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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


an Leben und Gesundheit weit über die Grenzen der Culturländer reisen, um den Gärten neues Material zu schaffen, ist Casanova, früher Director eines großen Affentheaters, das 1859 in Petersburg durch eine Feuersbrunst gänzlich zu Grunde ging, der Bedeutendste. Schon mehrmals ist derselbe von Suakim, einem im südlichen Nubien gelegenen Hafenort am rothen Meer, weiter südlich nach Habesch gegangen, wo die begehrten Schaustücke der Thiergärten meistens mit leichter Mühe wohl erworben, aber nur mit großen Schwierigkeiten und Anstrengungen erhalten werden können.

Eine solche Erpedition nimmt im Ganzen acht bis zehn Monate in Anspruch und wird am zweckmäßigsten kurz nach der Regenzeit, also etwa im November, wo man am leichtesten junge Thiere in großer Anzahl vorfindet, begonnen. Von Suakim geht die Reise mit dem theils schon in Europa, theils in verschiedenen Orten Afrikas besorgten Reisematerial, also vor allen Dingen mit einer Anzahl von mindestens dreißig Kameelen und den zur Aufsicht nöthigen Leuten, mit genügendem Proviant, Stricken, Eisenstäben, Waffen und den zum Austausch nöthigen Waaren, wie Branntwein, Zucker, Reis, Seife etc., nach dem etwa fünfundzwanzig Tagereisen südlicher gelegenen Cassala, der Hauptstadt des Takalandes. Daß auch eine gute Summe Geldes mitgenommen werden muß, versteht sich von selber, und zwar muß dieses Geld in Maria- Theresien-Thalern (etwa ein und ein Drittel Thlr. preuß.) bestehen, dem einzigen, welches die Bewohner jener Gegenden als vollgültig annehmen, das daher auch die Engländer vor ihrer Expedition nach Abessinien in großen Mengen prägen ließen.

Die Gegend zwischen Suakim und Cassala ist öde, sandig und spärlich bevölkert. Wasser gehört zu den Kostbarkeiten und muß aus den in den ausgetrockneten Flußbetten gegrabenen Brunnen entnommen werden. Wer also eine solche Reise unternimmt, muß sich darauf gefaßt machen, auf fast alle Annehmlichkeiten des civilisirten Lebens zu verzichten, er muß sich daran gewöhnen, in den auf heiße Tage folgenden kalten Nächten mit einem Lager unter freiem Himmel vorlieb zu nehmen, er muß suchen, im Umgang mit den Thieren unter denen die Kameele die „allerliebenswürdigsten des Erdballs“, die Scorpione und Kameelzecken aber die abscheulichsten sind, Ersatz zu finden für die mannigfaltigen Bequemlichkeiten, welche ihm in der Heimath seine menschliche Umgebung verschafft.

Von Cassala aus geht Casanova noch etwa funfzehn Tagereisen weiter, an die Ufer des Atbara und Setith, wo er durch Vermittlung der in jenen Gegenden nomadisirenden und in fortwährenden Fehden und Raubzügen begriffenen Homraner Elephanten erlangt. Es vereinigen sich zu solchen Jagdzügen eine größere Anzahl Homraner unter Anführung eines bewährten Elephantenjägers, die, unterstützt von dem ihnen zu Gebote stehenden eigenthümlichen Spürtalent, meistens bald eine Elephantenheerde aufgefunden haben. Sie setzen den Fliehenden auf den kleinen, aber ausgezeichneten Pferden nach, was bei der Unebenheit des Terrains, den furchtbaren Dornen der Akazien und der heißen Tagesgluth nicht eben ein leichtes Stück Arbeit ist, und suchen die Jungen, welche früher ermüden, von den Alten abzusondern. Leistet ein alter Elephant einem gefesselten Jungen Hülfe, so wird er in einer eigenthümlichen, bei der Gewandtheit der Jäger aber sicheren Weise getödtet. Während nämlich einer derselben die Aufmerksamkeit des Thieres von vorne fesselt, nähert sich ein anderer von hinten springt vom Pferde und haut mit einem kurzen zweischneidigen Schwerte dem Thiere die Achillessehne des nächsten Hinterfußes durch. Wendet sich das dadurch wüthend gemachte Thier gegen diesen, der sofort wieder auf sein Pferd gesprungen ist, so wiederholt der erste dasselbe Manöver am anderen Hinterfuße des Elephanten, der nun, zum Weiterkommen unfähig, mit Lanzen und Schwertern leicht getödtet wird. Während dieses Kampfes beschäftigen sich Andere mit dem Jungen, reißen es mit übergeworfenen Stricken zu Boden und fesseln es dann in solcher Weise, daß es nothgedrungen mit den Jägern vorwärts muß. Von der im Anfang des Jahres 1867 veranstalten Jagd kehrte Casanova mit sechszehn Elephanten im Mai 1867 nach Suakim zurück. Im folgenden Jahre konnte Casanova zweiunddreißig junge Elephanten noch vor Cassala käuflich erlangen.

