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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Polytechnikum der Gartenlaube.
Nr. 1.
Unterseeische Telegraphen ohne Kabelleitung. – Kesselexplosionen. – Springfedern aus Kork. – Trüffelplantagen, – Drahtmatratzen. – Giftige Strümpfe und explodirende Kleider. – Elektrocapillarität.

Die Pflege und der weitere Ausbau der Naturwissenschaften und deren Anwendung auf das praktische Leben haben unbeirrt von jeweiligen Spannungen und Gewittern in der politischen Atmosphäre ihren steten Fortgang; mehr und mehr erweitern sich bald in dieser, bald in jener Richtung, in größeren und kleineren Fortschritten die Grenzen unseres Wissens und Könnens, vermehrt sich der Reichthum an wissenschaftlichen Ergebnissen, Entdeckungen und Erfindungen, das Gemeingut aller Culturvölker, dem Menschenfreunde zu hoher Freude, nur wenigen dunkelen Köpfen zum Aergerniß. In der That ist ja auch die Theilnahme des größeren Publicums an den Fortschritten auf den Gebieten der Wissenschaft, Industrie und Technik in unserer Zeit so hoch gestiegen, wie dies bei ihrem so vielfachen Eingreifen in die verschiedensten Lebensverhältnisse, und bei dem wachsenden Streben nach allgemeiner Bildung nur erwartet werden kann. Und so dürfte es hoffentlich auch von manchem unserer Leser nicht ungern gesehen werden, fortan in unserem Blatt allmonatlich eine kurze Uebersicht der in die bezeichneten Fächer einschlagenden neuen Erscheinungen zu finden, so weit solche ein nicht blos fachmännisches Interesse zu haben scheinen, sondern auch für größere Kreise in irgend welcher Art instructiv, nutzbringend oder Annehmlichkeit fördernd sein könnten.

Eine außerordentliche Entdeckung ist angekündigt und mag verzeichnet werden auf die Gefahr hin, daß sie sich in einen amerikanischen Puff auflöst. Die unterseeische Telegraphie soll künftig keiner Kabelleitung mehr bedürfen, und noch ehe die Franzosen ihren Strang nach Amerika gelegt haben werden, soll eine andere Correspondenz hergestellt sein, die frei durch’s Wasser geht. Das klingt freilich unglaublich genug, aber die Telegraphie, wie sie heute besteht, die Eisenbahnen, die Photographie etc. waren doch auch einmal unglaubliche Dinge. Ein Amerikaner, Mower oder Wouer, hat also, wie mit aller Bestimmtheit gemeldet wird, die Entdeckung gemacht, daß das Kabel entbehrt werden kann, und mit seinen neuen Apparaten an den großen nordamerikanischen Seen, namentlich am Ontario zwischen den Städten Toronto in Canada und Oswego im Staate New–York, mit bestem Erfolge experimentirt. Es ist stundenlang ohne die geringste Störung hin und her telegraphirt worden. Die Uebermittelung der Zeichen erfolgte so gut wie augenblicklich. Der Erfinder will demnächst nach Europa kommen und zwischen Spanien (oder Portugal) und Nordamerika seine erste transatlantische Linie einrichten, deren Herstellung nicht mehr als fündzigtausend Franken kosten soll, eine Kleinigkeit gegenüber den fünfundzwanzig bis dreißig Millionen, die für Anfertigung und Legung eines Kabels erfordert werden! Die Erfindung soll auf folgendem, allerdings schwer einleuchtenden Erfahrungssatze beruhen: Die in’s Wasser geleitete Elektricität zersetzt dasselbe und es entstehen dadurch Stöße, die, statt sich nach allen Richtungen auszubreiten, sich lediglich in einer geraden horizontalen Linie fortsetzen, die ausschließlich und genau der Richtung zwischen Ost und West folgt, wie die Linien der Breitengrade laufen. In diesem Falle bedürfte es allerdings neben dem Zeichengeber nur noch eines Apparates zum Aufsaugen und Sichtbarmachen dieser Strahlungen, deren Existenz nach den bisherigen Erfahrungen über das Verhalten der Electricität nicht zu vermuthen war und also erst zu beweisen wäre. –

