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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

entschließen, im Freien zu leben. Aber noch saugt es regelmäßig, ja, es setzt das fort, so lange die Alte es gestattet: es saugt noch, nachdem es bereits selbst ein Junges im Beutel trägt und seine Mutter wiederum ein jüngeres Geschwister an eine ihrer Saugwarzen angeheftet hat.

So viel zur Erklärung unseres Bildes. Eine bessere Erläuterung des Lebens der Kängurus, als ich sie zu geben vermochte, wird jedem meiner Leser ein Besuch im Thiergarten zu Köln, zu Dresden, Frankfurt oder Breslau geben; denn das Leben spricht beredter, als alle Worte.




Curir-Schwindeleien.
Ueber Haut- und Schönheitsmittel.

Ja, wenn sie nur dumme Gimpel wären die Menschen, die sich von Geheimmittelschwindlern ihr schönes Geld aus der Tasche stehlen lassen, dann könnte man über eine solche bornirte Gimpelhaftigkeit lachen. Aber man hat Grund über solche Menschen zu weinen, weil sie nicht blos Gimpel, sondern auch Verbrecher am Leben und an der Gesundheit ihres Körpers, gar nicht selten subtile Selbstmörder sind. Denn einestheils üben viele Geheimmittel wegen ihrer schädlichen Bestandtheile ganz unmittelbar einen sehr nachtheiligen Einfluß auf den menschlichen Körper aus, anderntheils werden ihretwegen die wirklich heilbringenden Maßregeln gegen die vorhandenen Leiden verabsäumt. – Verzweifeln könnte Verfasser auch darüber, daß die Zahl der Geheimmittel von Tag zu Tag nur aus dem Grunde enorm wächst, weil die meisten Menschen wegen ihrer ganz mangelhaften Schulbildung über das, was in der Natur, sowie im menschlichen Körper vorgeht, nicht richtig denken gelernt haben. – Wenn die durch Geheimmittelschwindler Betrogenen nur wenigstens so ehrlich und human wären und zu Nutz und Frommen ihrer Mitmenschen, um diese vor pecuniärem und körperlichem Schaden zu bewahren, ihre schlimmen Erfahrungen veröffentlichten! Aber sie thun es leider aus Scham über ihre Dummheit nicht. – Jedes Geheimmittel, es mag einen Namen haben welchen es will, es mag herrühren, von wem es will, ist und bleibt stets nur ein Schwindel.

„Es oder Er hat mir aber doch geholfen,“ behauptet Mancher von Denen, die sich mit Geheimmitteln, sympathetischen oder homöopathischen Nichtsen, durch Lutzen oder Lampen (=Nachfolger), mit Lobe, Hoff’schem Malzextract oder Daubitz’schem Schnaps u. s. f. curiren ließen Und solch eine Behauptung zeugt recht deutlich von der Urtheilsunfähigkeit jener Geheilten. Denn daß ihre Heilung, die gar nicht bezweifelt werden soll, auf ganz andere Weise zu Stande kam, als mit Hülfe jener Charlatane und Chartatanerien, das zu denken, ist ihnen unmöglich, und das sich erklären zu lassen, bringt man bei den Meisten, als ob sie ein Bret vor’m Kopfe hätten, nicht fertig. Man wolle sich’s doch endlich einmal merken: daß der menschliche Körper zu seinem großen Glücke von der Natur so eingerichtet ist, daß krankhafte Veränderungen innerhalb desselben solche Vorgänge nach sich ziehen, durch welche die meisten Krankheiten vollständig oder theilweise, bald schneller, bald langsamer gehoben werden. Man bezeichnet jene heilsamen Vorgänge mit dem Namen „Naturheilungsprocesse“. Ihnen ist es zuzuschreiben, daß so viele Krankheiten ohne Arznei und Arzt, bei homöopathischen Nichtsen, kurz bei dem verschiedenartigsten und blödsinnigsten Hokuspokus, sowie bei den allertollsten Gaukeleien heilen. Sie machen es auch erklärlich, daß bei ein und derselben Krankheit von verschiedenen Heilkünstlern eine Unmasse der verschiedenartigsten Arzneien, angeblich mit Glück, angewendet werden, während wiederum ein und dasselbe Heilmittel bei den verschiedenartigsten Krankheiten heilsam sein soll. Jene Naturheilungsprocesse bei jedem einzelnen Krankheitsfalle auf die passende Weise zu unterstützen und zu fördern, das ist die Aufgabe eines vernünftigen Heilkünstlers. Dies kann aber nicht nach ein und derselben Schablone, durch ein und dieselbe Heilmethode geschehen.

Um nun wieder auf den Geheimmittelschwindel zu kommen, so ist es recht traurig, daß fast jedes Zeitungsblatt die schamlosesten Anpreisungen von Geheimmitteln enthält, und daß sogar unsere Tagespresse, die von sich rühmt, für Aufklärung, für Wahrheit und Recht zu kämpfen, gegen höhere Insertionskosten das Versprechen giebt, nichts aufzunehmen, was dem Absatz des angepriesenen Mittels schaden könnte. Daß dem so ist, beweist eine Bekanntmachung der Berliner Polizeidirection, welche sagt: „um sicher zu gehen, haben sich sogar Anfertiger und Verbreiter von Geheimmitteln mit Redactionen mancher Zeitungen, deren Spalten sie mit Anpreisungen füllen, contractlich dahin geeinigt, daß die betreffenden Zeitungen niemals Artikel, welche gegen das in Rede stehende Mittel gerichtet sind, aufnehmen dürfen.“ – Betrübend ist es ferner, daß manche solche Industrie-Ritter und Quacksalber aller Art, anstatt als Betrüger und Gesundheitsschänder an den Pranger gestellt zu werden, sogar noch mit Titeln (Sanitätsrath, Hoflieferant, Director), Ehrenmedaillen, Orden und dergl. ausgezeichnet werden.

