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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

den gespickten Hasen; zum dritten die Ausdehnung der Glieder mit dem Kolben und die Brennung des Leibes mit brennenden Lichtern. Zur Erklärung der Instrumente bemerken wir Folgendes:

Die Daumenstöcke sind, wie uns ein früherer Artikel in der Gartenlaube 1864, Nr. 34 bereits gelehrt hat, kleine eiserne Schrauben mit innen gekerbten Flächen; zwischen diese ward das obere (nach Anderen das zweite) Glied des Daumens gelegt und dann hart zugeschraubt. Die Schnüre bestandeu aus hänfenen, federkiel- (neun Fäden) dicken Bindfaden, an den Enden mit hölzernen Quergriffen. Sie werden „solchergestalt appliciret, daß der Scharfrichter und dessen Knechte dieselbe nicht nur über die zusammengebundenen Arme, und zwar über dem Handgelenk nach dem Ellenbogen zu, einmal über’s andere herumschlingen und damit kneipen, sondern auch gegeneinander stehend stark hin und wieder ziehen, als wenn sie sägeten. Welches Schnüren denn (das häufig bis auf den Knochen ging) den Inquisiten grausame Schmerzen macht, so daß sie gar jämmerlich thun und überlaut schreien“. Auf der besonders dazu construirten Leiter ward der Delinquent an den auf den Rücken gebundenen Händen in die Höhe gezogen und seine Füße mit Gewichtstücken beschwert, deren größere oder geringere Schwere den Foltergrad verminderte oder verstärkte. Die spanischen Stiefeln waren größere Pressen von Holz mit Schrauben, deren gekerbte Innenseiten auf das Schienbein gelegt und dann mit den eisernen Schraubenschlüsseln bis zum unerträglichsten Schmerze angezogen wurden. Auf der Leiter diente zur Verschärfung der sogenannte gespickte Hase, eine Stachelwalze, die beim Aufzug unter den Rücken des Gefolterten geschoben und an der Leiter befestigt wurde. Im Uebrigen war die Zahl und die Form der Instrumente, überhaupt die Art der Folterung nach den verschiedenen Gegenden und Zeiten verschieden. Jetzt noch zahlreich erhaltene Geräthe (in Nürnberg, Hannover, Regensburg etc.) geben davon eine Anschauung.

Einzelne der Instrumente erhielten von den Gegenden, wo sie erfunden oder besonders gebraucht wurden, auch ihren Namen, so die Braunschweig’schen Stiefeln, der Lüneburg’sche Stuhl (mit Stachelsitz), der Mannheimer Bock, das Bamberg’sche Instrument, der dänische Mantel, die spanische Kappe, das doppelte spanische Fußband – welche im Einzelnen näher zu beschreiben wir gern unterlassen; es genüge, über die schreckliche Wirkung dieser Geräthe nur zu bemerken, daß viele Delinquenten unter dem Druck der unsäglichen Qualen ihr Leben aufgaben, wiewohl die alten Criminalgesetzbücher ausdrücklich erinnern, daß die Folter „nicht härter sein müsse, als die Strafe, welche auf die Wahrheit der Missethat erfolget, und daß Alles mit solcher Moderation und Maße geschehe, damit nicht der Inquisit darüber crepire“. Als Probe Folgendes:

„Bedürfenden Falles wird ferner auch zum Feuer gegriffen, da man dann entweder Federkiele in zergangenen Schwefel eintunket und dem Inquisiten, indem er auf der Leiter lieget, solche angezündet auf den bloßen Leib wirft, oder davon gemachte Pflaster anzündet und auf den Leib klebet; item einen gewissen Knaul von einer halben Elle lang Holz, mit Hanf umwunden, in zerlassen Pech eintunket, bis daß es ungefähr ein Knaul von einer Faust groß geworden, den man hernach anzündet und dem Inquisiten auf den bloßen Leib wirft, doch so, daß das Bewerfen mit brennendem Schwefel oder Pech nicht auf die Brüste, sondern auf die Schultern geschehe, oder auch spitzige Zwecken von Kienholz unter die Nägel schläget und anzündet, jedoch muß auch hiermit behutsam umgegangen werden, weil von dem Gebrauche der Kienstöcke allerhand schädliche Wirkungen zu besorgen.“ Das Buch, dem wir diese Stelle entnehmen, ist: Der Klugen Beamten auserlesener Criminal-Proceß vom Jahre 1760.

Seitdem ist die Folterung noch sehr häufig vorgekommen, wenn auch in der letzten Zeit wohl mehr nur in der Form der sogenannten Territion, wobei dem Inquisiten die Instrumente nur angelegt wurden, um ihn zu schrecken, ohne die Folter selbst zu vollziehen. Die letzten Fälle sind uns bis jetzt aus dem Hannover’schen bekannt. Die Territion wurde hier noch im April 1799 bei dem Amte Uslar, in der Nacht vom 4. zum 5. März 1805 in der Stadt Hannover und in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1818 bei dem Amte Meinersen angewendet. Um einen Begriff von der Barbarei zu geben, welcher noch in unserm vorgeschrittenen Jahrhundert ein möglicher Weise vollkommen Unschuldiger ausgesetzt war, geben wir von diesem in Deutschland wahrscheinlich allerletzten Falle im Nachstehenden das ausführliche Protokoll.