Das der Benutzung der Dampfkraft noch anhaftende große Uebel, die Kesselexplosionen, ist bisher mit so wenig Erfolg bekämpft worden, daß die Unglücksfälle dieser Art in letzter Zeit sich sogar vermehrt haben, in größerem Verhältniß als die Dampfmaschinen selbst. Wären die Fachleute erst über die eigentlichen Ursachen der Explosionen im Reinen, so würde auch das wirksamste Gegenmittel bald gefunden sein, aber so weit ist man eben noch nicht; es giebt noch vielerlei widerstreitende Meinungen, Erklärungen und Hypothesen über den Gegenstand, die alle mehr oder weniger Anhänger gefunden haben. Eine neuerdings von Herrn Wasserbau-Inspector Hipp in Coblenz aufgestellte und gegen verschiedene Einwürfe gut vertretene Theorie hat viel Einleuchtendes und Ansprechendes. Derselbe findet die Ursache der Explosionen ganz allein in der Bildung und Verbrennung explosiver Gasgemische im Kessel. Es kann zwar wohl die Dampfspannung in einem solchen durch zu starke Feuerung so übertrieben werden, daß die Kesselwände dem Drucke nicht mehr gewachsen sind; dann erfolgt an der schwächsten Stelle eine Zerreißung und der Dampf strömt einfach aus. Von solchen Kesselberstungen, die schon durch gewöhnliche Aufmerksamkeit zu verhüten sind, unterscheiden sich aber wesentlich die eigentlichen Explosionen mit ihren oft furchtbar verheerenden Wirkungen. Der Kessel ist dann eine mit Knallgas geladene platzende Bombe. Die Entstehung von Knallgasen ist aber sehr wohl möglich unter der Voraussetzung, daß bei zu tiefem Wasserstande frei gelegte Partieen der Kesselwandungen in’s Glühen gerathen.

Diesen Zustand der Dinge nimmt Herr Hipp für alle vorkommenden Explosionen als vorhanden an, und hiergegen könnte sich wohl Opposition erheben; sie würde dann aber den evidenten Nachweis zu führen haben, daß Kessel auch ohne vorgängiges Erglühen explodiren können. Glühendes Eisen zersetzt, wie allbekannt, Wasserdämpfe, um mit dem Sauerstoff derselben Oxyd zu bilden. Sind aber die Dämpfe mit Luft gemischt, wie dies in einem Kessel immer der Fall, so lange die Speisepumpe im Gange ist und mit dem Wasser auch Luft zuführt, so erfolgt eine Dampfzersetzung nicht, sondern das Eisen nimmt bequemer den ungebundenen Sauerstoff der Luft auf. Erst wenn diese bei unterbrochener Speisung sich erschöpft hat und noch glühende unoxydirte Flächen vorhanden sind, muß der Dampf den Sauerstoff hergeben und Wasserstoff bleibt übrig, ein an sich ganz unschädliches Gas, das aber, wenn wieder Wasser mit Luft in den Kessel gelangt, in Vermischung mit letzterer ein gefährliches Knallgas bildet. Die meisten Explosionen finden nun aber gerade beim Anlassen der Maschinen, also bei Zuführung frischen Speisewassers statt. Eine andere Knallgasfabrication kann Platz greifen beim Gebrauch fettigen Speisewassers. Das Fett wird von den glühenden Wänden zersetzt, es bildet sich Kohlenwasserstoff, Leuchtgas, ganz wie in einer Gasretorte, und es liegt diese Gefahr eigentlich noch näher als die erstere, denn es braucht dabei nicht erst eine Lufterschöpfung und Wiederzufuhr erfordert zu werden, sondern das Kohlengas kann sich jederzeit mit der Kesselluft mischen und, wenn das richtige Mischungsverhältniß eingetreten und glühende Stellen vorhanden sind, sich entzünden. Kommt es aber dahin, so wirkt natürlich die augenblickliche ungeheure Hitzesteigerung auch auf das Kesselwasser und verwandelt einen großen Theil desselben in Dampf, und so wird eine Kraft entfesselt, der selbst die stärksten Mauern schon haben weichen müssen. Das richtige und sehr einfache Vorbeugungsmittel gegen Unglück wäre sonach, daß man das Glühendwerden von Kesselpartieen verhüte durch immer hinreichend hohen Wasserstand. –

Stahl bildet bekanntlich vorzugsweise das Material für elastische Federn. Die Nordamerikaner haben jetzt angefangen, denselben durch einen anderen Stoff zu ersetzen, dem man die Befähigung hierzu kaum zutrauen sollte, nämlich Kork. Zur Anfertigung dieser neuartigen Federn erweicht man vorher die Korkstücke in einem Gemisch von Wasser und Syrup, schneidet sie in Scheiben von sechs oder sieben Zoll Durchmesser, durchlocht diese in der Mitte, schichtet eine Anzahl derselben in einen eisernen Hohlcylinder und preßt sie in einer hydraulischen Presse so weit zusammen, daß die Korksäule auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Höhe reducirt wird. Nachdem nun durch das System ein eiserner Schraubbolzen geschoben und eine Mutter gegengeschraubt ist, kann die Presse gelöst werden und die Feder ist fertig. In einer New-Yorker Maschinenfabrik sind derartige Federn schon seit fünf Jahren in Anwendung und haben sich bei den gewaltsamsten Stößen und schwersten Drücken, die in der Praxis vorkommen können, so unversehrt erhalten, daß man ihnen das Prädicat „unverwüstlich“ beilegen möchte. –

