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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Pariser und deutsche Thierliebhabereien.

Aus Paris.

Paris ist das Paradies der Frauen, aber die Hölle der Thiere, sagt mit voller Begründung das Sprüchwort! Der Pariser erbarmt sich seines Viehes nicht wie der Gerechte, und zu bedauern ist die arme Creatur, die in seine Hände fällt. Schonungslos zwingt er Pferd und Esel in seinem Dienst zu der höchsten Anstrengung, und die für Küche und Keller bestimmten Thiere unterwirft er einer oft grausamen Mast und tödtet sie mit unerhörter Härte. Im Wald und auf der Haide ist nichts, auch nicht die kleinste Ammer oder Lerche vor seinem Netz und Rohr sicher, und anders als der deutsche Jäger, der den edeln Hirsch mit barmherziger Kugel fällt, hetzt er das Wild, bis es zusammenbricht.

Marie im Kreise ihrer Lieblinge.
Originalzeichnung von Specht.

Nur drei Geschöpfe haben es verstanden, sich seine volle Liebe und unbegrenzte Zuneigung zu erobern: der Hund, die Katze und der Canarienvogel. Letzterer ist noch heute der Genosse vieler Familien, aber es gab eine Zeit, wo er verbreiteter war. Das war damals, als noch nicht die großen breiten Boulevards durch das alte Paris gebrochen, und Ouvrière und Grisette noch im Quartier der Jugend ihr bescheidenes Kämmerlein fand, das sie mit ihrem heiteren Vogel theilen konnte. Jetzt ist das anders. Die Arbeiterin ist hinausgedrängt in die weiten Faubourgs, die Grisette hinübergezogen „auf die andere Seite des Wassers“ und eine große Dame geworden; mit den entschwundenen Tagen hat sie den kleinen Sänger vergessen. So ist er seltener geworden unter den Armen.

Der wohlhabende Pariser dagegen hat sich den kostbareren Hund zum Freunde erkoren. Zuwider der englischen und deutschen Neigung liebt er möglichst kleine gekünstelte Arten, die weder zuverlässig wachsam noch treu sind. In Gestalt und Zeichnung unterwirft er sie der ewig wechselnden Mode, stutzt ihnen je nach herrschendem Geschmack die Ohren und den Schwanz, scheert sie ganz oder theilweise, putzt sie mit Bändern, Jacken und Decken ja, färbt sie grün und rosa, gelb und blau.

In so manchen vornehmen Häusern ist das Baden und Parfümiren des Hündchens der Dame, seine Pflege und das Spazierenführen desselben Hauptobliegenheit eines der dienstbaren Geister. Durch den fortwährenden Verkehr mit Menschen haben es die Thiere oft zu einer außerordentlichen Klugheit und Anstelligkeit gebracht. Es ist wohl möglich, daß viele Hunde, wenn nicht mehr, so doch ebensoviel Verstand besitzen als ihre Herren. Das französische Volk glaubt sich das Erste der Welt. Wer weiß, ob nicht seine Hunde von sich dasselbe denken, sich die wohlgezogensten, klügsten Hunde des Erdballes glauben. Unverschämt, knurrig und bissig genug sind sie dazu!

In größtem Maßstabe betreiben Regent und Adel Frankreichs die Hundeliebhaberei. Auf den kaiserlichen Palästen um Paris werden nach Hunderten von Köpfen zählende Meuten der vorzüglichsten Racen unterhalten, um bei Hofjagden verwendet zu werden. Auch Nero, der berühmte, in Stein und Erz verewigte

Neufundländer des Kaisers, residirte, wenn er sich nicht in unmittelbarer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_005.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2020)