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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

dem Ausbruch des Krieges zwischen Preußen und Frankreich im Jahre 1805 die berühmte Gemäldegalerie unter dem Vorwande, sie vor den feindlichen Parteien in Sicherheit zu bringen, nach Mannheim und dann nach München senden ließ, wo sie ungeachtet aller Reklamationen der Bergischen Stände geblieben ist.

Dieser traurige Zustand dauerte unter der achtjährigen französischen Herrschaft und selbst zu Anfang der preußischen noch fort, bis endlich im Jahre 1819 eine gründliche Neugestaltung vorgenommen wurde. Die Akademie wurde in das seiner eigentlichen Bestimmung verlustig gegangene Galeriegebäude und das damit zusammenhängende alte Bergische Schloß verlegt und mit einer ansehnlichen jährlichen Dotation bedacht. Zum neuen Direktor aber war Peter Cornelius ausersehen, der als geborener Düsseldorfer sowohl, wie als einer der ersten Künstler seiner Zeit ganz besonders geeignet hierfür erschien. Der Minister von Altenstein hatte von Niebuhr, dem damaligen preußischen Gesandten in Rom, ein Gutachten über den Meister eingefordert, welches, am 5. Juni 1819 verfaßt, diesen in den wärmsten Ausdrücken empfahl und die bezeichnende Stelle enthielt. „Cornelius ist unter unsern Malern, was Goethe unter unsern Dichtern ist.“ Diese Empfehlung entschied: Cornelius wurde ernannt und trat das Amt im Jahre 1821 an, nachdem er sich zuvor noch längere Zeit in München und Berlin aufgehalten hatte.

Mit seiner Ankunft begann in Düsseldorf ein reges Kunstleben. Talentvolle Schüler sammelten sich um ihn, wie Stürmer, Stilke, Götzenberger, Hermann, Carl Schorn, Anschütz, Eberle, Ernst Förster, Ruben und Kaulbach, und halfen ihm bei den Arbeiten für die Wandgemälde der neuen Glyptothek in München, die ihm von König Ludwig von Baiern aufgetragen worden waren. Im Winter wurden die Cartons gezeichnet und im Sommer zog der Meister mit den Schülern nach der Isarstadt, die Ausführung zu unternehmen. Aber schon im Jahre 1824 siedelte Cornelius ganz dorthin über und die Mehrzahl der jungen Künstler folgte ihm bald. Die Düsseldorfer Akademie stand verwaist wie zuvor, und die schönen Hoffnungen, die man gehegt, sollten erst in Erfüllung gehen, als Wilhelm von Schadow 1826 das Direktorat übernahm und mit seinen Schülern Carl Friedrich Lessing, Theodor Hildebrandt, Carl Sohn, Eduard Bendemann, Julius Hübner, Heinrich Mücke und Christian Köhler von Berlin eintraf, deren hervorragende Begabung bald zu bleibendem Ruhme gelangte und die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf die neue Schule zu lenken bestimmt war. Die schon vorgefundenen und hinzugekommenen Eleven schlossen sich an diesen Kern an, um von freudigem Wetteifer beseelt in kürzester Zeit die erstaunlichsten Fortschritte zu machen. Schadow’s eminente Lehrbefähigung, seine vielseitige Bildung und persönliche Liebenswürdigkeit, seine ausgebreiteten Verbindungen, die zu Aufträgen und Ankäufen führten: Alles trug dazu bei, der Düsseldorfer Akademie zu einem Aufschwunge zu verhelfen, wie er in der Kunstgeschichte einzig dasteht. Männer wie Immermann, Uechtritz, Schnaase, Felix Mendelssohn u. A., die damals in Düsseldorf lebten, konnten gleichfalls nicht ohne anregenden und fördernden Einfluß bleiben, und ein kunstsinniger Mäcen fand sich in dem dort residirenden Prinzen Friedrich von Preußen, so daß die günstigsten Umstände dieser schnellen Entwickelung zu Gute kamen.

Eine wahrhaft enthusiastische Aufnahme wurde allenthalben den Werken der rheinischen Schule zu Theil, welche der romantischen Richtung huldigte, die auch in der Literatur damals die herrschende war. Aus den fernsten Gegenden kamen junge Maler, um unter Schadow’s Leitung ihre Studien zu machen, und die Zahl seiner Schüler wuchs mit jedem Tage. Dabei aber konnte das frühere patriarchalische Familienverhältniß unmöglich fortbestehen. Es traten verschiedene Elemente hinzu, die mit den vorhandenen nicht harmonirten. Mißverständnisse, Reibungen und Zerwürfnisse stellten sich ein. Des Meisters zunehmende Kränklichkeit und streng-katholische Richtung machten ihn unzugänglicher und einseitig. Viele der bedeutendsten Kräfte verließen endlich sogar die Akademie, Schüler schlossen sich ihnen an und es bildeten sich immer mehr Privatateliers, denen seitdem die meisten jüngeren Düsseldorfer Künstler ihre Ausbildung verdanken. Für eine gesunde Weiterentwickelung der Schule waren diese Umwälzungen von großem Vortheil. Die äußere Einheit war gebrochen, dafür aber auch die Gefahr der Einseitigkeit, die sich schon geltend machte, beseitigt und die mannigfaltigsten Richtungen, die verschiedenartigsten Auffassungs- und Darstellungsweisen wetteiferten gleichberechtigt mit einander und brachten namentlich auf dem Gebiete der Genre- und Landschaftsmalerei Werke hervor, deren hohe Bedeutung noch in kommenden Zeiten ehrenvolle Anerkennung finden wird. Von wesentlichem Einfluß war dabei auch die Errichtung einer permanenten Kunstausstellung, welche den fortwährenden Ueberblick aller Leistungen gestattet und einen steten Wettstreit rege erhält, während früher nur alljährlich sechswöchentliche Ausstellungen im Akademiegebäude stattfanden und manch schönes Bild, das in der Zwischenzeit vollendet wurde, den Ort seiner Entstehung verließ, ohne Künstlern und Publikum bekannt geworden zu sein. Eine neuerdings errichtete zweite permanente Ausstellung gewährt sogar den Vortheil auswärtige Gemälde kennen zu lernen, wodurch nicht nur Gelegenheit zu interessanten Vergleichen, sondern auch zu fortwährenden Studien geboten wird. –

