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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

nächsten besten Geisbock erschießen, der da vergnügt wie ein Pascha mit gekreuzten Beinen in seinem meckernden Harem sitzt?

Man meint bisweilen, so einfache und primitive Verhältnisse, wie die der Bauern, hätten keine Mysterien; und doch zeigt sich das mysteriöse, das geheim verwegene, das vehmartig vermummte Treiben, das unter der einfältigen Oberfläche im ländlichen Leben regiert, ganz eclatant beim Wildschützenunwesen. Der Rächer erscheint wie aus dem Boden gestiegen, der Verbrecher verschwindet wie in den Boden versunken; Jeder weiß im Geheimen Alles und öffentlich wissen Alle nichts – es besteht ein tyrannisches Zusammenhalten.

Ich erinnere mich noch heute an eine Scene im Wirthshaus von Kreuth. Es war ein Herbstabend, der Mond war voll, Grenzjäger und Forstleute saßen am Tische, der dicht beim Fenster stand. Auf einmal – ein Blitz, ein Knall, die Scheibe splittert, eine Kugel fliegt zwischen den Köpfen Zweier, die keine Handbreit auseinander waren, in die Decke. Der Eine fuhr sich gemüthlich mit der Hand über’s Ohr, wie’s etwa der Tiras mit den Pfoten thut, wenn er besorgt um seine Ohren ist, die Andern stürzten hinaus in’s Freie. Es waren nicht sechs Schritte bis dorthin, und doch war weit und breit keine Spur zu sehen. Lautlos und mondhell war die Nacht, Alles wurde durchsucht und Alles war umsonst! – Hier war das Werk der Rache mißlungen; aber oft genug ereignen sich Fälle, wie der, welcher unserem Künstler vor Augen gestanden, wo die Kugel des Wilderers nur zu gut getroffen hat und das Opfer der Rache den Seinen in solchem Zustande heimgebracht wird.

Was die gerichtliche Verfolgung solcher Fälle angeht, so liefert auch diese nur selten ein volles Ergebniß. Häufig leibt der Thäter zweifelhaft; häufig weiß er sich in jenen Fällen, die tödtlich ausgehen, mit Nothwehr zu rechtfertigen.

Nur eine veränderte Anschauung kann diese Verhältnisse bessern; die Meinungen, nicht die Gesetze (wie Manche glauben) müssen sich ändern.

Carl Stieler.


Blätter und Blüthen.


Deutsche Christbäume im Ausland. Es ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß, wer einmal als Kind unter einem Christbaume gestanden, denselben nie im Leben wieder vergißt und ihn mitnimmt, wohin ihn auch sein späteres Schicksal wirft.

Mein Schicksal ist es gewesen, daß ich Weihnachten in den verschiedensten Ländern der Erde zubrachte, und ordentlich rührend war es zu sehen, wie hartnäckig die Deutschen aller Orten an der alten lieben Sitte fest hielten und diese, während ihre Erinnerungen wie in einer Art von Heimweh an dem alten Vaterland hafteten, gleichsam über die Erde säeten.

In England hat der Christbaum schon durch die halb deutsche Königin feste Wurzel geschlagen und ist nicht mehr auszurotten. Langsam, aber sicher streut er, von London aus, seinen Samen durch das ganze britische Reich, und die Zeit wird kommen, wo sich ein englisches Kind ebensowenig ein Weihnachtsfest ohne Baum denken kann, wie ein deutsches.

Und Amerika? – wohin ich hörte, wurde nur, wenn von Weihnachten die Rede war, von einem Baum gesprochen, und in Venezuela sagte mir ein echter Yankee, als die Rede auf Weihnachten in den Vereinigten Staaten kam und ich ihn frug, ob er auch den Christbaum kenne: „Nun, wir werden doch das Christfest nicht ohne Tanne verbringen sollen?“

Größere Hindernisse haben südlichere Völker zu bewältigen, da unsere Nadelholzbäume unter den Tropen nicht so recht gedeihen, aber sie wissen es doch auch in vielen Fällen möglich zu machen, und wo sie durch benachbarte hohe Gebirge begünstigt sind, pflanzen sie jetzt sogar die Christbäume an.

