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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

sich wünschen kann, sind in unserm Hause zu erhalten, wie nur irgendwo auf der Sonnenseite der Blauen Berge.

Seid Ihr hungrig? So kommt in unser Haus.
Durstig? Trinkt bei uns.
Seid Ihr müde? Schlaft bei uns.
Seid Ihr traurig? Wir werden Euch trösten.
Seid Ihr fröhlich? Wir werden uns mit Euch freuen.
Seid Ihr verrückt? Kommt, wir werden Euch in Sicherheit bringen.
Kommt, kommt Alle und besucht uns!“

Heirathsanzeigen werden stets mit einem Geschenk an die Druckerei zur Aufnahme in die Zeitung geschickt. Am Schluß dieser Annoncen pflegt dann die Druckerei meist wie folgt das Wort zu ergreifen: „Unser Personal dankt bestens für das Präsent und hat die Gesundheit des glücklichen Paares in strömendem Champagner getrunken.“ Die Spende besteht gewöhnlich in einem Viertel- bis einem halben Dutzend Flaschen Champagner[1]; dagegen werden in der Regel keine oder nur sehr geringe Insertionsgebühren bezahlt. –

Ohne Zweifel würden die Leser dieser Blätter höchlichst verwundert sein, wenn eines schönen Freitags unsere Zeitschrift einmal anstatt auf das gewohnte stattliche weiße Papier auf ordinäres braunes Papier gedruckt ihnen zukäme, weil „der Vorrath ausgegangen ist und die Verlagshandlung augenblicklich kein anderes Papier hat auftreiben können.“ Solche kleine Zwischenspiele mit der angeführten Entschuldigung haben wir jedoch im Westen Amerikas selbst mehrmals erlebt. Desgleichen lasen wir in einem auf Vancouver Island, im britischen Nordamerika, erscheinenden Blatte wörtlich folgende Benachrichtigung: „Das Papier von der gewöhnlichen Größe unserer Zeitung ist gegenwärtig nicht zu haben, wir werden mithin in kleinerem Formate erscheinen, bis uns der nächste Dampfer neuen Papiervorrath zuführt.“ Das nämliche Organ wurde eines Tages mit einer ganz unbedruckten Seite ausgegeben und dieser Mißstand folgendermaßen erklärt: „Ein unglücklicher Zufall hat die Satzform zerstört, zum nochmaligen Satze der Columne war keine Zeit, unsere Leser werden also die leere Seite entschuldigen.“

Eine nicht unbeträchtliche Zahl der im fernen Westen publicirten Blätter werden von Frauen redigirt, und diese Redactricen thun es in Kraftausdrücken und wuthschnaubenden Invectiven den Männern womöglich noch zuvor, namentlich, wie unlängst, in den Zeiten der großen politischen Wahlen, wo alle Leidenschaften aufgestachelt zu werden pflegen. Einer dieser weiblichen Redacteure läßt sich in seinem politischen Ingrimm also aus: „Ich bin eine Frau und kann folglich den jämmerlichen Hund, welcher die Zeitung jenseit des Weges herausgiebt, nicht selber durchbläuen, aber ich habe einen Sohn, der ihm in weniger als zwei Minuten den Standpunkt gründlich klar machen wird.“ Vor diesen großen Wahlen zeigt sich die Westamerikanische Presse immer in ihrer vollsten Glorie; dann ist jedes Blatt ein brüllender Löwe, der die Tatzen hebt und Alles, Groß und Klein, niederzuschlagen und zu verschlingen droht, was sich unterfängt, anderer Meinung zu sein als er.

Gewöhnlich haben Herausgeber und Redacteure der westamerikanischen Blätter freie Fahrt auf Eisenbahnen, Dampfbooten und Postkutschen und wohl auch freie Zeche und freies Quartier in Gasthöfen und Hôtels; dafür aber müssen sie die betreffenden Gesellschaften und Directionen wie die Wirthe und Hôteliers in ihren Zeitungen mit allen Prädicamenten herausstreichen. Dies ist entschieden ein sehr fauler Fleck der amerikanischen Presse und als solcher von den besseren Organen auch anerkannt und zu beseitigen versucht worden. Indeß ist es bis heute nur zum Theile gelungen, und obschon die Gesetzgebung des Staates New-York ausdrücklich ein Verbot gegen dieses Reclameunwesen erlassen, so blüht es doch in den meisten Blättern des Westens noch auf das Lustigste fort. Eines dagegen gereicht der Presse in den fernen Prairien und Bergen des nördlichen Amerika zur hohen Ehre: sie hält sich durchaus rein von Zweideutigkeit und Frivolität, wie sie leider in der populären Literatur auch unserer deutschen Städte immer mehr überhand nehmen. Sie ist ein ungeleckter Bär, roh und ungeschlacht, leidenschaftlich und gewaltthätig, ihre Redacteure und Leiter sind oft eben so ungeschliffen, abenteuer- und händelsüchtig, wie ihre Leser, aber sie meint es ehrlich, ehrlich im Haß wie in der Liebe, und ohne sie dürfte noch lange Zeit verrinnen, ehe in jenen weltentlegenen Wildnissen die brutale Barbarei der menschlichen Gesittung das Feld räumte.