Trotz alledem erlangte die Akademie als solche ihre frühere Geltung nicht wieder, was bei den allgemein herrschenden Zeitströmungen kaum möglich war. Schadow legte von schwerer Krankheit heimgesucht 1859 sein Amt nieder, nachdem er 1851 sein fünfundzwanzigjähriges Directorjubiläum auf’s Glänzendste gefeiert hatte, wobei sich auch seine zahlreichen Gegner in gerechter Anerkennung seiner außerordentlichen Verdienste um das Aufblühen der Düsseldorfer Schule einmüthig betheiligten. Er starb 1862. Sein Nachfolger wurde Eduard Bendemann, der sich besonders durch die Errichtung einer Bildhauerschule, die bisher in Düsseldorf nicht vorhanden war, verdient machte, aber bereits 1867 das Direktorat niederlegte, welches, nachdem Lessing die Uebernahme desselben abgelehnt, nicht wieder besetzt worden ist. Die Direktionsgeschäfte versieht gegenwärtig der Geh. Regierungsrath Altgelt und der von Weimar berufene Lehrer der Historienmalerei, Professor Hermann Wislicenus. Die zwischen Akademie und Künstlerschaft obwaltenden Zwistigkeiten sind glücklicherweise längst gehoben, und so begehen beide in freudiger Eintracht vom 22. bis 24. Juni das Erinnerungsfest der vor fünfzig Jahren erfolgten Neugestaltung der Akademie als des Anfanges ihrer gegenwärtigen Blüthe. Man wird mit dieser Feier einen Doppelact der Dankbarkeit verbinden, indem man für Cornelius ein Denkmal vorbereitet und denjenigen der Direktoren, welcher über ein Menschenalter treu und ausdauernd seinen Posten behauptete, Wilhelm von Schadow, ein Denkmal setzt und dasselbe feierlich einweihet. Die Stadt besitzt dann nicht nur eine Schadowstraße, sondern auch einen Schadowplatz, auf welchem das Denkmal steht, eine von Professor August Wittig modellirte Bronzebüste auf einem 35,100 Pfund schweren Piedestal von tiefgrauem Syenit, wie unsere Illustration sie unseren Lesern vor Augen stellt.

Bekanntlich ist die gesammte Düsseldorfer Künstlerschaft gesellig vereint in dem „Malkasten“. Unsere zweite Illustration führt uns, und zwar zum dritten Mal, in diese weltberühmte Herberge der Kunst, nachdem wir derselben schon im Jahr 1863 an der Hand Wolfg. Müller’s von Königswinter (Nr. 37) und in diesem laufenden Jahre (Nr. 12) Ludwig Knaus zu Gefallen unsere Vesuche abgestattet. Um unseren Lesern keine Wiederholungen von bereits Mitgeteiltem zuzumuthen, beschränken wir unsere heutige Darstellung auf den nun vollendeten neuen Anbau und die nunmehrige Einrichtung des Malkasten-Besitzthums.

Vor Allem müssen wir hier daran erinnern, daß aus den ersten dramatischen Versuchen, die bekanntlich ganz einfach und ohne viel Vorbereitungen in einer Ecke des Saales auf ebenem Boden producirt wurden, sich bald mehr entwickelte; vom Boden erhob sich das improvisirte Theater auf einer Bretterestrade, statt der Dekoration freilich diente zu Anfang nur ein ausgehängter Zettel mit der Angabe der Scene: „Wald“, „Straße“, „Zimmer“, etc. Welche ergötzliche Tollheiten sind nicht damals über diese bescheidene Bühne gegangen! Natürlich waren es nur eigens zum

Zwecke verfaßte, manchmal ganz ungeheuerliche Stücke, häufig mit politischer Grundlage. So wurde z. B. die kriegerische antirevolutionäre Action Oesterreichs auf die seltsamste Weise mit dem Feldzuge des Varus in Deutschland zusammengebracht, in einem andern wundersamen Drama wurden die Utopien der Communisten, die Republiken der Zukunft verkörpert und dergleichen mehr. Unter den seltsamen Dichtern und Dramatikern, welche die Schöpfer dieses närrisch-geistreichen Treibens waren und es zum Theil noch manches Jahr fortgesetzt haben, waren die thätigsten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_395.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)