Seite:Die Gartenlaube (1869) 368.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

und nur unter die Rubrik „Musikgeschwätz und Parteigezänk“ fällt, so lassen sich die eigentlich ästhetisch-musikalischen Schriften in zwei Classen theilen. Die eine sucht ihren Schwerpunkt in einer tiefeingehenden Zergliederung der einzelnen Tonstücke, bringt allerdings dem Künstler die reichere wissenschaftliche Ausbeute, vermehrt, verbessert, schärft sein „Handwerkszeug“, ist aber Allen, denen es nicht um Studium behufs eigenen Schaffens und Reproducirens, sondern nur um Anregung und allgemeine Bildung zu thun ist, ein unnahbares Gebiet. Die sehr wenigen Schriftsteller der zweiten Gattung bekunden zwar, daß sie in die Geheimnisse der musikalischen Baustyle eingeweiht, mit ihren technischen Hülfsmitteln vertraut sind, ziehen jedoch hiervon in den Bereich ihrer Darstellung nur so viel, wie nöthig ist, um ihren eigentlichen Zweck zu erreichen: die künstlerischen Persönlichkeiten der Tondichter in ihrem Gesammtwesen und in ihren Werken zu überzeugender Anschauung zu bringen, in der Weise, daß ein inneres und inniges Verhältniß zum Gegenstand vermittelt wird. Weiteren Leserkreisen lebendige und nachhaltige Wirkung einzuflößen, vermag allein diese letztere Classe von Schriften. Ihr gehört ein eben erschienenes Werk an, welches wir unseren Lesern mit gutem Gewissen empfehlen können; Verfasser desselben ist der auf dem Gebiete der musikalischen Kritik rühmlich bekannte geistvolle Otto Gumprecht in Berlin, und sein Buch führt den Titel „Musikalische Charakterbilder“.

In der Form von „Essays“ enthält das Werk die sechs bedeutendsten Componisten der nachclassischen, der Mozart-Beethoven’schen sich anschließenden Periode: Franz Schubert, Mendelssohn, Weber, Rossini, Auber, Meyerbeer. Streng genommen hätte Robert Schumann und Spohr wohl auch ein Platz in der Reihe gebührt, der erstere wird indessen von Vielen dem neuesten, noch nicht abgeschlossenen Zeitabschnitt zugerechnet, und beide Meister stehen gerade den großen Kreisen, an welche unser Verfasser sich wendet, weniger nahe.

An der wohlthuenden Wärme, welche die Schilderung der erstgenannten drei deutschen Tondichter, namentlich die Schubert’s, athmet, läßt sich wohl fühlen, daß sie dem Herzen des Autors wie dem des deutschen Volks die nächsten, die verehrtesten und vertrautesten sind; aber auch der Italiener Rossini, der Franzose Auber und der Kosmopolit Meyerbeer sind mit jener Unbefangenheit, Reife und Milde des Urtheils gewürdigt, welches sich nicht durch Nationales, der Sache zum Nachtheil, beeinflussen läßt. Das Biographische ist mit Recht äußerst knapp gehalten und dient nur der ästhetischen Charakteristik als Ausgangs- und Anhaltspunkt, den künstlerischen und allgemein menschlichen Entwickelungsgang jedes einzelnen Componisten erläuternd und belebend. Auch der Musiker von Fach, der nicht ganz in Formalismus verknöchert ist, wird eine Fülle von Anregungen aus dem Buche schöpfen, ganz besonders aber werden der Glanz und die Reinheit der Darstellung jeden gebildeten Leser fesseln, selbst einen solchen, den mit der Musik und ihren unsterblichen Vertretern kein engeres Band verknüpft. Das Ganze aber wird, um mit dem Wunsche unseres trefflichen Verfassers zu schließen, „Empfindungen und Eindrücke, die in jeder für die Seligkeit der Töne empfänglichen Brust ruhen, zu hellerem Bewußtsein und bestimmteren Vorstellungen erwecken und die Liebe zum Gegenstande, welche dem Verfasser die Feder geführt, auch andere Gemüther, dem Gesetze der musikalischen Sympathie gemäß, in mitschwingende Resonanz versetzen.“




Ein Ehrenvermächtniß. Ein Vermächtniß, das Beide ehrt, den Geber wie den Empfänger, und an welchem auch die Leser der Gartenlaube Antheil nehmen, wird uns soeben aus St. Gallen bekannt gemacht. Der dortige Bürger und Tabaksfabrikant, Herr Johannes Vonwiller, hat durch Testament bestimmt: „Herrn Wilhelm Bauer, Submarine-Ingenieur, für seine Beharrlichkeit bei Hebung des ‚Ludwig‘ aus dem Bodensee 1/100tel (gleich 220 Frcs.)“

So wenig, wie bei dem armen Bergmanne in Halle an der Saale, welcher die ersten Groschen zur Ludwigshebung darbot, kommt es bei diesem Vermächtniß eines Schweizer Bürgers auf die Summe an: Beider Werth ist der, daß sie Vertrauen und Anerkennung aus den Volkskreisen für Bauer aussprechen, leider das Einzige, was ihm als Lohn der unterseeischen Schifffahrt, der Ludwigshebung und der Schießproben unter Wasser geblieben, seitdem die Ungunst der Verhältnisse ihn wieder einmal bei Seite gestellt hat.




