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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


dieser Anblick ist der schönste! Hoff! treten Sie auf diesen Block, gerade wo ich stehe! Wundervoll! Das müssen Sie skizziren, Hoff! Diesen Blick in die Höhe! Bewahre, sehen Sie einmal hinab, wie sich der Zug von Lichtern in die Tiefe schlängelt und von unten her der Alhambra-Saal mit seinen maurischen Hufeisenbogen und Arabesken im Blitzesschein des Magnesiumdrahtes erglänzt!“ Der arme Maler weiß kaum mehr, wo ihm der Kopf steht – man zerrt ihn umher – Figaro hier, Figaro da! Endlich wird er stetig und bleibt unverrückt vor dem Venusbade stehen, einer reizenden Grotte, halb versteckt zwischen schimmernden Säulen und durchscheinenden Spitzenvorhängen, mit krystallhellem, rundlichem Wasserbecken, so klar, friedlich und einladend, daß man glaubt, die Göttin der Schönheit selbst müßte jetzt als Schaumgeborene sich erheben aus dem perlenden Naß! Dies ist der Punkt, den unser Freund zu seiner Illustration erkoren, und hier reicht auch die nüchterne Prosa des Naturforschers nicht mehr aus – sie muß dem Dichter und dem Künstler Platz machen!



Die Iserlohner Höhle.



Von Gnom und Kobold spricht der Sage Mund,
Die in den Klüften, in der Berge Grund
Paläste bau’n von Gold und Edelsteinen.
Des Bergmanns Gattin hat’s dem Kind vertraut,

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Wie oft der Vater flüchtig schon geschaut

Beim Schein des Grubenlämpchens jene Kleinen.

Er sah sie nur, jedoch ein Sonntagskind,
So sagt die Mutter, jenen Schatz gewinnt,
Im Berg’ versteckt, im Felsenspalt verborgen,

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In Gruben, von der Zwerge Hand gemacht. –

Ich hab’ an jenen Märchenspuk gedacht
Aus rother Erde am Novembermorgen.

Hell war der Tag. Am grünen Tannenzweig
Hing klarer Thau; noch stand des Waldes Reich

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Im bunten Schmuck. An den Wachholderstämmchen

Tiefblaue Beeren, Vogelkirschen dort,
Und an dem Birkenbusch an Waldesbord
Ein jedes Blatt gleicht einem goldnen Flämmchen.

Hell war der Tag, doch was dem Blick er bot,

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Was war es? Nur der buntgeschmückte Tod!

Auf dem Paradebett des Sommers Leiche!
Die Lichter her! Dort ist der Höhle Thor.
Schon blitzt es schimmernd aus dem Spalt hervor.
Auf! Frisch gewagt die Fahrt zum Gnomenreiche.

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Wir treten ein. Jahrtausende hindurch

War fest verschlossen diese Felsenburg –
Ha, welche Pracht! Schau nach der Decke droben!
Ein Domgewölb’ von funkelndem Krystall –
Und dort ein eisgewordner Wasserfall,

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Ein Schleier dort, von der Natur gewoben.


Ein Palmenwald, dort eine Orgel gar
Und hier ein Wasserbecken, silberklar
Darin die Fluth und silberklar die Säulen,
Die es umsteh’n! Und hier von blankem Kalk –

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O, schaut nur – eines Bischofs Katafalk!

Und dort – o seht – sind es nicht Riesenkeulen?

So schafft Natur: im hellen Sonnenglanz
Da droben schaftt sie bunten Blüthenkranz
Und Laub und Frucht, schafft das Vergänglich-Schöne.

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Sie ruft die Sänger in den grünen Hain –

Da kommt der Herbst und Alles schlummert ein!
Verwelkt die Pracht, verstummt des Liedes Töne!

Dort, wo sie schaffend in die Tiefen steigt,
Dahin kein Strahl des Sonnenballes reicht,

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Da weiß sie Ewig-Schönes zu gestalten!

Da baut sie diese mächt’gen Säulen auf,
Krystall der Sockel und Krystall der Knauf.
Da bietet Trotz sie allen Zeitgewalten!

Dort oben auf dem Berg’ – wie lang ist’s her? –

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Da standen dort mit Schild und scharfer Wehr

Die Mannen Wittekind’s, zum Thale lugend
Nach Kaiser Karl und seiner Kämpfer Spur –
Und unter ihren Füßen schuf Natur,
Langsam zum Dom die Stalaktiten fugend.

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Dann auf dem Hügel heller Hörnerklang!

Auf stolzem Rappen sprengt hinab den Hang
Der Burgherr, ihm zur Seite seine Reiter.
„Mein ist dies Alles! Mein durch meine Kraft!“–
Und unter seinen Sohlen wirkt und schafft

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Mutter Natur an ihrem Werke weiter.


