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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

zu Paris auf der Soltikow’schen Sammlung für sechsunddreißigtausend Thaler angekauft, ist aber, nach der Aussage des Directors Cole, in Bezug auf Reichthum und Erhaltung dem des Welfenschatzes kaum zu vergleichen.

Wenn wir nun noch erwähnen, daß der Welfenschatz auch das überaus prachtvolle Evangeliar Heinrich’s des Löwen, welches von dem Mönche Herimann im Benedictinerkloster Helmershausen an der Diemel ausgeführt wurde und das vor einigen Jahren König Georg aus Prag für zehntausend Thaler erwarb, ferner das Breviar, angeblich vordem ein Geschenk von Kaiser Karl dem Fünften an den König Heinrich den Achten von England, welches durch die Schönheit der Miniaturen wohl einzig in seiner Art ist, sowie zwei Pergamentmanuscripte (Plenarien) enthält, das eine aus dem neunten, das andere aus dem vierzehnten Jahrhundert, beide mit kostbaren Deckeln, die auch Reliquien bergen, aus dem vierzehnten Jahrhundert versehen, so glauben wir damit unsere kurze Uebersicht über den Welfenschatz beschließen zu müssen.

Nr. 2. Reliquiar von Bischof Bernward in Hildesheim.

 

Nr. 1. Kreuz aus dem elften Jahrhundert


Der Welfenschatz – welche Geschichte, welche Erinnerung knüpft sich daran! Auf der Höhe seines Ruhmes von dem Löwen unter den Welfen aus dem geheimnißvollen Orient heimgebracht, der kostbarste Gewinn einer sagenreichen Pilgerfahrt, das Ehrengeschenk des Kaisers von Byzanz, theilweise schon das Erbe in grauester Vorzeit sich verlierender Ahnen – und die jähe Katastrophe des Jahres 1866, der flüchtende König von Hannover und der geflüchtete Welfenschatz – welch' lange Zeit und welcher Wechsel! Jahrhunderte lang suchte der Glaube in den Reliquien Erhebung und Stärkung, bis die Reformation sie des Nimbus entkleidete und sie von den Altären verbannte. Als sie durch Johann Friedrich, den Convertiten, wieder der Vergessenheit entrissen wurden, war dennoch der Glaube an ihre Wunderkraft dahin – sie waren nur seltsame Zeugen längstverflossener Jahrhunderte, nur ein Südländer oder ein Russe mochte sich bei ihrem Anblick noch bekreuzen. Die Gegenwart betrachtet sie blos als Material zum Studium, das sie in dem mächtigen Wetteifer der Nationen für den Fortschritt nach Kräften zu verwerthen sucht; und fürwahr, auch unter diesem Gesichtspunkte sind die Reliquien des Welfenschatzes ein Schatz von der höchsten Bedeutung.




Reichsgräfin Gisela.
Von E. Marlitt.
(Fortsetzung)
19.

„Himmel, was für ein Mann!“ rief die Hofdame draußen im Corridor. „Da können sich unsere sämmtlichen Herren nur verstecken!“

„Ich fürchte mich vor ihm,“ sagte die zarte, blasse Blondine und legte stehenbleibend die gekreuzten schmalen Hände auf die Brust. „Der Mann kann nicht lächeln. … Clemence, Ihr Alle seid blind! Das ist keiner von den Unseren – er bringt Unheil – ich fühle es!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_285.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2022)