Der Köthner Fr. Wiegmann aus Ottbergen ward im Jahre 1816 beim Amte Meinersen verhaftet und zur Untersuchung gezogen, weil er verdächtig war, zwei Pferde, zum taxirten Gesammtwerthe von achtzig Thalern Gold, des Nachts von der Weide gestohlen zu haben. Bei dem beharrlichen Leugnen des Inquisiten wurde gegen ihn die Realterrition erkannt und zu diesem Behufe von der königlichen Justiz-Canzlei in Celle unterm 4. März 1818 eine ausführliche Instruction an das Amt erlassen, worin es unter Anderm heißt: daß der Nachrichter, wenn der Inquisit in das Torturgemach eingeführt und ihm zur Vollstreckung des Erkenntnisses übergeben sein würde, demselben die zur Peinlichkeit dienlichen Instrumente vorzeige, ihn zur Vermeidung der Marter zu einem ungezwungenen (!) Bekenntnisse ermahne, bei beharrlichem Leugnen den Inquisiten durch seine herzutretenden Leute wirklich angreifen, entkleiden und auf die Folterbank setzen lasse, die Daumschrauben anlege und mit deren Zuschraubung einen gelinden Anfang machen lasse. Diese genaue Vorschrift wurde von dem Amte laut eingesandten Protokolls folgendermaßen ausgeführt.

In dem Gewölbe unter dem alten Amthause fand man jetzt den Scharfrichter Funke so wie dessen Bruder und neun bis zehn Henkersknechte bereits versammelt. Das ohnehin grauenhafte Gewölbe hatte in dieser Nacht (12. bis 13. März) ein schauderhaftes, furchtbares Ansehen von innen, welches die Todtenstille, weil kein einziger Zuschauer zugelassen worden, und die absichtlich angebrachte matte Erleuchtung in den grausenvollen Winkeln noch besonders vermehrte.

Inquisit Wiegmann wurde vorgeführt, von Ketten losgeschlossen, die Uhr zeigte auf zwölf Uhr fünfzig Minuten. Der Inquisit blieb ganz ruhig und schien entschlossen zu sein, Alles mit sich machen zu lassen, was man wolle. Amtsseitig ermahnte man ihn nochmals, jetzt, da er Ernst sehe, es nicht auf das Aeußerste ankommen zu lassen. Derselbe blickte gar nicht um sich und erklärte mit Fassung, daß er unschuldig sei. Hierauf trat der Scharfrichter Funke vor, forderte den Inquisiten Wiegmann nochmals zum Bekenntniß auf und führte ihn etwas zur Seite an den Tisch, auf welchem die Peinigungsinstrumente zur Hand lagen. Hier stellte ihm Funke auf eine grausame Weise, jedoch in aller Kürze vor, was man mit ihm und seinen Knochen jetzt sogleich vornehmen werde, und sodann mußte er vor den Tisch der Beamten treten, welche nochmals ihn zu einem gütlichen Geständniß aufforderten.

Der Gang der Realterrition war folgender: Zwölf Uhr dreiundfünfzig Minuten gab man dem Scharfrichter den Wink zum Angriff. Neun Knechte fielen mit Drohungen und Geschrei über den Inquisiten her und rissen ihm unter Hin- und Herraufen die sämmtlichen Kleidungsstücke vom Leibe, banden ihm eine weiße Schürze vor und zogen ihn nach der Folterbank. Das Zeug war stark und ging das Abreißen desselben langsamer, als gewöhnlich, obgleich man bei dem Losschließen gleich einen starken Kittel dem Inquisiten ausgezogen hatte. Inquisit erklärte, er habe nichts gethan und könne nichts bekennen. Von den Beamten ward er aufgefordert, sich die Marter zu ersparen. Inquisit schien die Schmerzen zu verachten, der furchtbare Angriff imponirte gar nicht, er sagte ganz ruhig: „Wie kann ich was bekennen, was ich nicht gethan?“ Zwölf Uhr sechsundfünfzig Minuten befand sich Inquisit auf dem Marterstuhl, auf den er vor einigen Augenblicken unsanft niedergesetzt war; der Stuhl ward etwas zurückgelehnt, damit Inquisit das Marterkissen (mit den Stacheln) desto mehr fühlen möchte. Derselbe behielt seine ganze Fassung, antwortete ohne Seufzer und Miene zu verzucken: „ Ich bin unschuldig“. Zwölf Uhr siebenundfünfzig Minuten waren dem Inquisiten die Hände an die Stuhllehne gebunden, die Augen waren ihm gleichfalls verbunden. Derselbe ließ Alles geduldig mit sich machen, antwortete jedem Beamten bei seinem Charakter mit Höflichkeit und langsam, „daß er nichts gethan habe“.

Zwölf Uhr achtundfünfzig Minuten waren ihm die Hände wieder losgebunden, er ward aufgerichtet, ermahnt zur Wahrheit, indem er jetzt Ernst sehe und sich überzeugen müsse, daß dies kein Blendwerk sei. Inquisit in ruhiger Gelassenheit sagte: „Wenn man mich todt martert, ich habe nichts gethan, machen Sie, was Sie wollen.“ Vor zwölf Uhr neunundfünfzig Minuten war er bereits wieder auf dem Marterkissen. Nach zwölf Uhr neunundfünfzig Minuten wurde der Stuhl zurückgelehnt, einige Secunden

darauf waren die Daumstöcke angelegt. Inquisit sagte nichts, hielt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_217.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)