Held Wittekind, der Ritter – längst verweht
Die letzte Spur, doch herrlich prangend steht,
Was die Natur geschaffen in den Tiefen.
Wir treten ein in ihr Studirgemach;

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Wir zieh’n hervor, die unter’m Säulendach

In Nacht und Dunkel manch’ Jahrtausend schliefen,

Die Zeugen alter Zeit! Es rufet dreist
Ein Sonntagskind – es heißt der Menschengeist –
„Empor! Empor! Ihr sollt mir Rede stehen!

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Erzählen sollt ihr mir von dem, was war!

Genug geträumt! Mit Augen, hell und klar
will ich, Natur, jetzt in dein Lehrbuch sehen!“

Stein und Gebein – und doch ein reicher Schatz!
Das Reich der Vorzeit – aus den Trümmern hat’s

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Neu aufgebaut der Geist der Welt von heute!

wir sehn’s: Aus Moorgrund sprossen Farn und Schwamm;
Schwerhufig stampft’ des Mammuths Fuß den Schlamm;
Bär und Hyäne jagen nach der Beute.

Die Lichter flirrten. – Nun zurück zum Pfad!

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Noch einen Blick den Palmen und dem Bad

Der Venus – dann ade, Westphalens Höhle! –
Dort Iserlohn! Wenn’s „Weinheim“ wär’ genannt,
Wär’s richt’ger! – Gebt das Glas mir in die Hand!
Rheinwein herbei für eine Sängerkehle!

November 1868.

Emil Rittershaus.

Der Dichter eilt uns hier im kühnen Fluge der Phantasie voraus – wir selbst aber, nachdem wir uns an den gaukelnden Formen der Tropfsteine ergötzt, wenden unsern Blick nach der Tiefe, wo weitere Räthsel und Wunder unser warten.

(Schluß folgt.)


Kleiner Briefkasten.



K. in L. Die Eckartsberger Broschüre polemisirt gegen die in der Gartenlaube abgedruckten Beiträge: Marlitt’s Alte Mamsell, Keil’s Brief an eine Gläubige und die Charakteristik Uhlich’s. Sie thut das – von ihrem frömmelnden Standpunkt aus – zwar mit einiger Umständlichkeit und nicht sehr glücklich, aber immerhin anständig und mit Umgehung aller gehässigen Persönlichkeiten, lediglich auf die Sache selbst eingehend. Wenn sie schließlich alle frommen Gläubigen zur Abschaffung der Gartenlaube auffordert, so wird es ihr freilich schmerzlich sein, erfahren zu müssen, daß trotz ihres Angstschreies die Auflage der verhaßten Zeitschrift seit Neujahr wieder um 30.000 Exemplare gewachsen ist und selbst diese Erhöhung der Auflage noch nicht ausreichen wird. Uebrigens ist dieser Eckartsberger Eiferer immerhin noch duldsamer als sein westphälischer katholischer College, der neulich in seinem Wochenblättchen eine Schmähung der Gartenlaube abdrucken ließ und geradezu mit den Worten schloß: Es wäre besser, es würde dem Redacteur Keil ein Stein an den Hals gehängt und er versenket in das Meer, wo es am tiefsten ist. – Freilich ein kurzer Proceß!

Th. H…n in B…n. Für die Gartenlaube in keiner Weise geeignet; schon der beabsichtigte Umfang des Aufsatzes wäre ein unüberwindliches Hinderniß. Auch als Brochüre für die Verlagshandlung nicht zu gebrauchen; das Interesse für Mexico hat sich in Deutschland nachgerade etwas erschöpft. Manuscript steht zu ihrer Verfügung.

Ein Abonnent in Frankfurt a. M. Die Anstalten, von denen Sie uns schreiben, sollen in ihrer Art allerdings großartig und umfänglich, aber, wie wir auf unsere Erkundigung hin aus bester Quelle erfahren, vom Geiste starrer Buchstabengläubigkeit geleitet und erfüllt sein. Aus diesem Grunde müssen wir auf eine Schilderung derselben in unserem Blatte verzichten.

M. in Dr. Es ist ihre eigene Schuld, wenn ihre Manuscripte ungelesen zurückgehen. Einer vielbeschäftigten Redaction kann unmöglich zugemuthet werden, unleserliche und vielfach corrigirte Handschriften mühsam zu entziffern. Schreiben Sie deutlich oder wenn Sie das selbst nicht vermögen – lassen Sie die Manuscripte von einem guten Copisten abschreiben. Wie viele Einsendungen werden nur der schlechten Handschrift wegen unbeachtet bei Seite gelegt!




Wiederholte, aber letzte Erklärung. Schon oftmals haben wir ausgesprochen und erklären hierdurch auf’s Neue, doch nun zum letzten Male, daß wir der „Gartenlaube“ auch fernerhin keine Prämien irgendwelcher Art beigeben werden, wie wir dies niemals gethan haben. Wenn einzelne Hauptagenten unseres Blattes dergleichen Prämien für eigene Rechnung beilegen, so hat die unterzeichnete Verlagshandlung nicht das Mindeste damit zu schaffen.

Die Verlagshandlung der „Gartenlaube“.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_144.jpg&oldid=- (Version vom 4.3.2022)