Das meiste Geld wird für Haut- und Schönheitsmittel zum Fenster hinausgeworfen. Denn urn einen schönen Teint und eine reine Haut, zumal im Gesichte und an den Händen, zeigen zu können, opfert besonders das nicht-schöne schöne Geschlecht auch die letzten Thaler aus der Sparbüchse. Mit kosmetischen Mitteln kann der Schwindel im Handel seine Schwingen am freiesten bewegen. Frankreich ist das Mutterland der kosmetischen Schwindelei und hier giebt es so viele ausgezeichnete Schönheitsmittel, daß Häßlichkeit bald ein überwundener Standpunkt sein wird. – Man glaube nun aber ja nicht etwa, daß diese Geheimmittel ganz unschuldiges Zeug sind; sie können auch der Gesundheit sehr nachtheilig werden, weil viele derselben giftige Substanzen (z. B. Quecksilber, Blei etc.) enthalten. Die bekanntesten Schönheits-Geheimmittel sind folgende:

1) Albion, aus Paris, enthält in einem aromatischen Wasser Chlorblei und mitunter auch Calomel (also zwei giftige Substanzen, Quecksilber und Blei). Es soll die Haut frei von Runzeln und weiß erhalten. – 2) Circassia-Wasser von Ruoff in Heilbronn, soll das Nonplusultra aller Schönheitsmittel und das nobelste Parfüm sein. Es besteht aus starkem Alkohol mit einigen Tropfen von Zimmet-, Nelken-, Bergamott- und Lavendelöl und Perubalsam. Das 1/3 Loth enthaltende Glas kostet 16 Kreuzer und ist nur 6 Kreuzer werth. – 3) Cosmeticum von Simerling, gegen Sommersprossen, Hautübel etc., wird so bereitet, daß 2 Loth süße und 1 Loth bittere Mandeln geschält und mit 20 Loth Wasser zu einer Mandelmilch zerstoßen, dann durchgeseiht und mit Benzoetinctur (1 1/2 Loth) und Citronensaft (1 Loth) vermischt werden. – 4) Iriswasser von Mode in Berlin, zur Verschönerung der Haut, eine Art Kummerfeld’sches Waschwasser, aus Brunnenwasser, worin etwas Kochsalz, Lavendel- und Citronenöl aufgelöst und mit rohen Schwefelblumen versetzt sind. Es hat einen Werth von 3 Kreuzer und kostet 1 Gulden 48 Kreuzer. – 5) Kräuter-Seife von Borchardt (der verkappte Goldberger) in Berlin. Eine sehr angenehm riechende, 16 Kreuzer zu viel kostende Seife aus Curcumapulver und einigen ätherischen Oelen (Lavendel-, Bergamott-, Zimmet- und Pfefferminzöl), mit einer Spur von Indigocarmin. – 6) Lait antephélique von Candes und Comp. in Paris, Waschmittel gegen Sommersprossen und andere Hautfehler. Enthält in 1000 Gewichtstheilen 10 Quecksilbersublimat, 1 Salmiak, 140 Eiweiß, 7 schwefelsaures Bleioxyd, 2 Kampher und 840 Wasser. Kostet 5 Franken und ist ist 1/2 Franken werth. – 7) Lait de perles ein Schönheitswasser mit Bleiweiß. – 8) Lenticulosa von Hutter und Comp. in Berlin, ein Schönheitswasser, aus Zucker.(1/2 Loth), gereinigter Potasche (3/8 Loth), Weingeist (1/2 Loth) und Orangenblüthenwasser (6 1/4 Loth). Die 8 Loth enthaltende Flasche kostet 1 Thlr. und ist nur wenige Groschen werth. – 9) Lilionese, ein sehr verbreitetes Schönheitsmittel, ist eine übersättigte wässerige Lösung von einfach-kohlensaurem Kali und mit einigen ätherischen Oelen parfümirt. Preis 25 Sgr., Werth 3 Sgr. – 10) Odalin von A. T. E. Vogel in Berlin, Schönheitswasser gegen Sommersprossen, Leberflecken, spröde Haut etc., ist eine Lösung von Borax in unreinem verdünntem Glycerin, mit Fuchsin rosenroth gefärbt und mit Rosenöl parfümirt. Preis 7 1/2 Sgr., Werth 2 Sgr. – 11) Schönheits-Maithau von F. v. Mrzerski in Lemberg, zum Ausglätten der runzligen Haut gegen Sommersprossen und Hautflecken aller Art, enthält weißen Thon ( 1/2 Loth), Glycerin (1 Loth), Wasser (8 Loth), Glaubersalz, schwefelsaures Kali, essigsauere Thonerde, essigsaures Natron (von jedem 3/4 Loth) und wohlriechende Oele. Preis 1 Thlr., Werth 2 Sgr. – 12) Schönheitsmilch von Pohlmann in Wien, besteht aus süßem Mandelöl (1/2 Loth), Glycerin (1/2 Loth), arabischem Gummi (1/2 Loth), Erdbeerwasser (etwa 24 Loth), Benzoetinctur 1 Loth) und Essentia Calydor (aus Macisöl, Patschuliextract, Jasminextract, Perubalsam, Tolubalsam, Benzoe). – 13) Schönheitswasser, ist gewöhnliches Wasser (oder Rosenwasser) mit Calomel. – 14) Russisches Schönheitswasser von Frau Schmarl in München, ist mit schwerspathhaltigem Bleiweiß vermengtes

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_719.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)