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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


machen, der aus einem schönen Thal auf einen Berg gestiegen. er dreht sich um, setzt sich, nach Umständen, nieder und betrachtet mit Behagen Alles, was erst so glücklich hinter ihn kam und nun so freundlich vor ihm liegt. Nur trifft bei mir gerade das Umgekehrte zu, denn ich bin aus dem Schwarzwald eine gute Strecke heraus und denke, nun schon etwas herabgekommen, mit dem Gefühl billigen Dankes an das lebensvolle Bergrevier mit all seiner Kurzweil und Nutzbarkeit zurück.

Der Schwarzwald! Man braucht just kein Schwabe zu sein, auch sonst ein redlich deutsches Gemüt versäumt die Gelegenheit nicht, sich das Herz aufgehen zu lassen, wenn es sich in eins der Thäler zurückversetzt, wie das der Murg, des Gutach, das Simonswalder, oder vor die Wasserfälle von Allerheiligen und von Triberg, oder an die Bergwände mit dem Laubwaldgrün, an die germanisch begeisternden Eichenhaine und an die dunklen Christbaumwälder der Tannen und Föhren, deren Massenfarbe dem Wald seinen Namen gegeben.

Und hält nicht selbst der Geist noch einmal so leicht solche Wanderfahrt durch die fröhlich durchmessenen Herrlichkeiten, weil selten ein schlechter Weg üble Erinnerungen hervorruft und im ganzen badischen Land dem Mann, welcher sich einen Wagen zulegen kann, nirgends eine Chausseegelderhebestelle eine störende Empfindung verursacht? – Wär's auch, daß den Wanderer hie und da ein Glas Bier weniger angemuthet, so hat ihn sicherlich zu Hornberg und Lichtental Gambrinus wieder mit seinem Reich versöhnt; dagegen ist ihm reiner Wein, d. h. Landwein, überall eingeschenkt worden, besonders da, wo die köstlichen Bachforellen ihn daran gemahnten, daß der Fisch schwimmen will. Und wie könnte ein Theil des Waldvolks katholisch sein und nicht für treffliche Mehl- und Eierspeisen und sonstige Fastenerquickung die fromme Uebung bewähren? Es wird hart halten, der Erinnerung etwas vorzuführen, von dem man sich mit Reue über vergeblich todtgeschlagene Zeit abwenden müßte.

Nur eine Bemerkung machte mir um einen großen Theil der eigentlichen Waldbevölkerung Sorge, und ist sie auch schon von befähigteren Männern ausgesprochen, so erachte ich dies nicht für einen Grund, daß ich gerade in der Gartenlaube darüber schweigen soll. Wie oft bemerkt, finden in vielen Thälern und einsamen Walddörfern zahlreiche Familien ihr ausgiebig Stück Brod in der Wanduhrmacherei. Selbst die kleinen Finger der Kinder erhalten dadurch eine nutzbare Beschäftigung, weil die Theilung der Arbeit auch bei der Herstellung der weltberühmten "Schwarzwälder“ von der lieben Notwendigkeit längst eingeführt ist. Solche Industrie kann nur unter dem Schutz des Waldes blühen, wo das Leben billig und das Holz nicht theuer ist. In den Städtchen des Landes mag man sich höher versteigen, wie z. B. von der Kuckucksuhr bis zur Drehorgel hinauf, die in fremde Länder geht, wo sie die Virtuosen der Messen und Jahrmarkte vermehrt, oder wo der Russe nach ihr tanzt und Thee dazu trinkt. Aber die ehrwürdige Pendeluhr, welche des deutschen Bauern Stubenecke ziert, vermag preiswürdig nur der Mann im Walde zu liefern Und eben deswegen ist es mir ein betrübender Anblick gewesen, daß mit beträchtlichem Schweiß so viele ehemalige Waldflächen ihrer sämmtlichen Baumwurzeln beraubt werden, um den Boden zum Kartoffel- und Getreidetragen zu zwingen. Jeder neue Kartoffelacker wird aber in der Zukunft nimmermehr so viel Nahrung und Nothdurft befriedigen, als er durch das Holz, das er für die Handindustrie lieferte, einst sichere Einnahme brachte, und das Mißverhältniß zwischen Menschenzahl und Nahrung wird wachsen, bis die unentbehrlichen Hölzer zu theuer für den gewohnten Erwerb und die Kartoffeln doch nicht billiger sein werden. Das ist's, was mich mit Besorgniß für einen großen und jetzt noch so leidlich zufriedenen Theil des Waldvolks im Schwarzwalde erfüllt und weßhalb auch ihnen der Zuruf gebührt, der doch hie und da jetzt mehr als sonst mit Nachachtung gehört wird "Schonet eure Wälder!“

Und nun lege ich meine Feder nieder, die ich nicht ohne Bescheidenheit geführt zu haben glaube. Ich stellte mir, wie schon Eingangs ansgesprochen, keine andere Aufgabe, als dem Bildchen einige erklärende Worte beizugeben, und diese Erklärungen wieder durch einen leichten Reisefaden mit einander zu verbinden. Wenn ich das verehrliche Publicum behelligen wollte, so hätte ich freilich noch allerlei kleine Auftritte, harmlose Abenteuer, unschuldige Schäkereien mit Schwarzwäldern und Schwarzwälderinnen zu erzählen. Manches könnte sich vielleicht sehr pikant machen, allein es ist doch am Ende bester, hier zu schließen, als dem Leser ein Interesse für kleine persönliche Erlebnisse zuzutrauen, die in unsrer großen Zeit ja ganz und gar verschwinden.




