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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Wilhelm Zimmermann.

Landesvertretungen geblieben, entwürdigt sie vor den Augen aller Welt und gehört zu den Uebeln, die man nicht streng genug rügen kann und denen man nicht eifrig genug den Eingang in den neuen Reichstag in Deutschland versperren sollte.


Gleich die ersten Sätze jenes Redners in der Paulskirche wurden von einer Reihe von Sitzen her mit der berüchtigten „Heiterkeit“ begrüßt; Leute, die man als „Männer“ in das Parlament geschickt, schämten sich nicht, wie Kinder zu lachen, weil der Redner seine schwäbische Heimath in seiner Sprache ein wenig stark verrieth. Der wackere Schwabe ließ sich jedoch nicht irre machen von so niedrigem Spott, sondern schürte das Feuer seiner Rede so nachhaltig, seiner kerngesunden Brust entquollen die Töne so donnernd, daß der kleine Spuk schwieg und des Mannes Wort Herr wurde über die nur allzugewöhnliche Unruhe des Parteihaders. Nur einzelne Zurufe des Widerspruchs oder Beifalls unterbrachen noch den Fluß seiner Rede. Hocherregt schloß er:

„Meine Herren! Ich wünsche aus vielen Gründen, daß wir uns vereinigen. Die große Stunde, die Schicksalsstunde für das deutsche Volk ist vorhanden, wir wollen sie nicht vorübergehen lassen; in unserer Hand liegt es, so zu handeln, daß das deutsche Volk größer und freier werde, als die alten freien Staaten, größer und freier als England, Frankreich, als Amerika. Aber eins müssen wir sein und eins vor allen Dingen in dem, was das Volksthümlichste, das Nationalste ist. Wenn das nicht geschieht, ich will nicht sagen, was ich dann fürchte, ich will nicht prophezeien, denn die Prophezeiungen, das zeigt mir die Geschichte, haben nie etwas genützt; es zeigt sich im Gegentheil, es war immer so, man war guter Dinge, man lachte und tanzte, bis der Sturm, der durch Gottes Macht im Volk erwacht war, die Tänzer zu Boden riß. Man hat gesagt, dieser Sturm könne auch uns zu Boden reißen, – wohl möglich, meine Herren, aber wenn wir fallen, so soll wenigstens uns, den Gefallenen, von Freund und Feind noch nachgesagt werden, daß wir wahrhaft und redlich gewesen, daß wir treu gehalten haben zu unserem Grundsatz, zur Freiheit, zum Volk, zur Nation. Untergehend werden wir ein ehrenvolles Grab finden in den Herzen unseres Volks.“

Wahrhaft und redlich hielt dieser Redner zur Sache des Volks bis zum letzten Augenblick der Reichsvertretung in Stuttgart. Die Gelehrten und Gebildeten des Parlaments mußten schon seit Jahren, aus den Schriften des Mannes, wissen, daß er nicht anders sprechen und handeln konnte; war er doch der Verfasser der ersten wahrhaften und redlichen Geschichte des großen deutschen Bauernkriegs, der unerschrockene Enthüller und Verbreiter geschichtlicher Wahrheit. Das ist des Mannes größtes, aber ein beneidenswerthes Verdienst. Wer da weiß, wie viel persönliche Liebhaberei und parteiliche Absicht in der Geschichtschreibung von je ihr Wesen trieb, der zieht den Hut ab vor einem Manne, welcher die Quellen der Geschichte unter der rücksichtslosen Aufsicht des Gewissens durchforscht und darnach allein das Urtheil der Geschichte ausspricht. Dieser Mann, der gar wohl durch den Ehrentitel eines deutschen Geschichtsreinigers ausgezeichnet werden darf, ist: Balthasar Friedrich Wilhelm Zimmermann.

Zimmermann gehört zu den glücklichen Männern, die, nach harter Jugend zu gründlichem wissenschaftlichen und harmonischen Ausbau ihres Talents gediehen, zur Zeit der rührigsten Schaffelust auch Gelegenheit, Mittel und Muße finden, würdigen Zielen nachzustreben, und zu den noch glücklicheren, zur Lebensgefährtin ein Weib zu erlangen, das sich, gleichbegabten Geistes, mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_293.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)