Thiercharaktere.

4. Der Fuchs.
Von Gebrüder Adolf und Karl Müller.

Eben hat die Nebelhaube auf einer der Kuppen des Gebirges sich etwas zu Thal gesenkt, und ein bleicher Strahl stiehlt sich durch den leichteren Dunst über der herbstlich gelichteten Buchenwaldwölbung. Still ist die Waldnatur; nur daß jetzt das Geraschel eines vom Reif geknickten fallenden Laubblattes die Stille unterbricht, nun der eigenthümliche Ruf „Schaokschaokschaok“ einiger Vogelkehlchen unser Ohr trifft. Horch! jetzt ertönt’s plötzlich wie erstickte Stimmen sterbender Vögel – ein Geflatter erfolgt – dann ist’s wieder lautlos wie zuvor. Neue Nebelstreifen kommen und ziehen durch’s Gehölze mit grauem Flor, der endlich heller und heller von dem steigenden Tage durchbrochen wird. Allmählich dämmern die glatten Stangen eines Buchenortes aus dem Zwielicht auf – und auf einmal wie durch einen Zauber beleuchtet der siegende Frühstrahl eine belebte Waldscene vor uns, wie wir sie unter der vorherigen Stille des öden Nebelgrauens nicht geahnt hätten.

Wir stehen vor einem „Dohnensteig“ oder einer „Vogelschneiße“. Längs eines alten Holzweges hängen „Dohnen“ oder „Biegel“ in Dreiecksform am niedergehenden Geäste und Gezweige der Buchen, die kleinen Galgen mit unterhängenden Vogelbeeren und in der Mitte mit zwei in ihren „Schleifen“ halb sich deckenden Pferdehaarschlingen versehen, den nach den Beeren abwärts pickenden Vögeln den Hals verschlingend. Nun löst sich uns auch das Räthsel der vorher vernommenen Klagetöne: – an mehreren Dohnen hängen in den Schlingen gefangene Krammetsvögel. Ein „Flug“ vor unserem Anblick scheu gewordener Drosseln ist aufgestoben und fällt nahe wieder in die Schneiße ein, da und dort den Tod sterbend in den trügerischen Biegeln. – Doch horch! der ewig rege Wachtmeister des Waldes, der Eichelheher, ruft mit einem gellenden „Gähk“ Etwas an – und was kündet plötzlich der langgezogene Warnruf „Sieh“ des Rothkehlchens dort auf jener Hartriegelstaude, über die sich das zählebige Grün der Brombeerranke schlingt? Das hohe Schnellen des Schwanzes und die tiefen Bücklinge unter dem wiederholten Warnungsrufe deuten an, daß das wache Thierchen des Waldgebüsches etwas Auffallendes in seinem Waldbereiche bemerkt hat und nun der Umgebung seine Entdeckung auszuplaudern bestrebt ist. Ja, es muß eine ganz besondere Erscheinung die Bühne des Waldes betreten, da jetzt auch der kleine schelmische Gnom Zaunkönig hinter einem Holzstoße hervor in einer langen Reihe von rrrrr unter dem beweglichen Tactstäbchen seines hochaufgeschürzten Hintertheils den erregten Gefühlen seines Herzens Luft macht.

Und sieh! die Wächter der Gebüsche haben den Rechten verrathen. Schon ist er „vertraut“ den „Paß“ heran zum Holzweg geschlichen. Da steht er im Lichten „windend“, die feine Nase hoch in der Luft; da steht er mit dem eigenthümlich mephistophelischen Schielen der grünlich leuchtenden Augen voll Lüsternheit und Blutdurst, die Muskeln jedes Gliedes gespannt vor Erwartung, das „Gehör“ vorgereckt und also das vor ihm liegende Jagdrevier auskundschaftend. Es ist Niemand anders als unser Gauner Fuchs, der Waldräuberhauptmann mit dem stets wandelbaren Mordsinn auf Alles, „was da kreucht und fleucht“,

vom Hirschkalb und Reh bis zur Maus herab, vom dummbrütenden

  1. Würde sich auch bei uns in Deutschland zur Nachahmung empfehlen!
    Der Setzer. 
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 763. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_763.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2021)