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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Schiller’s bemerken ziemlich übereinstimmend: Schwan, ohne auch nur die Tochter mit Schiller’s Antrag bekannt zu machen, habe seine Ablehnung in die mildere Form gekleidet, daß der Charakter seiner Tochter nicht für Schiller passe. Wir sind in der Lage, diese Angabe berichtigen zu können. Zwar, es mag auf Wahrheit beruhen, was Caroline von Wolzogen in Schiller’s Leben erzählt (I, 206), daß Schwan gegen den von ihm hochgeschätzten Dichter offen seine Bedenken aussprach, ob die Eigenthümlichkeit seines Mädchens sie zur Gattin des Bewerbers geeignet mache, und auch darin hätte Schwan nur als Freund gehandelt; aber im letzten Grunde war doch der Sachverhalt ein anderer. Am Rande des Schiller’schen Originalbriefes,[1] den noch heute die Familie Götz zu Mannheim aufbewahrt, steht nämlich, von Schwan eigenhändig geschrieben, folgende Bemerkung: „Laura in Schiller’s Resignation ist Niemand anders als meine älteste Tochter; ich gab derselben diesen Brief zu lesen und sagte Schiller, er möchte sich gerade an meine Tochter wenden. Warum aus der Sache nichts geworden, ist mir ein Räthsel geblieben.“

Suchen wir das Räthsel zu lösen. Ein Dreifaches ist es, das wir hier in’s Auge fassen müssen. Einmal bemerken wir ursprünglich bei Schiller, wie bei anderen genialen Naturen, eine gewisse Abneigung gegen die Ehe, eine Abneigung, die sich sträubt, das hochgespannte Geistes- und Gefühlsleben des Genius an eine endliche Leidenschaft zu verpfänden. Als Schiller von dem Componisten Zumsteeg, der sich eben verheirathet hatte, aufgefordert wurde, diesem Beispiel zu folgen, antwortete er demselben: „Laß mich mein Schicksal trotz des warmen Blutes, das in meinen Adern strömen mag, allein tragen… Du weißt ja, daß ich über diesen Gegenstand auf meine eigene Art philosophire.“

Margarethe Schwan.
Nach dem im Besitz der Frau Götz in Mannheim befindlichen Originalgemälde.

Zum Zweiten tritt aber nun an diesen hoch- und stillschwebenden Idealismus die ernüchternde Wirklichkeit heran, die dem Ideale feind ist. Das Junggesellenleben, ohne Ordnung, ohne weibliche Fürsorge, erfüllte Schiller mit Ueberdruß. „Einsam, ohne Führung“ – klagt er gegen Reinwald – „muß ich mich durch meine Oekonomie hindurchkämpfen … tausend kleine Bekümmernisse, Sorgen, Entwürfe, die mir ohne Aufhören vorschweben, zerstreuen meinen Geist, zerstreuen alle dichterischen Träume und legen Blei an jeden Flug der Begeisterung.“ Aus dieser Stimmung erwächst dann die Sehnsucht nach den Annehmlichkeiten einer behaglichen Häuslichkeit, die nöthigenfalls selbst die Poesie dranzugeben bereit ist. So begreifen wir’s, wenn Schiller (30. Mai 1783) an seine Freundin nach Bauerbach schreibt:

„Es war eine Zeit, wo mich die Hoffnung eines unsterblichen Ruhmes so gut als ein Galakleid ein Frauenzimmer gekitzelt hat. Jetzt gilt mir Alles gleich und ich schicke Ihnen meine dichterischen Lorbeeren in dem nächsten Boeuf à la mode und trete Ihnen meine tragische Muse als eine Stallmagd ab. Wie klein ist doch die höchste Größe eines Dichters gegen den Gedanken, glücklich zu leben!“

Zum Dritten endlich darf man wohl behaupten, daß der damalige Schiller, dessen Jugend in Sturm und Drang dahinfloß, der selber so unzufrieden war mit den Frauengestalten seiner ersten Dramen, den Werth und die Anmuth einer schönen weiblichen Seele noch nicht genugsam zu würdigen verstand. „Mädchenherzen“, sang er damals,

„Mädchenherzen sind so gern
Kästchen zum Vexiren;
Manchen lockt der goldne Stern,
Perlen, die nur zieren.

Hundert werden aufgethan,
Neunundneunzig trügen;
Aber nur in Einer kann
Die Juwele liegen.“

„Es ist sonderbar,“ schrieb er an Körner, „ich liebe die herzlich empfindende Natur, und jede Kokette kann mich fesseln. Jede hat eine unfehlbare Macht auf mich, durch meine Eitelkeit und Sinnlichkeit; entzünden kann mich keine, aber beunruhigen genug.“ Und in einem andern Briefe an denselben Freund: „Mein Herz ist ganz frei; ich habe es redlich gehalten, was ich mir zum Gesetz machte und Dir angelobte: ich habe meine Empfindungen durch Vertheilung geschwächt.“ Um nur an einem Beispiel zu zeigen, wie Schiller diese Theorie der ‚Vertheilung‘ geübt hat: zu Mannheim ist Margaretha Schwan die eigentliche, unbestrittene Herzenskönigin; zu gleicher Zeit tritt er in ein vertrautes Verhältniß mit Charlotte Kalb, der schönen geistreichen Titanide mit den großen Augen und dem großen Herzen, die mit der ganzen feurigen Gluth ihrer gequälten Seele den Dichter an sich heranzieht; im Frühling desselben Jahres reist er mit Iffland nach Frankfurt, um der Aufführung des „Fiesco“ beizuwohnen, und verliert sein Herz an die gefeierte Schauspielerin Sophie Albrecht. Und am achtzehnten Januar des nächsten Jahres begleitet er zu Mannheim die begabte und reizende Schauspielerin Katharina Baumann nach Hause und drückt ihr sein Miniaturbild in die Hand. Und was vielleicht am wunderbarsten erscheinen muß: keines dieser zahlreichen Verhältnisse hat eine lyrische Blüthe getrieben, wie sie aus Goethe’s Herzen so reich und duftig hervorbrachen; keines hat auch nur ein Lied geweckt in des Dichters Brust!

Wir fassen unsere Erörterung zusammen, indem wir sagen: es war nicht ein tiefes Bedürfniß des Herzens, das Schiller

bestimmt hat, um Margarethens Hand zu werben, es war vielmehr

  1. Ein Facsimile desselben befindet sich in dem erwähnten Buche „Geliebte Schatten“.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_429.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)