Als ich noch, vor mehr als zwanzig Jahren, in Louisiana war, hatten wir große Noth um einen Christbaum, denn weder Fichten noch Tannen gab es in der Nachbarschaft, nur einzelne Kiefern standen dort in dem niedrigen Land, und ein Kieferwipfel mußte deshalb zu einem Christbaum ausgeschnitten werden. – Aber auch Lichter fehlten, um ihn zu erleuchten, und ich erinnere mich noch recht gut, welche Mühe ich hatte, um sie herzustellen, aber ein Weihnachten ohne sie war nicht denkbar – und es ging. Es wurden kurze Schilfstücken (das dortige sogenannte cane) in gleiche Längen geschnitten, dann ein Docht hineingezogen, und das Ganze dann mit dem gelben Wachs wilder Bienen ausgegossen. Allerdings konnte man die Form nicht wieder entfernen, aber das schadete auch Nichts; das Material war werthlos, und mit einem scharfen Messer gelang es leicht das Schilf oder Rohr in seinen Streifen von den also gegossenen Wachslichten abzuschälen und diese dadurch vollkommen herzustellen.

Ebenso fehlte es an einem Conditor in Pointe Coupée, um den Baum zu füllen, aber auch das wurde überwunden. Die Hausfrau buk dünne Kuchen, diese schnitten wir in alle mögliche Formen und hatten die Genugthuung, an dem heiligen Abend die Kinder den aufgeputzten und mit Lichtern besteckten Baum unter lautem Jubel umspringen zu sehen.

Ich habe trübere Weihnachten verlebt!

Drei Christtage hintereinander lag ich in den wilden Wäldern von Missouri und Arkansas, einsam bei meinem Lagerfeuer, aber stets suchte ich mir dann einen Nadelholzbaum, unter dem ich mein Feuer entzündete, und wenn es auch in der einen Nacht vom Himmel herunterschüttete wie mit Mulden, wenn auch in einer anderen Schnee den Grund deckte und die kleinen Eiszacken wie Zuckerwerk von den Zweigen niederhingen und in dem Gluthenschein meines Feuers blitzten und funkelten, im Geist war ich doch daheim bei den Lieben, und ich hätte die Nacht nicht um das wärmste trockenste Lager missen mögen.

Ein Weihnachten verbrachte ich in Batavia. – Aber auch dort wissen sich die Deutschen – und mit ihnen schon manche holländische Familien – zu helfen. Ein Weihnachtsbaum muß geschafft werden, ob der nun aus Taxus oder einem anderen ähnlichen Stamm hergestellt wird. Die Zweige sind störrisch, aber man stützt sie mit Bambusstäben, daß sie die Lichter tragen, und Abends funkeln sie doch selige Erinnerungen in die Herzen der Eltern und Jubel in die der Kinder hinein.

In Lima verbrachte ich eine andere Weihnacht. Trostloses Land, in dem kein Regen fällt, kein Baum gedeiht – dort gab es keine Bäume, auch fast keine deutschen Familien, und die einzige Erinnerung war Sonneberger und Nürnberger Spielzeug, das auf der Plaza von Lima von Indianern und Mulatten feilgehalten wurde, während ringsumher angezündete Lichter den Baum ersetzen mußten.

Ein Weihnachten verbrachte ich in der Südsee auf einem Walfischfänger – trauriger heiliger Abend! Wir trieben mit halbgerefften Segeln draußen auf dem Ocean umher – es gab keinen Baum und keine Lichter. Nur eine trübe Oellampe brannte in der Cajüte und dort wurde ein steifer – vorn in dem Vorcastle bei den Matrosen ein schwacher Grog gebraut, das war der ganze Weihnachtsjubel. Die einzigen Bäume, die wir dort hatten, waren die Mastbäume, und Alles, was daran hing, der Ausguck, der sich den ganzen Tag umsehen mußte, ob er keine „Fische“ erspähen könne.

Besser war es in Mexico, wo ich das letzte Weihnachten verbrachte, und zwar in der Hauptstadt des Landes.

