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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

welche mit ihm in naher Verbindung stehen und ein weiteres Schlaglicht auf die Kräfte werfen, welche er in Bewegung setzt. Vielleicht wäre hier der Ort, vor Allem der Autoren, der Gelehrten, der Schriftsteller[WS 1], Journalisten, der Künstler etc. vom buchhändlerischen Standpunkte aus zu gedenken, doch würde dies zu weit führen und den uns zugestandenen Raum allein mehr als ausfüllen. Wir gehen deshalb zunächst auf Leipzigs Buchdruckereien über, welche sich in dem letzten Jahrzehent zu einer überraschenden Blüthe emporgearbeitet haben. Leipzig nimmt, was Geschmack, Solidität, Eleganz und Schnelligkeit der Arbeit betrifft, den höchsten Platz in Deutschland ein, und mit Freude constatiren wir die Thatsache, daß dies das Ausland wohl zu würdigen weiß; es kommt immer häufiger vor, daß hiesige Druckereien von England, Frankreich, Rußland etc. aus beschäftigt werden, und es muß sich das Ausland um so mehr und um so häufiger hierher wenden, als sich die Preise für Satz und Druck um 25 bis 40 Procent billiger stellen, als in London und Paris. Auch die großen Auflagen mancher deutschen Journale, z. B. der in Berlin erscheinende Bazar, werden hier gedruckt, weil die Leistungsfähigkeit unserer Druckereien die aller anderen Städte überragt.

Wir zählen gegenwärtig in Leipzig und seinen sogen. Vorstadt-Dörfern 47 Buchdruckereien, von denen 28 der Leipziger Genossenschaft der Buchdrucker angehören. Diese 47 Buchdruckereien besitzen 98 Handpressen (von denen 50 im Gange), 214 einfache Maschinen (wovon 166 im Gange) und 4 große Doppelmaschinen. Beschäftigt werden dabei 1000 Gehülfen, 300 Lehrlinge und – da es nicht gut ist, daß der Mann allein sei – eine Amazonenschaar von 450 Jungfrauen.

Auch bei den Buchbindereien Leipzigs hat sich ein gewaltiger Fortschritt bemerkbar gemacht. Während sich noch vor kaum einem Decennium die hiesigen Verleger großentheils nach Berlin wendeten, um ganze Auflagen binden zu lassen, ist jetzt der umgekehrte Fall eingetreten: Berliner und andere auswärtige Verleger lassen jetzt großentheils in Leipzig arbeiten.

Die Leipziger Buchbinderinnung zählte 1830 32 Meister mit 70 Gehülfen, 1867 aber 125 Principale mit 400 Gehülfen, 145 Lehrlingen, 47 Laufburschen und 86 Mädchen, und dabei waren 82 Vergoldepressen, 78 Beschneidemaschinen, 36 Walzen, 11 Schräge- und 11 Einsägemaschinen im Gange. Diese Maschinen, die sich seitdem wohl nicht unerheblich vermehrt haben dürften, repräsentirten damals schon ein Capital von 100,000 Thalern.

In zwei hiesigen Buchbindereien, die zum Theil schon Dampfkraft benutzen, werden je hundert Menschen beschäftigt, und um einen kleinen Beweis für die sich wellenförmig erweiternde Heranziehung anderer Gewerbe zu geben, sei hier nur noch erwähnt, daß von jenen zwei Buchbindereien nur für das zum Vergolden der Einbände nöthige sogenannte Blattgold allein jährlich gegen 30,000 Thaler verausgabt werden.

Es würde zu weit führen, wenn wir ähnliche Notizen über alle übrigen den Buchhandel mehr oder weniger berührende Geschäftszweige bringen wollten. Ein ganz bedeutendes Contingent von Arbeitskräften stellen die Schriftgießer, die Xylographen, Lithographen, Photographen, die Stahl- und Kupferstecher und Drucker, die galvanoplastischen Anstalten, die Papierfabrikanten und Händler, die Maler, Coloristen, Holz- und Metallarbeiter, und endlich die Erbauer der für die Vorgenannten erforderlichen Maschinen. – Unsere vorstehenden Mittheilungen werden genügen, um einen Einblick in das so viel treibende und schaffende Element des Buchhandels zu gewinnen und seine gewaltige und weittragende Einwirkung auf andere Geschäftszweige darzuthun.

Auch der Sortimentsbuchhandel steht in Leipzig auf einer blühenden Stufe; liegt es auch in den Verhältnissen, daß sich hier nur wenige Handlungen ausschließlich mit demselben beschäftigen, so sind doch die Verbindungen derselben ausgedehnter Natur und ihr Absatz ist ziemlich bedeutend; derselbe würde ein weit größerer sein, wenn nicht, durch die Verhältnisse veranlaßt, fast jeder Verleger oder Commissionair sich mehr oder weniger mit der Lieferung von Sortiment befaßte. Man findet vielfach, namentlich bei auswärtigen Gelehrten oder Literaturfreunden, irrige Ansichten über den Leipziger Sortimentsbuchhandel verbreitet; dem Rufe unserer Vaterstadt entsprechend, glaubt man hier die großartigsten Lager der Welt vorfinden zu müssen und hofft, jedes beliebige Buch aus alter oder neuer Zeit auf denselben sofort vorräthig zu sehen. Dies ist aber nicht der Fall; abgesehen von der ein solches Ansinnen durchaus nicht rechtfertigenden Nachfrage sind die Miethen zu theuer, um größere Localitäten für diesen Zweck bereit zu halten; außerdem macht aber der Umstand, daß man den größten Theil der Bücher vom hiesigen Lager auswärtiger Verleger in kurzer Zeit haben kann, solche Lager, wie wir sie in anderen großen Städten finden, gänzlich überflüssig.

