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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

einschlagende Zweige namhafte Verdienste erworben, es aber doch nur bis auf kaum vierhundert Mitglieder gebracht. Wenige Thaler Jahresbeitrag gewährleisten letzteren Rechte, welche im günstigsten Verhältnisse zu den geringen Verpflichtungen stehen, da sie eigentlich nur als ein Ausgleich für die den Mitgliedern gebotenen Vortheile angesehen werden können; allein man verabsäumt, der gemeinnützigen Anstalt beizutreten, und kümmert sich herzlich wenig um die Nutzen versprechenden Vorschläge, welche von ihr ausgehen. Und doch sieht Jedermann ein, daß es keineswegs gleichgültig ist, welcher Baum in diesem Forste gepflanzt, welche Nähr- oder Nutzpflanze auf jenem Acker gepflegt, welche Birnenart, welcher Seidenwurm gezüchtet, welches Wild gehegt, welches Hausthier gehalten wird. Jeder denkende Land- oder Forstwirth müßte, so sollte man wähnen, sich wenigstens über die Bestrebungen eines solchen Vereines Kunde zu verschaffen suchen, jeder ein Unternehmen begünstigen, welches ihm zu Versuchen in seinem Fache Gelegenheit und Mittel an die Hand zieht; anstatt dessen aber gefällt man sich in dem alten Schlendrian, erwartet Alles von Anderen und thut selbst nicht das Geringste, um den Anforderungen, welche unsere Zeit nun einmal an uns stellt, gerecht zu werden, nämlich: unsere Mittel und Kräfte auf das Beste zu verwerthen. In dieser Hinsicht sind uns die Engländer weit überlegen, aber nur deshalb, weil uns die nöthige Thatkraft zu selbsteigenem Handeln noch immer abgeht.

Seit Beginn dieses Jahrhunderts vernehmen wir die Klage über die Verarmung unserer Wälder und Feldmarken an jagdbarem Wilde, ohne zur Abhülfe derselben etwas wahrhaft Ersprießliches zu thun. Allerdings ist die Klage, so begründet sie auch sein mag, nicht in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Kein vernünftiger Forst- oder Landwirth, und wäre er der leidenschaftlichste Jäger, wird sich das Hoch- und Schwarzwild vergangener Jahrhunderte wieder zurückwünschen, weil alle Jagdfreuden den ungeheuren Schaden, welchen die „stolzen Hirsche“ und „wehrhaften Sauen“ in Wäldern und Feldern anrichten, nicht entfernt aufwiegen können; der Eine wie der Andere dagegen wird gern solchen Wildarten, welche unfähig sind, ihm nennenswerthen Schaden zuzufügen, zum Heger und Pfleger werden, um zu anmuthiger Belebung der Gemarken das Seinige beizutragen und zugleich für das jedes Mannesherz begeisternde Waidwerk die unerläßliche Vorsorge zu treffen.

Damit man mich nicht des Widerspruchs eigener Behauptungen zeihe, will ich ausdrücklich bemerkt haben, daß vom wirthschaftlichen Standpunkte keine einzige unserer Wildarten unschädlich genannt werden kann, daß jeder Hase, jedes Rebhuhn, welche erlegt werden, dem Besitzer des Grundes und Bodens, auf dem sie lebten, mehr gekostet, als sie einbringen können, und daß eigentlich nur die als Raubritter verschrieenen, rücksichtslos verfolgten Füchse, Iltisse und Wiesel oder Bussarde, Milane und Eulen als unbedingt nützliche Gehülfen des Forst- und Landwirthes betrachtet werden müssen; ich glaube aber, daß man es gelten lassen darf, wenn ich dem niederen Wilde und selbst dem zur hohen Jagd gehörenden Auergeflügel, als bedingt unschädlichem Gethier, das Wort rede, es sogar um ein Mitglied vermehren möchte in der Hoffnung, dadurch die Klage der Waidgesellen ein wenig zu mildern. Von diesem, bisher nur sehr vereinzelt in Europa freilebenden Wilde ist in dem Eingangs erwähnten Vereine längst, jedoch ohne Nachhall gesprochen worden; von ihm sind Alle, welche es kennen, des Lobes voll; sein Name verdient also wohl, vor dem größten Leserkreise genannt, sein Wesen beschrieben, der Nutzen, welchen es uns bringen könnte und später sicherlich bringen wird, hervorgehoben zu werden. Ich bezwecke jedoch noch mehr: ich will wenigstens anregen zu Versuchen, denen ich unbedingtes Gelingen zusprechen darf, falls sie mit einigem Geschick und der unerläßlichen Ausdauer unternommen werden. Mit Einem Worte: ich will einmal, obschon ohne Auftrag, so doch im Geiste und Namen des „Akklimatisationsvereins in Berlin“ zu Gunsten eines fremdländischen Hühnchens reden.

Es ist eine durch viele Beispiele bestätigte Erfahrung, daß sich fremdländische Thiere und namentlich Vögel bei uns zu Lande in Gefangenschaft leichter fortpflanzen als einheimische. Fremde Hühner insbesondere beweisen diese Thatsache schlagend. Wir haben zwar neuerdings Rebhühner, ja selbst Birk- und Auergeflügel in der Gefangenschaft zur Fortpflanzung gebracht, müssen das jedoch als etwas Außerordentliches betrachten, während wir von einem aus Indien oder Amerika eingeführten Huhn von vornherein annehmen, daß es uns mit Jungen erfreuen wird.