Alte Elephanten werden nicht eingefangen, weil das mit sehr bedeutenden Gefahren und Schwierigkeit verknüpft, der Transport kaum zu ermöglichen ist und die Thiere voraussichtlich weder lange in der Gefangenschaft aushalten, noch auch je recht zahm würden. Alte Elephanten bringen sogar den Besitz an schon eingefangenen jungen mitunter in Gefahr, indem sie in nächtlicher Weile, durch das Schreien und Brüllen der letzteren aufmerksam gemacht, sich dem Lager der Jäger und Thierhändler nähern und in dasselbe einzudringen trachten. Es muß also in der Nacht stete Aufsicht vorhanden sein und ein tüchtiges Feuer unterhalten werden, auch schon wegen der eben so dreisten als feigen Hyänen, die das Lager nächtlich umkreisen und zu erhaschen suchen, was nur irgend zu holen ist. Die hier in großen Schaaren vorkommenden gefleckten Hyänen nähern sich sogar den Schlafenden und treiben die Frechheit so weit, Gewehrriemen, Lagerdecken oder was sonst in der Nähe ist, und sei es gar das Kopfkissen, zu benagen.

Auch von den erwähnten zweiunddreißig Elephanten brachte Casanova nur den kleinsten Theil lebend nach Europa. Noch vor Cassala brach – man kann es in der That nicht anders nennen – ein Aufruhr unter den Thieren aus, nachdem sie schon durch die Behandlung von Seiten der Europäer fast gezähmt worden waren. Merkwürdiger Weise dürfen diese sich sehr bald nach der Gefangennahme den Thieren zutraulich nähern, sie streicheln und kosen, besonders wenn dieselben schon einmal nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sind, daß sie ihren Willen jetzt unterzuordnen haben, während die Annäherung eines Arabers sie sofort in einen aufgeregten Zustand versetzt, so daß sie schreien und sich wild und ungeberdig benehmen. Nun war während des Transportes, der mit der ganzen Heerde natürlich erst dann begonnen wird, wenn es den Thieren gestattet werden kann, sich in größerer Freiheit zu bewegen, plötzlich ein Elephant wieder wild geworden. Die großen Ohren aufgerichtet, schreiend und stampfend und alle Bemühungen der Wärter und Diener, ihn zu halten, vereitelnd, hatte er sich in völlige Freiheit gesetzt, und das Beispiel dieses Thieres wirkte auf die übrigen so aufreizend, daß in kurzer Zeit auch kein einziger mehr im geordneten Zuge geblieben war. Nach allen Richtungen waren zweiunddreißig Thiere, von denen jedes zu seiner Bewältigung mehr als acht Menschen verlangt, auseinander gestoben, und man kann sich die Bestürzung denken, welche diese wilde Flucht hervorrief. Aber – so groß war schon die Macht der Gewöhnung – die Thiere ließen sich wieder beschwichtigen; einige Hiebe mit der Nilpeitsche, die Macht der Menschenstimme, die Entschlossenheit Casanova’s und der Wärter wirkten so eindringlich, daß alle, mit Ausnahme der zwei größten, wiedererlangt wurden.

Außer Elephanten werden, entweder durch die erwähnten Jagdzüge oder auch durch Ankauf der auf die dortigen Märkte gebrachten Thiere, namentlich Giraffen, gefleckte Hyänen, große und kleine Katzenarten, Antilopen, Ichneumons, Strauße, Gaukler- und Schopfadler, Geier, Marabus, Nashornvögel, Kragentrappen, Krokodile und andere erworben. Die für die Thiergärten bestimmten müssen, mit Ausnahme weniger kleinerer Thiere oder derjenigen, welche, wie die Antilopen, schon an und für sich eine liebenswürdigere Gemüthsart haben, immer jung eingefangen werden. Es werden also die Alten getödtet und die Jungen gefangen, oder auch es werden die Jungen bei Abwesenheit der Alten vom Lager entführt. Man fängt übrigens auch größere reißende Thiere, indem man dieselben aus ihrer – wohl nicht selbst gegrabenen, sondern nur als passend in Besitz genommenen – Höhle in einen Käfig jagt. Hat man eine solche Höhle aufgefunden, so nähert man sich derselben vorsichtig von hinten her und stellt schnell den gut mit Eisenstäben befestigten kleinen Käfig vor einen Theil des meist ziemlich großen Eingangs. Durch den noch freien Theil des letzteren wirft man glühende Kohlen oder brennende Holzstücke in’s Innere und treibt das Thier, sobald es Miene macht hier auszubrechen, mit Knitteln und Waffen wieder rückwärts. Endlich bleibt dem Leoparden oder Löwen, um sich vor der immer größer werdenden Gluth zu retten, nichts anderes übrig, als in den Kasten zu springen, der dann sofort geschlossen wird. Von nun an gelangt der Gefangene nie wieder auf freien Boden, sondern wird höchstens aus einem Käsig in den anderen gejagt.

Als besonders interessante Neuigkeit brachte Casanova im Sommer vorigen Jahres auch ein zweihörniges afrikanisches Nashorn nach Europa. Schon vor zwei Jahren hatten die Homraner auf ihrem Streifzug gegen die Elephanten ein sehr junges Nashorn gefangen; es ging aber schon auf dem Wege zu Casanova zu Grunde, und so

ist das ersterwähnte überhaupt das erste zweihörnige Nashorn – wenigstens

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_043.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)