Ueber das Wesen und die Vegetationsbedingungen der Trüffeln hat man lange nichts Rechtes gewußt und namentlich hat der willkürliche Anbau derselben trotz vieler Versuche nicht gelingen wollen. Erst in neuer Zeit ist die Trüffelfrage gelöst, und es giebt nun in Frankreich wirklich Trüffelplantagen und ein sicheres Anbauverfahren. Das letztere ist von den Bauern einiger Gemeinden der Provence entdeckt, lange im Stillen ausgebeutet und ihnen endlich abgelauscht worden. Will man auf dem für die Trüffel allein passenden sterilen, kalkig-kiesigen Boden eine Pflanzung anlegen, so ist außer dem Umhacken des Bodens nichts nöthig als Eicheln zu säen von einem Baume, unter welchem recht reichlich Trüffeln wachsen. Die Aussaat geschieht reihenweise in bemessenen Abständen, die Pflanzung wird alljährlich behackt und allmählich, so wie die jungen Eichen heranwachsen, durch Herausnehmen von Bäumchen mehr gelichtet, bis der bleibende Abstand von vier Meter erreicht ist. Im fünften oder sechsten Jahre erscheinen um die Stämmchen die ersten Trüffeln, der Ertrag nimmt dann alljährlich zu, ist am reichlichsten zwischen zwölf und zwanzig Jahren und dauert bis zum Absterben des Baumes. In dem Maße, als die Eiche größer wird und ihre Saugwurzeln weiter nach außen schiebt, erweitert sich auch der Trüffelring, denn nur über dem kleinen Gewürzel wächst der Pilz. Düngung ist zulässig, aber lediglich mit gerbstoffhaltigen Pflanzentheilen, wie Eichen- und Kastanienblättern, den grünen Schalen der letzteren etc. Gießen bei Dürre hat keinen Erfolg gegeben. Die Trüffel, die schwarze nämlich, denn die übrigen, sämmtlich geringer geschätzten Sorten werden nicht gebaut, beginnt ihr Wachsthum im Mai oder Juni, ist im September schon groß, aber wässerig und fadschmeckend; im November sieht sie marmorirt aus und vom December an reift sie. Sie ist dann schwarz oder violett und entwickelt ihr charakteristisches Parfüm. Der Reifezustand tritt plötzlich, gleichsam über Nacht ein, aber immer nur an einzelnen Knollen, und es zieht sich demzufolge die Ernte bis in den März hinein. Zum Ausnehmen der reifen Knollen bedienen sich die Pflanzer der bekannten professionirten Trüffelsucher mit ihren abgerichteten kleinen Hunden oder Schweinen; indem diese Thiere nur die reifen Stücke markiren, weil die unreifen noch nicht riechen, bleiben die letzteren ungestört. Die Trüffelbeete selbst sind so leicht an der kahlen trockenen Beschaffenheit des Erdreichs zu erkennen, daß die zahlreichen Diebe sie auch bei Nacht zu finden wissen; aber da sie für das speziellere Aufsuchen keine vierbeinigen Kundschafter mitbringen können, so hacken sie eben Alles um, stehlen einen Theil und verderben das Uebrige. –

Die Apparate und Geräthe der Haushaltung haben durch die industrielle Technik, seitdem sich dieselbe mit einer gewissen Vorliebe diesem Fache zugewendet, schon manche sehr dankenswerthe Verbesserung erfahren, und selbst manches ganz Neue ist zur Verfügung gestellt und macht sich nützlich durch Vereinfachung der Arbeit, Ersparniß an Zeit und Geld, oder größere Bequemlichkeit und Annehmlichkeit. Als ein solcher neuer, aller Beachtung werther Artikel erscheinen die patentirten elastischen Drahtmatratzen der Herren R. Mitzbach und Lieber in Augsburg. Wenn bisher Stahlfedermatrazen das Beste und Theuerste in diesem Bedarfsartikel waren, so leisten die kaum halb so theuren Drahtgebilde nicht nur ganz dieselben Dienste, sondern versprechen selbst noch größere Annehmlichkeit. Dieselben bestehen aus einem doppelten, an den Kanten dreifachen, verzinkten Metallgeflecht, sind im Innern hohl und scheinen so leicht und luftig gebaut, daß man ihnen beim bloßen Anblick ihre Widerstands- und Sprungkraft

gar nicht zutrauen sollte, vielmehr dieselbe erst durch Daraufsetzen oder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_094.jpg&oldid=- (Version vom 10.2.2022)