedene Andeutungen über die Tragweite desselben. Der Edelmann hat die Pfeife nicht weggeworfen, sondern er zieht nur vollere Wolken aus ihr hervor, und das wirkt zornstillend; und der geistliche Herr hat nicht die Flucht, sondern nur die Dose ergriffen. Das Hauptmerkmal ist aber der kluge neutrale Spitz, der es, bei aller Treue für seinen Herrn, auch mit dem Pastor, welcher ihm manches Wursthäutlein spendet, nicht verderben will und auch bei diesem Zerwürfniß erfahrungsgemäß denkt: „Es macht nix, sie werden schon wieder gut!“


Oppenheim’s Bilder. Wir glauben eine Pflicht gegen unsere Leser zu erfüllen, wenn wir ihnen mittheilen, daß die unserer heutigen Schilderung des Laubhüttenfestes beigedruckte Illustration, nach uns freundlichst ertheilter Genehmigung des Verlegers, einer kürzlich (in Heinrich Keller’s Kunstverlag) erschienenen zweiten Abtheilung der Oppenheim’schen Genrebilder aus dem altjüdischen Familienleben entnommen ist. Diese zweite Sammlung enthält, wie die erste, so allgemein anerkannte und von der Gartenlaube bereits rühmend erwähnte Abtheilung, wiederum sechs vorzügliche photographische Nachbildungen eindrucksvoller Originalgemälde Oppenheim’s, so daß dem Publicum nunmehr eine aus zwölf Bildern bestehende, durch ihren künstlerischen Werth sowohl als durch höchst charakteristische Momente und gemüthreich-poetische Auffassungen sich auszeichnende Galerie zur Verfügung steht. Die Anschaffung ist Seitens der Verlagshandlung sehr erleichtert, da jede der beiden Abtheilungen nebst trefflichen Erklärungen von Leopold Stein in drei verschiedenen Ausgaben zum Preise von achtzehn Silbergroschen bis zwei Thaler und zwanzig Silbergroschen erschienen ist. Auch einzelne dieser Blätter werden abgegeben und kosten, je nach ihrem Umfange, drei und einen halben Thaler, oder einen Thaler, oder fünfzehn Silbergroschen.



Inhalt: Ein Pistolenschuß. Aus den Erinnerungen eines russischen Officiers. – Aus den vier Wänden des jüdischen Familienlebens. Nr. 2. Das Laubhüttenfest. Mit Illustration. – Drei Salons. – Eine südamerikanische Hauptstadt. Von Fr. Gerstäcker. – Süden und Norden. (Fortsetzung.) – Blätter und Blüthen: Italienische Banditen in Chile. – Die unterbrochene Zeitungslectüre. Mit Abbildung. – Oppenheim’s Bilder.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 640. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_640.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)