Mehr als andere Glieder der umfangreichen Ordnung der Scharrvögel eignen sich die über Amerika in fast dreißig Arten verbreiteten Baumhühner zur Züchtung in engeren Käfigen, weil ihre Anspruchslosigkeit oder Zufriedenheit mit dem einfachsten Futter die Haltung außerordentlich erleichtert. Dazu kommt bei den nordamerikanischen Arten der Umstand, daß der Frühling ihrer Heimath mit dem unserigen zusammenfällt, eine Versetzung in unsere Gegenden also nicht die wichtigsten Lebensäußerungen verrückt, d. h. zu ungeeigneter Zeit sich regen läßt. Ein jeder Vogel, welcher bei uns eingeführt wird, bringt als Erbtheil der Heimath die Abhängigkeit seiner Lebensäußerungen von den Jahreszeiten des Geburtslandes zu uns herüber: ein der Südhälfte der Erde entstammender beginnt gewöhnlich in unserem Herbst zu brüten, so daß also die zarten Jungen unter den ungünstigsten Verhältnissen zur Welt kommen; ein Vogel dagegen, dessen Fortpflanzung in der Heimath in die Monate unseres Vorsommers fällt, lebt bei uns mehr oder weniger unter denselben Umständen weiter wie vorher. Hierauf ist bei dem Versuch, solchen Vogel in unseren Gauen einzubürgern, vor allen Dingen zu achten. An ein von dem heimathlichen abweichendes Klima gewöhnt sich der Vogel ziemlich leicht, und zwar auffallender Weise an ein rauheres in der Regel leichter als an ein milderes.

Ich schicke diese Bemerkungen voraus, um anzudeuten, daß die Einbürgerung fremdländischer Thiere durchaus nicht so einfach ist, wie man vielleicht annimmt, vielmehr eine ziemlich umfassende Kenntniß aller einschläglichen Verhältnisse erfordert. Daß es sich, abgesehen von allen Fragen der größeren oder geringeren Nutzbarkeit, auch darum handelt, vorher über die natürliche Lebensweise eines Thieres genau unterrichtet zu sein, braucht, als selbstverständlich, nicht besonders hervorgehoben zu werden.

Unter sämmtlichen Baumhühnern nun kenne ich eine Art, welche alle erwünschten Eigenschaften zur Erwerbung des Bürgerrechtes in unseren Waldungen in sich vereinigt: Zierlichkeit der Gestalt, Gefälligkeit der Färbung, Zweckdienlichkeit der Zeichnung, Anmuth des Wesens, Behendigkeit und Gewandtheit der Bewegungen, Klangfülle der Stimme, Verstand, Liebe zu dem Gatten und zu den Kindern, Verträglichkeit mit Ihresgleichen, Anhänglichkeit an den Standort, Genügsamkeit der Ansprüche an das Leben, Gleichgültigkeit gegen unseren Winter, Fruchtbarkeit und Vermehrungsfähigkeit, sowie endlich Schmackhaftigkeit ihres Wildprets. Das ist viel, sehr viel gesagt, aber mit gutem Bedacht ausgesprochen und gewißlich fern von aller Uebertreibung.

Dieses so vielseitig begabte Huhn ist die Schopfwachtel, ihre Heimath Californien. Hier lebt sie in allen Waldungen in sehr großer Anzahl, während des Sommers in Familien, während des Winters oft in Gesellschaften, welche man weder Völker noch Ketten nennen kann, weil sie zuweilen tausend und mehr Stück zählen. An ihrem Standorte hält sie mit solcher Zähigkeit fest, daß man behauptet hat, sie überschreite den Schatten der Waldbäume nicht. Den Vorzug giebt sie Laubwaldungen mit dichtem Unterholz, zumal solchen, deren Flüsse oder Bäche von Weidicht umstanden sind; sie bevölkert, mit Ausnahme zusammenhängender Nadelwälder ohne Unterholz, jede Oertlichkeit von der Tiefe bis zu beträchtlicher Höhe hinauf. Hier hält sie sich keineswegs blos auf dem Boden, sondern, wie das Haselhuhn, dessen Lebensweise mit der ihrigen am ersten verglichen werden darf, auch viel im Gezweige der Bäume auf. Im Winter gräbt sie sich lange Gänge unter dem Schnee, um sich Gräser, Knollen, Sämereien und andere Aeßung zu verschaffen; im Frühling nährt sie sich besonders von Knospen, im Sommer sich und ihre Jungen hauptsächlich von Kerbthieren; im Herbst plündert sie beerentragende Gesträuche. Erkennbaren Schaden bringt sie nicht. Ihr Lauf ist ungemein rasch und äußerst gewandt, ihr Flug sehr schnell und kräftig, geht jedoch in gerader Richtung fort, so daß es dem geübten Schützen leicht gelingt, sie zu erlegen, während sie dem Sonntagsjäger regelmäßig ein Armuthszeugniß ausstellt. Unbeschossen, hält das Volk ziemlich lange vor dem Hund aus, steht dann auf, fliegt unfehlbar dem nächsten Hochbaum zu, drückt sich platt auf einem dicken, wagerechten Ast nieder und verbirgt sich, Dank der Gleichfarbigkeit des Gefieders mit der Rinde der Aeste, auf das Trefflichste, ganz ebenso wie unser Haselhuhn; durch Verfolgung gewitzigt, sucht sie sich bei Erscheinen des Hundes laufend

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_332.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)