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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

und um Hildesheim außerordentlich verdienten Senator Römer eine Zeitlang vertreten wurde, erhielt sich nicht lange. Sie stellte die betreffenden Gegenstände sehr hoch, aber bald hieß es: höher hinauf.

Am 25. October kam der Professor Friedrich Wieseler von Göttingen nach Hildesheim, um den Fund in Augenschein zu nehmen und wo möglich endgültig über die inzwischen aufgetauchte Frage zu entscheiden, ob nicht wenigstens einzelne Stücke desselben dem classischen Alterthum, der Griechen- und Römerzeit ihre Entstehung verdankten. Der Professor erschien ohne vorgefaßte Meinung und mit dem Entschluß, jedem Zweifel an der Herkunft der Gefäße aus altrömischen Werkstätten Gehör zu geben und jeder Spur einer Entstehung derselben in der Zeit der Renaissance sorgfältig nachzuforschen. Hatte sich doch bisher Niemand, auch nur im Traum, beikommen lassen, daß so hoch oben im Norden ein Schatz wirklich antiker Gefäße und Geräthe von solcher Menge und solcher Schönheit vorhanden sein könne.

Altrömischer Becher aus dem Hildesheimer Silberfund.

Allerdings sind im Bereiche der Landstriche, die früher das Königreich Hannover bildeten, römische Münzen, vorzüglich silberne, bisweilen in ziemlich großer Anzahl bei einander gefunden worden. Aber aus dem Gebiete der Gefäße von Edelmetall hat man hier nur eine kleine silberne Schale in Bruchstücken ausgegraben, und der Fundort derselben liegt weit entfernt von Hildesheim, bei Lengerich im Osnabrück’schen.

Ja noch mehr, nicht nur Hannover, nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa hat in neuerer Zeit noch nie einen Schatz altclassischer Kunstwerke von edlem Metall der Erde entsteigen sehen, der dem Hildesheim’schen gleich zu stellen wäre. Der im Jahre 1830 bei Bernay in der Normandie gemachte Fund dieser Art übertrifft den unsern nur nach der Zahl der Stücke (es waren 69) um etwas, steht ihm aber sonst in allen Beziehungen nach. In Pompeji ferner wurden 1835 Silbergefäße ausgegraben, aber es waren nur fünfzehn, und keines derselben war von höherem Werth als eins der am Hildesheimer Galgenberge zu Tage geförderten. Dort bei Bernay sodann war man auf dem Boden eines früher völlig romanisirten Landes, und hier in Pompeji hatte man eine in ihrer vollen Blüthe unvermuthet verschüttete Stadt Mittelitaliens vor sich, während in die Gegend Hildesheim’s Römer nur selten und nur vorübergehend gekommen sein konnten. Endlich sind auch die glänzenden Funde von ähnlichen Gegenständen, die in Südrußland vorkamen, dem Hildesheimer nicht überzuordnen; denn sie haben niemals soviel Silber auf einmal geliefert.

Altrömische Schale aus dem Hildesheimer Silberfund.

Nach alledem war große Vorsicht in der Beurtheilung geboten, und diese Vorsicht hielt den untersuchenden Göttinger Gelehrten auch dann noch von einem endgültigen Bescheid zurück als er sich nach kurzer Besichtigung des Fundes auf Grund des Kunstwerthes desselben stark der Ansicht zuneigte, daß derselbe mindestens in einigen seiner Theile in der That aus dem classischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 797. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_797.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)