Deutsche Preiscompositionen in Amerika. Vom Directorium des elften Allgemeinen Sängerfestes des Nordöstlichen Sängerbundes von Amerika erhalten wir folgenden Bericht über das Endresultat des von uns seiner Zeit mitgetheilten Preisausschreibens für Originalcompositionen: Die Entscheidung des Preisgerichts für die zum nächsten Sängerfest eingesandten achtundsechszig Preiscompositionen erfolgte Donnerstag, den 6. Mai, indem die versiegelten Couverte, die Namen der Componisten enthaltend, in Gegenwart der hiesigen Preisrichter, des Bundesvorstandes und des Musik-Comités, eröffnet wurden. Der erste Preis von hundert Dollars Gold wurde der Composition zuerkannt, die das Motto trägt: „Das letzte Lied dem Vaterland“. Componist ist Herr Hermann Franke, Cantor an der Marienkirche und Gesangslehrer zu Crossen an der Oder. Den zweiten Preis von fünfzig Dollars Gold erhielt die Composition mit dem Motto: „Vom Nord zum Süd, von Ost zum West, erschalle des Herrn Lied in tausend Zungen“, von Herrn J. C. Metzger, Capellmeister und Dirigent in Wien componirt.

Der Reihe nach den erstgenannten am nächsten stehend wurden folgende Compositionen befunden:

1. Du bist an kurze Zeit, doch nicht an Raum gebunden;
1. Geh’ hin, betritt ergeben Deine Bahn!
1. Es hat der Sänger mit dem Dichter sich gefunden. –
1. Dank Euch! und nehmt die Gabe freundlich an!

Componist: Theodor Berthold, königlich sächsischer Hoforganist in Dresden.

2. „Des Kriegers letzte Stunden“ mit dem Motto:
2. „D Wo Euch des Himmels heil’ge Luft umweht,
2. „D Da rauscht die Phantasie mit ihren Schwingen.

Componist: Ernst Wilhelm Sturm, Mitglied des königlich sächsischen Hoftheaters in Dresden.

3. „Dein ist die Macht und Herrlichkeit.“

Componist: J. E. Becker in Würzburg.

4. „Und mein Gebet am fernen Strand,
4. Gilt dir, mein deutsches Vaterland.“

Componist: Wilhelm Tschirch, Capellmeister in Gera.