Daß der Musikalienhandel in unserem musikalischen Leipzig eine große Rolle spielt, ist leicht erklärlich. In der That hat es sich auch hierin den ersten Platz nicht blos in Deutschland, sondern in der ganzen musikalischen Welt erobert. Liegen uns auch keine statistischen Notizen, wie beim Buchhandel, vor, so glauben wir nach dem Urtheile Sachverständiger behaupten zu können, daß in Leipzig etwa ein Drittel aller in Deutschland erscheinenden Musikalien producirt wird. An der Spitze der hier bestehenden 29 Musikalienhandlungen steht das weltberühmte Haus der Herren Breitkopf und Härtel, das vor Kurzem sein hundertfünfzigjähriges Bestehen gefeiert hat. Der gegen 12,000 Nummern umfassende musikalische Verlag dieses Geschäfts repräsentirt eine wahre Geschichte der Musik des vorigen und laufenden Jahrhunderts, und dieses eine Geschäft hat in seinen verschiedenen Branchen ein Personal von 300 Personen aufzuweisen. Mehrere weit bekannte und geachtete Handlungen stehen der oben genannten würdig zur Seite, und als Schlußstein dieses Capitels möge die größte Notenstecherei Deutschlands – die Röder’sche Officin – Erwähnung finden. Dieselbe beschäftigt 140 Personen und stellt damit jährlich 24,000 Notenplatten her. Das jährlich verarbeitete Metall beträgt gegen 36,000 Pfund und der Papierverbrauch 400 Ballen oder 4 Millionen Musikbogen.

Es mag uns vergönnt sein, eine weitere Branche des Buchhandels, nämlich das Leipziger Antiquariatsgeschäft und das damit mehr oder weniger verbundene Auctionswesen zu besprechen. Während bis vor fünfundzwanzig Jahren fast nur eine Handlung (T. O. Weigel) das Monopol hatte, auf den Namen eines Antiquars im besseren Sinne Anspruch zu machen, hat sich seit jener Zeit dieser Geschäftszweig hier in einer außerordentlichen Weise ausgedehnt und es durch solide Geschäftsprincipien und Kenntniß verstanden, Leipzig auch in dieser Beziehung auf die höchste Stufe zu heben. Der größte Theil aller in Deutschland und vieler im Auslande bestehender Bibliotheken wandert, wenn die Verwerthung derselben beschlossen ist, nach Leipzig, und geht hier entweder in den Besitz eines Antiquariats über oder wird in den hiesigen Bücherauctionen für Rechnung der Besitzer versteigert.

Außer den im Leipziger Adreßbuch aufgeführten neunzehn Antiquaren, zählen wir hier jetzt sechs größere Antiquariatsgeschäfte, deren Namen weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt und geachtet sind. Jedes derselben unterhält ein bedeutendes antiquarisches Lager, und die Zahl der auf denselben befindlichen Werke dürfte sich annähernd auf eine Million Bände belaufen. Jedes derselben veröffentlicht im Laufe des Jahres eine größere oder geringere Anzahl von Katalogen, welche, streng systematisch nach Wissenschaften geordnet, ihren Lauf durch die ganze Welt nehmen und auch auf diesem Gebiete des Buchhandels ein reges Leben hervorrufen. Der Umsatz, der allein durch die Kataloge dieser 6 Handlungen erzielt wird, dürfte sich auf etwa 140,000 Thaler jährlich beziffern lassen.

Das Bücherauctionsgeschäft wird durch vier Firmen repräsentirt, welche im Jahr 1868 zwölf Auctionen abgehalten haben. In denselben wurden die Bibliotheken vieler verstorbener namhafter Gelehrten und Bücherfreunde, sowie vielfache Beiträge von Antiquaren und Verlegern versteigert. Die Summe der auf diese Weise 1868 auf den Markt gebrachten Werke beträgt 54,200 welche wir bei den vielen mehr- oder vielbändigen Werken wohl auf 200,000 Bände mit einem Erlös von etwa 50,000 Thaler veranschlagen dürfen. Gewiß eine ganz respectable Anzahl, welche den Beweis liefert, daß auch auf diesem Gebiet ein rühriges Leben herrscht.

Blieb auch auf diesem Felde das Gesammtresultat des vergangenen Jahres etwas gegen frühere Jahre zurück, so müssen wir ergänzend hinzufügen, daß schon die ersten Wochen des Jahres 1869 drei sehr bedeutende Bücherauctionen brachten, unter denen die durch die Buchhandlung von List und Francke angekaufte und im Januar versteigerte Bibliothek des Kaisers Maximilian von Mexico obenansteht. Der Name des früheren Besitzers und sein tragisches Ende waren, abgesehen vom hohen Werth der Bibliothek

Anmerkungen (Wikisource)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_423.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)