Seite:Die Gartenlaube (1869) 349.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Maschinen und namentlich auch die bekannten Uhren, Ueberdies ist man hier sehr gebildet, hält reich ausgestattete Lesezimmer, gesellige Vereine, seine Gasthäuser etc. Es that mir leid, daß meine Zeit denn doch zu Ende ging und daß ich nicht mehr Weile hatte, das anziehende Städtchen näher zu studiren. Eben deßwegen will ich aber auch nicht mehr darüber sagen.

Von Villingen zieht der Trachtenzeichner gewöhnlich nach Schwenningen hinauf, einem großen Dorfe, das schon im Königreich Würtemberg,

In Rottweil
Nach der Natur aufgenommen von Theodor Pixis.

nicht weit von der Quelle des Neckar gelegen ist. Auch hier viele Betriebsamkeit und allerlei Fabriken. Freundlich aufgenommen und verpflegt habe ich da manches Bildchen gezeichnet, was ich aber nicht darbieten will, da ich wohl schon zu viel Raum in Anspruch genommen habe. Doch will ich nicht verschweigen, daß die Mädchen ein schwarzes, enges Käppchen tragen, das einen großen Theil der Stirn bedeckt. Mieder, Jäckchen und der kurze Rock - auch sie sind schwarz; hochroth dagegen die Strümpfe. Ein hochrother Strumpf ist immerdar ein prachtvoller Anblick und hat mein Herz jeder Zeit erfreut, ob er mir nun zu Meran, im Montavon oder in Schwenningen entgegen getreten ist. Uebrigens trifft man hier viele schlanke, schöngebaute Gestalten, und der Anblick eines Kirchgangs an einem sonnigen Sonntag, wie er mir zu Theil wurde, ist eine beneidenswerthe Augenweide.

Von Schwenningen wandelte ich nach der Stadt Rottweil, welche, mehr berühmt als groß, in einer sehr schönen Gegend liegt. Sie bedeckt eine ziemlich steile Anhöhe am Neckar, der hier noch sehr jung ist, und zählt viele Denkmäler ihrer einstigen Bedeutung. Hier in dieser weiland freien Reichsstadt ward ja des heiligen römischen Reiches kaiserliches Hofgericht aufgeschlagen, und der steinerne Stuhl, auf dem der Hofrichter öffentlich zu Gerichte saß, steht noch unter den alten Linden im Garten des Waisenhauses. Der herrliche Bau der Stadtpfarrkirche schaut weit in's schwäbische Land hinaus. Viele sachkundige Reisende zieht auch der thracische Sänger Orpheus an, ein schönes Mosaik, welches weiland die hier angesiedelten Römer hinterlassen haben. Ein wahrer Genuß ist es, durch die erkerreichen Straßen der Stadt zu schlendern und die mannigfaltige. Bauart der alten Häuser zu betrachten. Stattliche Brunnen erquicken den durstigen Wanderer - eine etwas naive Phrase, da der durstige Wanderer viel lieber in’s Wirthshaus geht, als an den Brunnen. Auch sonst ließe sich noch viel Erhebliches sagen, was ich aber gelehrteren Touristen überlasten will.

In der Nachbarschaft ist auch die Tracht sehr niedlich, und ein hübsches Landmädchen, das eben am Stadtbrunnen stand, habe ich allsogleich aufgenommen und theile es hier bereitwillig mit. Leider war die Jungfrau in der Natur viel schlanker als auf dem Bilde, oder vielmehr: leider ist sie auf dem Bilde viel untersetzter ausgefallen, als sie in Wirklichkeit war. Vielleicht drücken auch die hohen Gebäude der Nachbarschaft etwas auf ihren Wuchs. Ihr gegenüber steht wieder ein junger Mensch, welcher aus ihrem Kruge trinkt. Soll's etwa doch ein „durstiger Wanderer“ sein, deren Vorkommen am öffentlichen Brunnen ich oben selbst als sehr unwahrscheinlich bezeichnen mußte? – Meine Verlegenheiten beginnen schon wieder. Wenn mich der geneigte Leser sehen könnte, wie ich dieses schreibe, so würde er schon die ersten Schweißtropfen auf meiner Stirn bemerken. Es ist ein Elend, daß ich mir die jungen Leute nicht anders als paarweise denken kann, daß ich neben ein Landmädchen – fast unwillkürlich – immer einen jungen gefühlvollen Menschen aus der Stadt hinzeichnen muß. Was wird aber das Publicum sagen, wenn ich in Bildern, die auf Wahrheit Anspruch machen, hartnäckig Menschen zeichne, von denen ich selbst nicht weiß, wer sie sind? Indessen – zu geschehenen Dingen muß man das Beste sagen. Ich könnte eben so gut behaupten, daß der junge Mann ganz und gar an seinem Platze sei und eine sonst sehr empfindliche Lücke ausfülle. An und für sich hat die Situation auch nichts Unnatürliches, nicht einmal etwas Ungewöhnliches. Es ist seit Elieser's und Rebekkas Zeiten (I. Mose 24) schon öfter vorgekommen, daß ein junges Mädchen einem Mannsbild zu trinken gab, und hier geschieht es eben auch. Insofern wäre mein Holzschnitt allerdings noch zu halten, aber ich gelobe aufrichtig, keine Bilder mehr zu zeichnen, die der Exegese so unüberwindliche Schwierigkeiten bieten.

Ehe ich jedoch die Feder niederlege, welche diese Textstücke mit stillem Vergnügen gesündigt, muß ich’s wie der Wanderer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_349.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)