Aus der Rumpelkammer des modernen Aberglaubens.

Von Dr. J. Schwabe.
(Schluß.)
Der Mond und sein Einfluß auf das faulende Holz und das Wetter. - Anziehungskraft des Mondes. - Das Freitagswetter. - Die Hellsehenden und ihr Traumleben. - Die Magengrube und die verschlossenen Briefe. - Eine Somnambule in Halle. - Die Phantasie und die Naturerscheinungen.


Der Glaube an einen besonderen Einfluß des Mondes auf das Wachsthum der Pflanzen beruht auf ganz mangelhafter Beobachtung und entbehrt jeder Begründung. Da heißt es, Holz, das bei zunehmendem Monde gefällt sei, faule schneller, als bei abnehmendem Monde gefälltes. Aber nie und nirgends hat man davon gehört, daß diese Behauptung auch nur durch ein einziges verständig angestelltes Experiment geprüft worden wäre. Einer schwatzt jene Albernheit dem Andern nach, aber keiner von ihnen hat daran gedacht, zwei gleich gesunde, gleich alte Bäume von gleicher Art, den einen bei zu und den andern bei abnehmendem Monde zu fällen und unter gleichen Verhältnissen aufzubewahren und dann das Verhalten des Holzes zu beobachten. Eben so steht es mit der Behauptung, daß gewisse Pflanzen nur gedeihen, wenn sie bei abnehmendem Monde gepflanzt werden, während es sich bei anderen umgekehrt verhält. Bekanntlich gedeiht nicht Alles, was gepflanzt und gesät wird, und trifft es sich nun hier und da, daß die nicht gedeihenden Gewächse bei zunehmenden Monde gepflanzt wurden, während dies bei abnehmendem Monde hätte geschehen sollen, so wird der Fall als eine neue Bestätigung jener Regel wohl gemerkte die Fälle aber, wo Pflanzen nicht gedeihen, die zur rechten Mondzeit gesät waren, werden den Witterungsverhältnissen zugeschrieben!

Nun aber das Wetter! Auf dieses hat doch der Mond erfahrungsgemäß einen bedeutenden Einfluß? Die Antwort lautet: nein! der Mond hat nicht nur keinen bedeutenden, sondern nicht einmal den mindesten nachweisbaren Einfluß auf unser Wetter, und wenn man sich auf die Erfahrung beruft, so erwidere ich, daß es gerade die Erfahrung ist, welche die Meinung von der Wettermacherei des Mondes widerlegt. Freilich meine ich nicht diejenige Erfahrung, welche der einzelne ungeübte Beobachter macht, der es sich gelegentlich merkt, wenn einmal Regenwetter zur Zeit des Neumondes oder heiteres Wetter bei Vollmond eintritt, sondern diejenige Erfahrung, welche man auf Sternwarten und meteorologischen Stationen macht, wo Tag für Tag mehrmals die allgemeine Beschaffenheit des Wetters, der Barometerstand, die Windrichtung und der Feuchtigkeitsgrad der Luft schriftlich aufgezeichnet werden. Nun ergeben die über vierzig Jahre lang auf der Münchener Sternwarte mit großer Sorgfalt geführten Tabellen, daß an den Tagen des Vollmondes, des Neumondes und der beiden Viertel das Wetter sich nicht häufiger und nicht seltener ändert, als an jedem beliebigen anderen Tage. Nur solche Erfahrungen können Anspruch auf Geltung machen.

Man überschätzt im gewöhnlichen Leben überhaupt den physikalischen Einfluß des Mondes auf unsere Erde gar sehr.

Dieser Einfluß kann nach den uns bekannten Naturgesetzen nur auf dreierlei Wegen stattfinden. durch die Anziehungskraft des Mondes, durch das reflectirte Sonnenlicht, welches er uns zusendet, und durch Zuführung von Wärme. Die Anziehungskraft (Schwerkraft) des Mondes, an sich schon fast siebenmal geringer als die der Erde, verschwindet für die auf der Erde befindlichen Gegenstände zu nichts, da der Mond zweiundfünfzigtausend Meilen entfernt

ist und seine Anziehungskraft daher von der Erde unendlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_350.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)