Bocks Briefkasten. Ist das Impfen von Vortheil oder von Nachtheil? Diese Frage ist dem Verfasser seit Jahren so oft und in der Neuzeit so dringend gestellt worden, daß er sich endlich gezwungen sieht, darauf zu antworten. Er thut dies jedoch mit großem Widerstreben, da ein einzelner Mann der Wissenschaft, und wenn er auch noch so viele Erfahrungen in Impfangelegenheiten hätte, gar nicht im Stande und berechtigt ist, zu entscheiden, ob das Impfen wirklich schädlich oder nützlich ist. Um dies endlich aufzuklären, wird die Wissenschaft noch viele Jahre brauchen und sehr genaue Forschungen anstellen müssen. Und diese Forschungen müssen noch dazu von ganz unparteiischen, nicht von vorn herein für das Impfen eingenommenen Heilkünstlern angestellt werden. Denn leider spielt in der Heilkunst, und zwar ebenso in der der Aerzte wie der curirenden Laien, die oft ganz ungerechtfertigte Zuneigung zu diesem und jenem Heilmittel und Heilhokuspokus eine solche Rolle, daß daraus geradezu Abneigung zu ganz vernünftigen Mitteln und Curarten erwächst. Daß der heilkünstelnde Gevatter Schuster, Schneider und Handschuhmacher die Impf-Frage beim Glase Bier und zwar, wie bei uns in Leipzig, mit schlagenden Gründen, entscheiden und sich gegen das Impfen aussprechen kann, darüber wird sich Niemand verwundern, der den hohen Bildungsgrad und die übernatürliche Heilgabe solcher Heilwüthriche, so wie deren große angeborene Einsicht in den gesunden und kranken menschlichen Körper kennt. – Verfasser hat in seiner vierzigjährigen Praxis vom Impfen allerdings weit mehr Schlimmes als Gutes gesehen und impfte deshalb seine eigenen Kinder erst in ihrem dritten oder vierten Lebensjahre, wo sie gesund und kräftig waren. Er würde sie aber gar nicht geimpft haben, wenn bei uns nicht insofern indirecter Impfzwang bestände, als ein Impfzeugniß bei mancherlei Gelegenheiten durchaus verlangt wird. Erst ganz neuerlich wurden auch ungeimpfte Kinder in die Schule aufgenommen. – Daß durch das Impfen im kindlichen Körper eine Art Eitervergiftung (Pyämie) veranlaßt wird, selbst wenn die Lymphe zum Impfen von ganz gesunden Kindern oder Kühen genommen wird, das kann nicht bezweifelt werden, und daß eine solche Blutvergiftung sicherlich auch schlechte Folgen haben kann, ist erwiesen. Verfasser würde deshalb niemals einen Säugling in den ersten Monaten seines Lebens, am allerwenigsten aber zur Zeit des Entwöhnens und Zahnens impfen. Ob er damit Recht thut oder nicht, läßt er zur Zeit dahingestellt; auch will er sein Verfahren durchaus nicht zur Nachahmung empfehlen. Er glaubt aber Recht zu haben; der Glaube fängt aber freilich erst da an, wo das Wissen aufhört, und ist in den meisten Fällen Aberglaube. – Recht komisch und für die Anti-Impfhelden aus dem Volke recht bezeichnend ist deren Behauptung, daß durch das Impfen auch die Krätze auf das geimpfte Kind übertragen wird. Wer nämlich weiß, und das sollte eigentlich jeder nur halbwegs gebildete Mensch wissen, daß die Krätze nur durch ein spinnenartiges Thierchen, die Krätzmilbe, erzeugt wird, der muß obige Behauptung belächeln und diese Anti-Impfer fragen: werden denn nicht vielleicht auch Läuse, Flöhe und Wanzen mit eingeimpft? Sollte denn nicht etwa mit dem Impfen auch die große Denkunfähigkeit so vieler Menschen im Zusammenhange stehen? Bock.     



Für die Wasserbeschädigten in der Schweiz

gingen ferner ein: Von einigen Kirmeßgästen in Ernstthal 1 Thlr. – A. H. in Remda 2 Thlr. – Aus Heldburg 3 Thlr. – Sammlung der Expedition des Anzeigers für Cottbus und Umgegend durch A. Heine 20 Thlr. – W. A. J. Krüger in Deutsch-Crone 1 Thlr. – Sammlung in der Bürgerschule zu Waltershausen durch die Schuldirection 6 Thlr. – G. Z. in Plauen 2 Thlr. – Anna G. 2 Thlr. – Robert Geibelt in Pirna in Erinnerung an die freundliche Aufnahme in Basel im Jahre 1863 2 Thlr. – F. L. 2 Thlr. – O. und A. in Bremen 5 Thlr. – Wiese in Stralsund 1 Thlr. – Mit dem Motto: „Wie schön wäre es auf der Welt etc.“ 2 Thlr. – Gesammelt in Eydtkuhnen durch O. 26 Thlr. – K. und F. bei B. 1 Thlr. – Aus Ober-Frohna 1 Thlr. – W. H. in Magdeburg 15 Ngr. – Stralau 1 Thlr. – Ungenannt 5 Fl. österreich. Währung. – Ungenannt 1 Thlr. Dr. Wohlfahrt in Dippoldiswalde 1 Thlr. – Germania-Verein in Sebewaing, Huron Ct., Mich. 5 Doll. Pap. – Rahm in Mautern 2 Fl. 50 Kr. österreich. Währung. – Aus Nordhausen, Erlös einer von Kindern veranstalteten Lotterie 6 Thlr. – Durch G. Stalling in Oldenburg, als bei ihm eingegangen, 1 Thlr. – W. Pf. Rathenow 1 Thlr. – A. D. in Essen 1 Thlr. – Summa aller bisherigen Eingänge 315 Thlr. 15 Ngr.

Die Redaktion.     

Inhalt: Reichsgräfin Gisela. Von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Altfränkisches Eherecht und Kampfgericht. Von Heinrich Vocke. Mit Abbildung. – Ein excommunicirter Protestant. Von Stephan Born. – Schöne Geister und schöne Seelen. 1. Der Philosoph Hemsterhuys und die Fürstin Gallitzin. Von F. v. Hohenhausen. Mit Portrait. – Das Wildschützenthum. Von Adolf Müller. Mit Illustration. – Blätter und Blüthen: Ein General „zu vermiethen“. Von Arthur v. Truhart. – Der Proceß Zastrow. – Theologische Schalkheiten. – Musikalisches. – Ein Ehrenvermächtniß. – Deutsche Preiscompositionen in Amerika. – Bock’s Briefkasten. – Für die Wasserbeschädigten in der Schweiz.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_368.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)