Der dortige Christmarkt versetzt uns im Nu in die Heimath. Man kann es sich kaum denken, daß man sich unter den Tropen befindet, denn ein solcher Wald von Fichtenbäumen ragt überall empor, und zahlreiche Buden mit Zuckerwerk wie die tausend verschiedenen kleinen, oft sehr originellen Spielsachen werden überall in Buden feilgeboten.

Die Hochebenen von Mexico sind aber auch unseren Nadelhölzern besonders günstig und sie gedeihen mit außerordentlicher Ueppigkeit. Ich habe wirklich in meinem Leben keine schöneren und regelmäßiger gewachsenen Fichten gesehen wie gerade in Mexico, und wie prachtvoll werden sie dort von den Deutschen aufgeputzt! Auch das kann ihnen Nichts von ihrem Reiz nehmen, daß statt vergoldeter Aepfel vergoldete Bananen und Granatäpfel daran hängen, die Kinder jauchzen ihnen mit ebensolcher Lust entgegen und in den Eltern lebt die eigene Jugend wieder auf.

Und was für ein Drängen und Treiben auf dem Christmarkt dort! Aber die katholischen Christen jener fremden Welt haben ja einen fast ähnlichen Gebrauch wie unseren Christbaum, das sogenannte nacimiento oder Geburtsfest des Heilandes, wo sie eine ihrer Stubenecken mit grünen Zweigen und Moos schmücken, mit Lichtern bestecken und mit kleinen Figuren und Gruppen aus der biblischen Geschichte füllen. Von dem Nacimiento bis zu unserem Christbaum ist aber nur ein Schritt, und da sich auch viele Deutsche mit mexicanischen Familien verheirathet haben, so rückt unser alter lieber Christbaum mit fliegenden Fahnen in das den Fremden sonst eben nicht besonders freundliche Land ein und unterwirft sich die Staaten, einen nach dem andern.

Nur in dem durch die Natur eben so begünstigten Venezuela fehlt es noch sowohl an Fichten wie Tannen, und doch bieten die mächtigen, von fünf- bis siebentausend Fuß hohen Berge die herrlichste Gelegenheit sie anzupflanzen. Dürftige Kiefern keimen da wohl, aber noch haben es die Deutschen dort zu keinem wirklichen Christbaum gebracht – was aber auch hoffentlich nicht mehr lange dauern soll.

Aus dem alten Thüringer Wald habe ich mir guten Samen zu Fichten und Tannen verschrieben, und wenn diese Zeilen in der Gartenlaube stehen, schwimmt er schon seinem Ziel, dem fernen Süden, entgegen. Dort werden ihn sorgende deutsche Hände pflegen, und in wenigen Jahren sollen die deutschen Kinder in Venezuela eben so freudig den lieben Baum umtanzen, wie daheim bei uns im alten Vaterland.

Es giebt nichts Schöneres auf der weiten Welt als unser heimisches Weihnachtsfest, weil es eben so ganz den Kindern gehört und die Eltern dabei, in ihnen, wieder ihrer eigenen Jugendzeit gedenken. Selbst alte Junggesellen flüchten sich an dem Abend unter die Zweige des lieben Baumes – Reue im Herzen über ein verlorenes und verfehltes Leben. Daß er deshalb fortgrüne und blühe, das echte Symbol deutscher Gemüthlichkeit und ein Civilisator, der Segen und Freude bringt, wo es ihm gelang seine Aeste auszubreiten!

Fr. Gerstäcker.


Die Sprungfeder-Matratze. (Ein Capitel über das Schlafen.) Es ist eine angenehme Sache, sich in heißer Sommernacht auf eine Sprungfeder-Matratze zu werfen, denn es giebt kein kühleres Lager, als eine solche ohne Bedeckung mit anderen Betten. Aber eben diese Kühlung sollte uns aufmerksam machen, daß ein solches Lager den größten Theil des Jahres ohne Auflage von Betten oder gewöhnlichen Matratzen zu kalt für den menschlichen Körper ist. Schreiber dieses hat schlimme Erfahrungen gemacht und will sie mittheilen, um Andere aufmerksam zu machen, welche vielleicht dasselbe erfahren haben, aber die Ursache nicht erkannten.

Mit guten dicken Roßhaarmatratzen versehen, hatte die Familie diese

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_831.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2021)